Der KI-Hub Kronach ist an das KI-Kompetenzzentrum der TH Nürnberg angegliedert. Standort ist der Lucas-Cranach-Campus im oberfränkischen Kronach. © Screenshot/ Deutschland – Land der Ideen
Von Künstlicher Intelligenz (KI) haben die meisten schon gehört – viele Menschen haben aber nur vage Vorstellungen von den konkreten Einsatzmöglichkeiten, gerade in der Arbeitswelt. Hinzu kommt ein gewisses Misstrauen: Wird KI letztendlich nicht menschliche Arbeitskräfte verdrängen? Dass es sich effizient mit smarten Maschinen leben und arbeiten lässt, zeigt der KI-Hub Kronach. Und zwar anhand von innovativen Entwicklungen, bei denen die KI Menschen im Berufsalltag unterstützt und ihnen die Arbeit erleichtert – im städtischen Industriegebiet ebenso wie im Handwerksbetrieb auf dem Land. „Unsere Idee war es, das Thema Künstliche Intelligenz in den Mittelstand zu bringen“, sagt Leiter Prof. Dr. Tobias Bocklet.
Der KI-Hub Kronach ist an das KI-Kompetenzzentrum der TH Nürnberg angegliedert und wird über den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Angesiedelt ist der Hub am Hochschulstandort Lucas-Cranach-Campus im oberfränkischen Kronach, der derzeit aufgebaut wird. Ein Ziel an diesem neuen Standort ist es, die regionale Industrie eng einzubinden. So wurden bereits Kontakte zu mittelständischen Unternehmen geknüpft, für die Anwendungen wie Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen oder neuronale Netze interessant sein könnten. So komplex diese Technologien in der Entwicklung auch sind – am Ende bringen sie den Nutzerinnen und Nutzern einen handfesten und greifbaren Vorteil. Das zeigt etwa das Beispiel des Backhaus Müller aus der Region: Dort werden die Rückläufe aus den Filialen mittlerweile mit einem Tablet direkt gescannt. Die entsprechend trainierte Software erkennt dann automatisch, wie viele Brötchen welcher Sorte diesmal nicht so gut über die Theke gingen – ohne dass sich jemand verzählen kann. So kann sich die Backstube darauf einstellen. Am Anfang sei vor allem der Wunsch nach Arbeitserleichterung da gewesen, sagt Bäckermeister Ulrich Müller, Geschäftsführer des Backhauses. „Es ging uns darum, den ganzen Ablauf zu optimieren. Wenn man jeden Tag eine Stunde Retourenmanagement einspart, ist schon viel gewonnen.“
Prof. Dr. Tobias Bocklet, Leiter des KI-Zentrums der TH Nürnberg, liegen die praktischen Demonstrationen abstrakter Technologie besonders am Herzen. Daher geht er mit seinem Team in die Betriebe, lässt sich reale Probleme zeigen und findet KI-basierte Lösungen dafür, die üblicherweise in der Fertigstellung eines ersten Prototyps münden. Dazu werden zunächst die im Unternehmen vorhandenen Daten analysiert und dann Wege gesucht, wie man sie für relevante automatische Prozesse einsetzen kann. Oft geht es dabei um Qualitätssicherung: In der Backstube kann die KI erkennen, wenn die Brötchen mal zu klein ausfallen. Auch bei einem Weltmarktführer für Zündkomponenten ließ sich durch eine Entwicklung des KI-Hubs der Ausschuss verringern. Bei einem Hersteller von Parfümverpackungen, dessen Flakons oft komplizierteste Formen und Strukturen aufweisen, hilft die KI beim Check, ob die Produkte einwandfrei gefertigt sind. Und ein Schleifmaschinenhersteller kann jetzt auf rein akustischem Weg, nur mittels Mikrofon und KI, feststellen, wann das Schleifband abgenutzt ist.
„Ich sehe im Bereich KI für den in Deutschland starken Mittelstand eine extreme Chance.”
Prof. Dr. Tobias Bocklet
So unterschiedlich die Betriebe auch sind – überall haben sich die Verantwortlichen auf das Experiment mit den Ideen des KI-Hub Kronach eingelassen und damit messbare Erfolge erzielt. Aus Sicht von Prof. Dr. Tobias Bocklet ist das ein wichtiger Schritt: „Ich sehe im Bereich KI für den in Deutschland starken Mittelstand eine extreme Chance. Indem wir ihm das Thema auf anschauliche und nicht zu aufwendige Weise näherbringen, erreichen wir vielleicht, dass im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten mehr Neues ausprobiert wird als in der Vergangenheit.“ Dabei sollen, so Bocklet, die neuen Anwendungen aus Kronach keineswegs nur einem Unternehmen zugutekommen: „Unsere Erkenntnisse werden auch den anderen teilnehmenden Betrieben zugänglich gemacht, sodass ein Transferdenken stattfinden kann: Wenn das bei dem einen funktioniert, funktioniert das vielleicht auch bei mir?“
„Eine Optimierung von Fertigungsprozessen bringt echte Vorteile finanzieller Art. Und damit wird die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unterstützt“, bekräftigt auch Hans Rebhan, Vorstand der Lucas-Cranach-Campus-Stiftung. Damit mache der KI Hub den Nutzen der Künstlichen Intelligenz für den Mittelstand „sehr praktisch sichtbar“. Auch junge Menschen und Talente wolle man so in die Region locken. Wer vor seinem inneren Auge schon den Professor und sein Team in einem Speziallabor à la James Bond tüfteln sieht, wird laut Bocklet jedoch ernüchtert sein: „Ich werde oft von Leuten gefragt, wie denn ein KI-Labor aussieht. Die sind dann immer enttäuscht, wenn ich sage: Das ist einfach nur ein Raum, in dem Leute am Computer sitzen und sich immer wieder die gleichen Fragen stellen: Mit welchen Daten fangen wir an, wie zeichnen wir sie auf und wie können wir sie automatisch ausführen? Dann konzipieren wir meistens ein neuronales Netz und trainieren es.“ Das alles sei klassische Bildschirmarbeit – nur eben nicht am einfachen Laptop: „Die Rechner dafür sind recht kostspielig, drei Stück à 100.000 Euro haben wir derzeit. Natürlich sind sie sehr schnell und mit gewaltigen Grafikkarten ausgestattet. Ansonsten ist es aber ein ganz normales Büro mit angeschlossenem Rechenzentrum.“
Gefragt nach seinen Plänen für die Zukunft, sagt Bocklet: „Ich sehe, dass diese Projekte wichtig und sinnvoll sind und für viele Unternehmen eine Zukunftssicherung bedeuten. Wenn ich das Beispiel Bäckerei nehme, dann verschaffen wir ihr die Möglichkeit, automatisch ihren Bedarf anzupassen und dadurch viel effizienter und nachhaltiger zu produzieren. Das bedeutet eine geringere Menge an benötigtem Getreide, spart Geld und Ressourcen und kommt am Ende jedem zugute. Damit müssen wir einfach weitermachen. Es ist meine Vision, dass wir die regionale Wirtschaft dauerhaft effektiv unterstützen. Dazu ist allerdings auch Überzeugungsarbeit erforderlich. Oft wissen die Betriebe gar nicht, welche Datenschätze bei ihnen herumliegen und was denn eigentlich alles als Datenbasis dienen kann. Daran arbeiten wir und sorgen so für manchen Aha-Effekt.“ Die Auszeichnung beim Wettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen“ ist ein erster Meilenstein auf diesem Weg: „Der Preis, den wir für die Brötchen-Idee bekommen haben, hat uns natürlich sehr gefreut. Besonders weil er mediale Aufmerksamkeit und ein gewisses Echo von interessierten Betrieben bewirkt hat – und uns in unserem Weg bestätigt hat.“
Digitale Projekte auf dem Land sichtbar machen und die Köpfe dahinter untereinander vernetzen – das sind die gemeinsamen Ziele von Deutsche Glasfaser und der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“. Daher wurde in diesem Jahr erstmalig der Innovationswettbewerb “Digitale Orte im Land der Ideen” ausgerufen. Aus 200 Einreichungen wurden im Juni die Gewinnerprojekte geehrt – der KI Hub Kronach ist eines davon. Nach und nach werden wir hier alle Preisträger vorstellen. Mehr Informationen zum Wettbewerb – etwa zur Ausschreibung, zur hochkarätigen Jury und den Preisträgern – finden Sie hier.