Von der Punktwolke zum Modell: So wird aus Daten eine 3D-Welt, mit der Menschen interagieren können. ©High Vision
Vom Straßennetz über sichere Fahrrad- und Gehwege bis zum Verwaltungsneubau im Zentrum: Wenn es um den öffentlichen Raum geht, müssen Kommunen vielen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden. Ein Ansatz, um breite Akzeptanz für Planungsvorhaben herzustellen, ist die Bürgerbeteiligung – und die funktioniert immer häufiger digital.
Doch wie lassen sich die verschiedenen Zielgruppen am besten erreichen? Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt DeineStadt entwickelt gerade ein partizipatives Tool, das die 3D-Umgebung des Digitalen Zwillings mit Elementen von Serious Games verknüpft. Dabei will das Konsortium um die auf Partizipation spezialisierte wer denkt was GmbH herausfinden, ob sich Jugendliche und junge Erwachsene für Planungsvorhaben durch spielerische Elemente besser begeistern lassen.
Über das Projekt und seine Ziele haben wir mit Theresa Lotichius, Geschäftsführerin der wer denkt was GmbH, gesprochen:
Das Projekt DeineStadt will virtuelle Umgebungen und Gamification nutzen, um Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Was ist die Idee dahinter?
Wir werden ein Planungsvorhaben und Varianten unseres Projektpartners München im digitalen Abbild darstellen und diese 3D-Umgebung durch den Einbau von spielerischen Elementen erfahrbar machen. Dabei geht es insbesondere darum, Wege zu finden, wie wir unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen – etwa junge Menschen – an Planungsvorhaben beteiligen.
Anders als beim Plänelesen brauche ich für die digitale 3D-Welt keine langen Erklärungen, sondern kann direkt interagieren und Erfahrungen machen. Es ist also möglich, die Umgebung spielerisch zu erkunden – und Dinge aus dem echten Leben in der 3D-Welt wiederzuentdecken.
Wie sich Menschen in der virtuellen Umgebung zurechtfinden, evaluieren wir auf zwei Arten: Wir fragen nach den Erfahrungen und wir werten die Bewegungsabläufe aus: Wenn alle an der gleichen Stelle bremsen, weiß ich, dass das eine Gefahrenstelle sein könnte. Über eine reine Befragung erfahre ich so etwas nicht.
Ist es Ihrer Wahrnehmung nach schwerer, Jugendliche und junge Erwachsene zur Partizipation zu bewegen – und welche Mechanismen bei DeineStadt könnten diese Zielgruppen ansprechen?
Bei wer denkt was haben wir bereits viele Jahre Erfahrung mit der digitalen oder crossmedialen Beteiligung von Zielgruppen. Dabei fällt auf: An Beteiligungsverfahren, ob digital oder nicht, nehmen erfahrungsgemäß eher ältere, eher gebildete Gruppen teil. Unterrepräsentiert sind dagegen junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Einschränkungen.
Gerade junge Menschen sind zwar gut über digitale Medien zu erreichen. Allerdings konkurriert unser Angebot dann mit anderen Formaten und Plattformen um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen. Für „DeineStadt“ versuchen wir daher, sowohl anzusprechen, dass die Zielgruppe von den Planungsvorhaben betroffen ist, als auch das Verfahren per Gamification spielerisch zu gestalten und damit attraktiver zu machen.
Was können die Nutzerinnen und Nutzer voraussichtlich in DeineStadt erleben?
DeineStadt wird ein 3D-Spiel mit Mobilitätselementen: Die virtuelle Welt kann also mit Fahrzeugen oder zu Fuß erkundet werden. Welche spielerischen Anteile darin vorkommen und wie das Game konzipiert ist – das wird unter anderem in Co-Creation-Workshops entschieden. Wir haben eine Gruppe aus Fachexperten aus dem Planungsbereich und jungen Erwachsenen gebildet. Dort besprechen wir, was wir tun müssen, um die Nutzerinnen und Nutzer später zu erreichen oder zur Interaktion zu motivieren. Ein erstes Treffen gibt es voraussichtlich im ersten Quartal dieses Jahres.
Im Planungsvorhaben ist die Rede davon, dass die Anwendung gut skalierbar und übertragbar sein soll, um eine spätere Adaption durch kleinere Kommunen zu ermöglichen. Warum ist das wichtig?
Wir arbeiten viel mit kleinen und mittelgroßen Kommunen zusammen. Aus dieser Erfahrung wissen wir: Digitale Zwillinge und ähnliche Projekte scheitern oft an der Erhebung der Daten. Denn die dafür notwendigen Drohnenbefliegungen sind sehr kostenintensiv. Großstädte haben also einen Vorsprung.
Gleichzeitig ist es in kleinen oder mittelgroßen Städten genauso wichtig, die Bürgerinnen und Bürger an Planungsvorhaben zu beteiligen. Sie brauchen jedoch eine finanzierbare Lösung. Für „DeineStadt“ haben wir das etwa 29.000 Einwohnerinnen und Einwohner starke Griesheim mit in das Projekt einbezogen. Sobald das Spiel steht, kann die Kommune mit einem eigenen Planungsvorhaben einsteigen – und wir evaluieren, wie gut das Tool auf die Bedürfnisse kleinerer Städte übertragbar ist.
Haben kleinere Kommunen Ihrer Erfahrung nach Bedarf, ihre Bürgerinnen und Bürger besser in Pläne und Veränderungen einzubinden?
Der Bedarf ist da: Es gibt deutschlandweit den Trend, dass sich Bürgerinnen und Bürger stärker einbringen möchten – und die Städte und Gemeinden dafür Möglichkeiten, Prozesse und Regelungen schaffen. Dieser Trend beschränkt sich nicht auf die großen Kommunen; das Interesse ist überall gleich groß.
Allerdings haben wir gesehen, dass die großen Städte gerade im digitalen Bereich oft Innovationstreiber und Vorbilder sind. Bei den kleineren Kommunen sinkt dadurch die Schwelle, ab der sie digitale Tools in Erwägung ziehen – wenn sie sich die oft teure Datenerhebung denn leisten können.
Die Aussichten sind für die kleineren Städte und Gemeinden aber nicht schlecht: Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie arbeitet derzeit an einem nationalen digitalen Zwilling, der ganz Deutschland mit einer Bodenauflösung von mindestens 30 Zentimetern abbilden will. Dann hätte jede Kommune die Möglichkeit, einen eigenen Zwilling zu erstellen.
Das BMBF-geförderte Projekt „DeineStadt“ soll interaktive, spielerische Planungsszenarien in einer 3D-Umgebung ermöglichen. Hinter dem Forschungsvorhaben steht ein Konsortium unter Leitung der Darmstädter wer denkt was GmbH, die sich mit langjähriger Expertise zu digitaler Bürgerbeteiligung einen Namen gemacht hat. Beteiligt sind auch die Technische Universität Darmstadt für den Bereich Serious Games, die Landeshauptstadt München unter Federführung des Mobilitätsreferats mit dem Kommunalreferat und dem IT-Referat mit ihrem digitalen Zwilling und die High Vision GmbH für die drohnengestützte Bilderfassung und die Aufbereitung von Geodaten für die 3D-Umgebung.
Geplant ist ein spielerischer Ansatz, um herauszufinden, inwieweit man damit Jugendliche und junge Erwachsene für Planungsvorhaben interessieren und begeistern kann.