Digitale Zwillinge sind vor allem bei der Stadtplanung hilfreich. ©gettyimages
Ob im Maschinenbau, beim Management von Lieferketten oder in der Stadtplanung: Digitale Modelle und datengestützte Simulationen unterstützen immer häufiger dabei, komplexe Systeme darzustellen – und zu optimieren. In diesen digitalen Zwillingen lassen sich Veränderungen zunächst einmal durchtesten, bevor sie dann tatsächlich umgesetzt werden.
In Deutschland treiben zum Beispiel Hamburg, Leipzig und München im Kooperationsprojekt „Connected Urban Twins – Urbane Datenplattformen und Digitale Zwillinge für Integrierte Stadtentwicklung“ (CUT) die Entwicklung voran. So sollen anschlussfähige Standards entstehen, die anderen Städten und Regionen die Nutzung digitaler Zwillinge erleichtern.
„Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen ermöglichen nicht nur fundiertere Planungsentscheidungen und machen diese nachvollziehbarer für unterschiedliche Zielgruppen. Ihre innovativen Beteiligungswerkzeuge sichern darüber hinaus die demokratische Teilhabe von Bürger:innen an Prozessen der Integrierten Stadtentwicklung“, schreibt das Kooperationsprojekt CUT auf seiner Website. Doch ist der „digital twin“ wirklich ein so mächtiges Instrument, dass es die Stadtentwicklung gleichzeitig effizienter und demokratischer macht?
Zumindest auf das finanzielle Sparpotenzial gibt es deutliche Hinweise: Eine Studie von ABI Research aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, „dass Städte durch den Einsatz digitaler Zwillinge für eine effizientere Stadtplanung bis 2030 Kosteneinsparungen in Höhe von 280 Milliarden US-Dollar erzielen können.“ Geringere Planungs- und Verwaltungskosten erwarten die Autoren vor allem in Schlüsselbereichen wie Energie und Versorgung, Verkehr, Sicherheit und Infrastruktur – beispielsweise, weil der digitale Zwilling belastbare Infrastrukturkonzepte und energieeffiziente Gebäudedesigns unterstützt.
Soweit der finanzielle Aspekt. Städte, die mit dem digitalen Zwilling experimentieren, betonen jedoch häufig die Möglichkeiten, die sich für das Miteinander in der Stadt ergeben. Verena Dietl, Bürgermeisterin der Stadt München, dazu in ihrem Testimonial für den Digital Twin: „Alle […] profitieren davon – letzten Endes besonders unsere Bürgerinnen und Bürger. Ein echtes Gemeinschaftswerk, mit dem wir die Digitalisierung zum Wohl unserer Stadt gestalten. Und virtuell können wir dann gemeinsam Dinge austesten, die uns in der realen Welt weiterhelfen.“
Konkret nutzt die bayerische Landeshauptstadt die Daten des digitalen Zwillings für Was-wäre-wenn-Szenarien. Die TU München entwickelte dafür Simulatoren, die Virtual Reality (VR) aus verschiedenen Perspektiven erlebbar machen: Die Testpersonen fahren mit dem Lastenrad oder im Rollstuhl durch die virtuelle Stadt, erkennen potenzielle Gefahrensituationen und können die Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmenden besser nachvollziehen. Die Stadt wiederum lernt in der Simulation für eine Verkehrsplanung, die Mobilitäts-Eingeschränkte berücksichtigt.
Auch beim Connected-Urban-Twins-Kooperationspartner Hamburg stehen Perspektivwechsel und Partizipation ganz oben auf der Agenda: „Wenn ausreichend Daten zur Verfügung stehen, können Planerinnen und Planer mit Digitalen Zwillingen für Städte und Kommunen zum Beispiel simulieren, wie ein Stadtteil sich unter der Berücksichtigung von vielen verschiedenen Faktoren, wie der Bebauung, Bevölkerungszahlen oder Verkehr entwickelt“, heißt es bei Hamburg Digital.
Zuletzt wurde in einem Reallabor getestet, welche Wege Menschen zurücklegen, die Sorgearbeit leisten, also etwa Familienangehörige betreuen oder pflegen. Denn deren Mobilitätsanforderungen werden in der aktuellen Verkehrsplanung noch zu wenig berücksichtigt.
Hamburg nutzte für die Datenerhebung das digitale Partizipationssystem DIPAS und speziell entwickelte Touchscreen-Tische, in denen Betroffene ihre alltäglichen Wege eintragen und die Beiträge anderer kommentieren konnten.
In Leipzig profitieren zukunftsweisende Vorhaben ganz anderer Art von der Entwicklung einer Datenplattform für den digitalen Zwilling: Im Projekt SPARCS – Sustainable energy Positive & zero carbon Communities – soll ein Quartier zu einem intelligenten Energiesystem vernetzt werden und mehr erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. Das ambitionierte Planungsprojekt kann im digitalen Zwilling mit wenigen Klicks auf spannende Daten zugreifen und so beispielsweise herausfinden, wie sich Solarpanels, E-Ladestationen und Verkehrsknotenpunkte optimal verteilen lassen. So kann der digitale Zwilling zum Vorbild für die Stadt von morgen werden.