Bürgerbeteiligung online: UPLab unterstützt Projekte in der Stadtentwicklung und -planung. © UPLab
Nichts bleibt, wie es ist: Für Straßen, Stadtviertel oder ganze Regionen entstehen bei der Stadtentwicklung oder in Planungsbüros große Zukunftsvisionen. Sie sollen den veränderten Anforderungen, aber auch den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner entsprechen. Doch wie lässt sich herausfinden, was sich Betroffene wirklich wünschen? Durch Beteiligungsformate. Sie haben schon lange einen festen Platz in Entwicklungsprojekten – mittlerweile häufig ergänzt durch digitale Methoden und Tools.
UPLabs verknüpft solche Online- und Offline-Formate, um mehr Menschen am Planungsprozess teilhaben zu lassen. Im Interview erklärt Gründer Justus Schuchardt, wie digitale Beteiligung hilft, neue Zielgruppen zu erreichen und Partizipation diverser zu gestalten.
Digitalisierung verändert auch die Art und Weise, wie Kommunen Bürger:innen an Planungsprojekten beteiligen. Welche Rolle kann Ihr Angebot dabei spielen?
Abgesehen von klassischen Bürgerbeteiligungsformaten haben wir uns auf die Erreichbarkeit von bestimmten Zielgruppen im Online-Bereich spezialisiert. Wir wollen mehr Menschen in diese Prozesse integrieren, diverse Zielgruppen ansprechen und setzen dabei stark auf Geotargeting und Social Media. Der Grund ist, dass es bislang oft eine Disbalance bei der Ansprache gibt: Die Planerinnen und Planer machen Aushänge auf dem Marktplatz, sind aber im digitalen Bereich kaum anzutreffen. Genau dort sind die Leute heutzutage aber unterwegs! Mit unseren Online-Formaten bringen wir die Beteiligung zu den Bürgerinnen und Bürgern.
Mit wem arbeiten Sie zusammen? Was sind dabei typische Projekte?
Unser Angebot richtet sich an Kommunen, Städte, Stadtplanungsbüros, Immobilien- und Projektentwicklerinnen, für die wir unter anderem Online-Befragungen durchführen und Projekt-Websites betreuen oder analoge Workshops und Ausstellungen organisieren. Mit dem forschungsorientierten Wuppertal Institut haben wir die App „Lebenswerte Straße“ entwickelt. Zu unserem Portfolio gehören aber auch Umfragen im Rheinischen Revier zum Thema Strukturwandel.
All diesen Projekten ist gemeinsam, dass sie davon profitieren, die Meinungen und Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen zu verstehen. Wir entwickeln dann maßgeschneiderte Konzepte, die zur Projektphase passen und oft digitale und analogen Formate kombinieren.
Wann und wo ist es sinnvoll, Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen?
Alles, was einen starken lokalen Bezug hat, interessiert die Menschen – allerdings leider oft noch nicht in frühen Planungsphasen. Die Stadtplanung kennt dieses Beteiligungsparadoxon gut: Wenn ein Projekt noch ganz am Anfang steht, könnten Bürgerinnen und Bürger die Planung noch gut beeinflussen. Doch nur wenige nehmen an den klassischen Beteiligungsformaten teil, um über die teils noch sehr abstrakten Pläne zu diskutieren. Umgekehrt ist der Frust groß, wenn Wünsche in einer späteren Phase nicht mehr so gut berücksichtigt werden können.
Wir sagen deswegen: Beteiligt so früh wie möglich und sprecht die Menschen an, wo sie sich aufhalten – unter anderem in Social Media. Unterschiedliche Meinungen lassen sich so besser moderieren und Wünsche integrieren. Wenn wir am Anfang nicht nachfragen, stehen die Leute hinterher mit ihrer Kritik auf der Baustelle!
Sie arbeiten bei Ihren Online-Beteiligungsformaten stark nutzerorientiert: Warum ist das wichtig?
Unsere Zielgruppen selektieren wir unter anderem mittels Geotargeting, so dass wir tatsächlich nur Betroffene ansprechen, aber trotzdem eine hohe Reichweite haben. Außerdem steht UX-Design bei uns im Vordergrund, um keine unnötigen Hürden zu errichten. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass sich die Nutzerinnen und Nutzer kompliziert anmelden, sondern stellen über IP-Adressen sicher, dass jede und jeder nur einmal an der Umfrage teilnimmt.
Dass ein Angebot niedrigschwellig ist und eine überschaubare Geschichte erzählt, entscheidet letztlich über den Erfolg. Man kommt rein, erfährt etwas über das Projekt, beantwortet ein paar Fragen und verlässt die Umfrage wieder. Damit ist das Format abgeschlossen. Darüber hinaus gibt es meist Möglichkeiten, sich im analogen Bereich zu beteiligen. Durch unsere hohe digitale Reichweite können wir auf analoge Veranstaltungen aufmerksam machen. Damit gestalten wir den gesamten Beteiligungsprozess und können neue Zielgruppen integrieren.
Viele Ihrer Projekte beziehen sich auf die Planung von Arealen in Großstädten. Ist Ihr Angebot auch für den ländlichen und suburbanen Raum interessant?
Ich glaube, dass es im ländlichen Raum ein großes Anliegen ist, jüngere Zielgruppen in Planungsprozessen zu erreichen und zu motivieren. Social Media bietet dafür bessere Chancen als eine Infoveranstaltung im Rathaus. UPLabs setzt genau an diesem Punkt an: Wir haben ein Thema, das die Region betrifft. Mit unseren Online-Tools treffen wir Menschen dort, wo sie sich aufhalten. Und wir erhalten damit ein wesentlich umfassenderes Stimmungsbild als mit klassischen Methoden.
Das funktioniert auch auf dem Land bestens: Bei der Entwicklung der Region rund um den Tagebau Erkelenz haben wir zum Beispiel drei verschiedene Entwürfe für die Region vereinfacht und online vorgestellt. Die Nutzerinnen und Nutzer mussten sich dann gar nicht bis ins Detail mit den Plänen beschäftigen, sondern konnten sich auf ihre Wünsche und Ideen konzentrieren. Letztlich haben wir auf diese Weise eine valide Datengrundlage erhalten. Und das Planungsteam konnte aus drei Vorschlägen einen machen, über den in analogen Beteiligungsformaten noch einmal diskutiert wird.
Ihre Prognose: Wie wird sich die Bürgerbeteiligung in Deutschlands Kommunen in den kommenden Jahren entwickeln?
Die Digitalisierung der Formate hat sich durch Corona bereits wesentlich beschleunigt. Viele Kommunen wollen jetzt eigene Plattformen entwickeln, also eigene digitale Orte für die Bürgerbeteiligung haben. Dort fehlt allerdings noch häufig die UX-Komponente, das heißt: Die Tools sind nicht ansprechend oder niedrigschwellig genug.
Ich glaube, digitale Möglichkeiten werden als Ergänzung zu analogen Formaten noch weiter zunehmen. Denn Online-Beteiligung ist vor allem dann gut geeignet, wenn sie an einzelnen Punkten im Prozess eingesetzt werden kann und gut mit analogen Möglichkeiten verzahnt wird. Eine kontinuierliche Beteiligung an einem langjährigen Projekt sehe ich eher nicht, weil das schnell überfordert. Meine Empfehlung wäre, die Öffentlichkeit lieber dort zu beteiligen, wo die Ergebnisse auch umgesetzt werden können. Das schafft Relevanz.
Das UPLab ist ein Büro für innovative Meinungsforschung und Beteiligung in der Stadt- und Projektentwicklung.
Ziel ist es, relevante Interessensgruppen einzubeziehen, datenbasierte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen und so die bedarfsgerechte Planung zu fördern. Dazu nutzt das Unternehmen digitale und analoge Formate – häufig auch in Kombination – Geotargeting, Social-Media-Werbung und KI-Modelle für die Datenauswertung.
Seit der Gründung 2018 hat UPLab in 30 bis 40 Projekten über 30.000 Menschen beteiligt.
https://www.uplab.space/