Thorsten Harig von PLAN4 stößt in den Kommunen auf eine große Bereitschaft für mehr Digitalisierung. © PLAN4
Die Bewertung von Bausubstanz und die Ermittlung von Sanierungskosten stellt Kommunen vor große Herausforderungen. Das Freiburger Start-up PLAN4 hat mit GebäudeCheck eine Software entwickelt, die diesen Prozess erleichtert. Geschäftsführer und Gründer Thorsten Harig erklärt, welche Vorteile sie bringt.
Herr Harig, Sie haben eine digitale Lösung zur intelligenten Bestandsbewertung von Gebäuden entwickelt. Was hat Sie auf diese Idee gebracht?
Unser Ansatz zielt darauf ab, den Prozess der baulichen Zustandsbewertung von Immobilien zu digitalisieren und zu automatisieren. Wir haben PLAN4 gegründet, um die niedrige Sanierungsrate in Deutschland anzugehen. Viele Bestandsimmobilien werden auch in 50 Jahren noch genutzt, doch die Sanierungsquote ist mit nur einem Prozent extrem niedrig. Der herkömmliche Bewertungsprozess erfordert, dass Fachleute wie Architekten oder Sachverständige die Immobilie manuell inspizieren und Sanierungskosten schätzen. Diesen Vorgang haben wir digitalisiert.
Wie funktioniert Ihre Lösung?
Unser Tool GebäudeCheck ist eine webbasierte Software-as-a-Service-Lösung. Sie ist ohne spezielle Hardware oder Installationen nutzbar. Man benötigt lediglich einen Link und einen Internetzugang. Die Software funktioniert interaktiv mit dem Nutzer. Mit einem Tablet wird der Nutzer angeleitet, zu bestimmten Stellen zu gehen, Fotos zu machen, Videos aufzunehmen und spezifische Daten einzutragen. Die Software ist so konzipiert, dass sie von den Kunden selbstständig genutzt wird. Es werden Checklisten abgearbeitet, sodass auch nichts vergessen werden kann.
Bieten Sie neben der reinen Software auch die Dienstleistung mit an?
Ja, wir bieten durchaus auch einen Full-Service an. Kommunen, Städte oder Gemeinden, die über ausreichend Personal im Bauamt verfügen, erwerben häufig nur die Software. In Situationen, wo Personalmangel oder sonstige Herausforderungen die Kommunen einschränkt, wird es aber immer mehr geschätzt, dass wir auch die komplette Bestandsaufnahme aller kommunalen Gebäude anbieten. Beispielsweise übernehmen wir aktuell für einen Kunden mit 200 kommunalen Gebäuden die komplette Bewertung und Dateneingabe. Großprojekte dieser Art sind kein Sonderfall, sondern werden immer mehr angefragt und durch PLAN4 abgewickelt.
Ihre Kunden kommen überwiegend aus dem öffentlichen Sektor, Warum profitiert der besonders Ihrer Lösung?
Sie profitieren, indem sie schnell und effizient eine erste Einschätzung der Sanierungs- und Instandhaltungskosten erhalten. Unsere Software verwandelt quasi jeden Bauamtsleiter in einen Ingenieur oder Sachverständigen, indem sie eine geführte Bewertung durch das Gebäude ermöglicht. Viele Kommunen haben einen großen Bestand an kommunalen Gebäuden, aber nur überschaubares Personal und die manuelle Bewertung der Gebäude ist mühsam, zeitaufwendig und kostenintensiv. Zusätzlich gibt es aktuelle Herausforderungen wie die Corona-Krise oder die Unterbringung von Flüchtlingen, die zusätzliche Anforderungen an den kommunalen Bestand stellen.
Darüber hinaus standardisiert unsere Software den Bewertungsprozess. Sie sorgt dafür, dass unabhängig vom Einsatzort – sei es in Freiburg, Dresden oder Hamburg – immer die gleiche Vorgehensweise angewendet wird. Das minimiert das Risiko, wichtige Aspekte zu übersehen. Sobald etwas in der Software dokumentiert wird, ist es festgehalten. Dies bietet eine solide Grundlage für Entscheidungen, beispielsweise bei der Priorisierung von Sanierungsprojekten.
Wie belegen Sie, dass die Berechnungen der Software akkurat sind?
In den fast sechs Jahren seit Bestehen unserer Software wurden Sanierungsaufwendungen in Höhe von über einer Milliarde Euro erfasst. Unsere Software ist täglich stark im Einsatz. Da die Nutzer eigene Maßnahmen und Kennwerte in die Software einpflegen können – natürlich anonym und völlig datenschutzkonform–, wird die Datenbasis kontinuierlich verbessert.
Bei der herkömmlichen Kostenschätzung hat man in der Regel eine Abweichung von plus oder minus 10 Prozent. Wir bewegen uns mit der Software bereits bei nur 5 Prozent. Das ist ein extrem gutes Ergebnis für eine Ersteinschätzung.
Welche weitere Entwicklung erwarten Sie für Ihr Unternehmen und die kommunale Verwaltung in Deutschland?
Für unser Unternehmen liegt der Fokus aktuell auf der Erweiterung unseres Teams, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Wir haben bereits zwei Entwickler mit umfangreichem Fachwissen in diesem Bereich und planen, im nächsten Jahr fünf bis acht neue Mitarbeiter, vorwiegend im technischen Bereich, einzustellen. Die Weiterentwicklung unserer Software in Richtung Bilderkennung und automatisierte Vorschläge basierend auf dem Baujahr und verwendeten Materialien der Immobilien ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Zukunftsstrategie.
Meine Wahrnehmung der kommunalen Verwaltung in Deutschland unterscheidet sich stark von der oft negativen Darstellung in den Medien. Ich erlebe die Kommunen nicht als hoffnungslos unterdigitalisiert oder verschlossen gegenüber neuen Technologien. Im Gegenteil, wir haben bereits über 200 zufriedene kommunale Kunden. Wir leisten einen aktiven Beitrag zur Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als täglich zu sehen, wie sich der Zustand, der so oft negativ dargestellt wird, durch unsere Arbeit verbessert.
Sie haben in letzter Zeit mehrere Preise erhalten. Was bedeutet es für Sie, solche Auszeichnungen zu bekommen?
Der Smart Country Startup Award der Bitkom war natürlich wie ein Ritterschlag. Daneben haben wir auch den Preis der Digitalpioniere der Wohnungswirtschaft und eine Auszeichnung von KPMG im Rahmen ihres Programms My Government erhalten.
Diese Auszeichnungen erleichtern die Rekrutierung von Mitarbeitern, stärken das Vertrauen unserer Kunden und stellen eine Bestätigung unserer harten Arbeit dar. Unser Weg war nicht immer einfach, und wir haben viel Herzblut in den Aufbau unseres Unternehmens gesteckt. Wenn das anerkannt wird, motiviert das, auf diesem Weg weiterzugehen.
IT-Experte Thorsten Harig und Dr. Hendrik Seibel, Architekt und Ingenieur, gründeten 2018 die PLAN4 Software GmbH in Freiburg im Breisgau. Das Start-up bietet einen digitalen Gebäude-Check und vereint dabei in seiner Software eine zentrale Datenerfassung, eine intuitive digitale und mobile Zustandsbewertung, verlässliche Angaben zu Sanierungskosten, eine Wissensdatenbank und eine nachvollziehbare Dokumentation. Durch die App-Version wird das bislang notwendige Mitführen von Papier, Klemmbrett und Digitalkamera überflüssig und die Zustandsbewertung so schneller und effektiver. Aktuell hat das Unternehmen insgesamt bereits 1 Mrd. Euro Sanierungskosten in über 3.000 Gebäuden ermittelt.
Auf der Smart Country Convention in Berlin im November 2023 gewann das Unternehmen den Smart Country Startup Award der Startup-Initiative GetStarted vom IT-Branchenverband Bitkom in der Kategorie „Smart City“. Daniel Breitinger, Leiter Startups beim Bitkom, betonte auf der Veranstaltung, dass der Award und die Smart Country Convention ein klares Signal an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen senden: „Digitale Technologien sind der Schlüssel, um die aktuellen Herausforderungen anzugehen – und wir haben in Deutschland genug Ideen und Lösungen.“