Startschuss für die Mitfahrplattform fahrmob.eco am 26.10.2019 in Ottobeuren im Unterallgäu. © Dr. Andreas Klemm
Mitfahrplattformen sind praktisch, um kostengünstig von A nach B zu kommen, gerade bei steigenden Benzinpreisen. Online finden sich viele Anbieter, die vor allem auf beliebten Langstrecken täglich Fahrten anbieten, etwa von München nach Berlin oder von Köln nach Hamburg. Anders sieht es mit Mitfahrangeboten im ländlichen Raum aus: Lokale und regionale Strecken sind oft zu kurz und das zusätzliche Benzingeld so eher uninteressant. Hier setzt die lokale Mitfahrplattform „fahrmob.eco“ im Allgäu an.
„Der Grundgedanke einer digitalen Mitfahrplattform ist an sich nichts Neues“, so Initiator Helmut Scharpf. „Und natürlich stellt sich die Frage: Warum braucht es jetzt noch eine davon? Die Antwort ist relativ simpel: Will man auf der Kurzstrecke oder innerhalb eines Ortes mitfahren, wird man bei den anderen Anbietern in der Regel nicht fündig. Es muss also einen Mehrwert geben, der die Menschen dazu bewegt, auch auf der Kurzstrecke Fahrten anzubieten. Bei uns ist das die Einbindung der Vereine.“ Denn bei fahrmob geht es neben der Verkehrswende auch ums Miteinander: Das sozial-ökologische Projekt soll lokale und regionale Vereine vor Ort fördern und so das Leben im ländlichen Raum stärken. Das funktioniert, weil die registrierten Fahrerinnen und Fahrer den Betrag, den sie mit ihren Fahrten einnehmen, an diese Akteure spenden – vom Sportverein bis zur Blasmusikgruppe ist alles dabei. Die Mitfahrplattform ist also kein anonymes digitales Angebot, sondern direkt in der Region verwurzelt – Scharpf spricht auch von einer „Fahr-Gemeinschaft“.
„Die Vereine sind Verbündete, um Überzeugungsarbeit zu leisten. So wollen wir versuchen, die Idee in die Bevölkerung hineinzutragen.“
Helmut Scharpf
Zentrales Element von fahrmob ist der Fahrplan, der jede Fahrt auflistet. Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, kann zudem online seine Anfrage eingeben – entweder in der App oder direkt unter www.fahrmob.eco. So weit funktioniert fahrmob also wie andere Mitfahrplattformen auch. Das Besondere sind die Spenden: Pro angefangenen 10 Kilometern zahlen die Mitfahrer einen Euro Benzingeld. Die Summe dieser Einnahmen kommt am Jahresende über die Fahrerinnen und Fahrer dann einem Verein ihrer Wahl zugute. Auf freiwilliger Basis allerdings, so Helmut Scharpf: „Wenn jemand selbst auf das Geld angewiesen ist, kann er es natürlich behalten. Einen finanziellen Vorteil hat auch der Spender, denn er kann die Spende beim Finanzamt geltend machen.“ Welchen Verein man unterstützen will, entscheiden die Fahrerinnen und Fahrer bereits bei der Registrierung – selbst wenn sie in dem Verein gar nicht Mitglied sind. Aktuell sind rund 80 Vereine gelistet. Sie fungieren als Bindeglied. Helmut Scharpf: „Die Vereine sind Verbündete, um Überzeugungsarbeit zu leisten. So wollen wir versuchen, die Idee in die Bevölkerung hineinzutragen.“
Hier kommen die „Verkehrsbotschafter“ ins Spiel, Vereinsmitglieder, die als Multiplikatoren über die Mitfahrplattform informieren – zum Beispiel auf der Jahreshauptversammlung oder im Newsletter. „Selbst bei Vereinen, die mit Mobilität gar nichts am Hut haben, kommen wir auf diese Weise in die breite Masse und in die Mitte der Gesellschaft“, sagt Helmut Scharpf. „Vereine sind eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft. Gerade im Nachgang der Pandemie müssen wir schauen, dass die Vereine unser Leben wieder in Schwung bringen. Und jeder Verein, ob Blasmusikgruppe oder Schützenverein, versucht ja, an Geld heranzukommen. Mit der Mitfahrplattform fahrmob können sie Gelder gewinnen, ohne dass es einen großen Arbeitsaufwand bedeutet.“ In jeder beteiligten Kommune gibt es darüber hinaus sogenannte „Zukunftshelfer“, die sich vor Ort um die Einbindung möglichst vieler Vereine kümmern. So ist ein Netzwerk von Multiplikatoren entstanden: Menschen, die für die Sache brennen, leisten die nötige Überzeugungsarbeit. Der innovative Ansatz wurde vom Bundesinnenministerium im Oktober 2021 mit einem Preis ausgezeichnet.
Ohne digitale Lösungen ließe sich ein Projekt wie fahrmob natürlich nicht so erfolgreich realisieren. Ein neues Feature ist beispielsweise die automatische Verknüpfung von Mitfahrt und Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV). Selbst aus der analogen Welt der Mitfahrbänke wird ein digitales Angebot: „In der Region werden heuer 60 davon aufgestellt, die alle einen QR-Code erhalten. Wer diesen Code aufruft, generiert damit ein Fahrgesuch. Fahrerinnen und Fahrer in der Nähe der Bank erhalten dann eine Push-Nachricht auf ihr Handy“, erklärt Helmut Scharpf. Sein Konzept hat er zunächst für seine Heimatgemeinde Ottobeuren im Unterallgäu entwickelt und 2019 an den Start gebracht. Mittlerweile hat der Landkreis Oberallgäu gemeinsam mit den Elektrizitätswerken Schönau die Mitfahrplattform auch per App aufs Smartphone gebracht. Seit Mai 2022 beteiligen sich 18 weitere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit ihren Kommunen an der Plattform. Allerdings reicht die Vision des Initiators noch weit darüber hinaus – schließlich ist das Prinzip grundsätzlich für viele weitere Kommunen und Landkreise relevant: „fahrmob ist ein wirksames Tool der Verkehrsvermeidung. Die aktuelle Diskussion um ein Öl-Embargo erweitert diesen Ansatz nochmals. Wir wollen den Beweis antreten, dass es funktioniert.“
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