Roundtable-Diskussion zum Bürokratieabbau - Digitales Bürgernetz

Verwaltungsdigitalisierung: Wie Bürokratieabbau und digitale Infrastruktur Kommunen stärken können

#Glasfaser 10. Oktober 2024

Deutsche Glasfaser und das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen laden zum zweiten Mal zur Roundtable-Diskussion im Rahmen der Smart Country Convention ein. © Deutsche Glasfaser

Wir starten mit einer guten Nachricht: In unserem Land steckt enormes Zukunftspotenzial. Doch zuweilen lähmt die Bürokratie den wirtschaftlichen Fortschritt, sie führt häufig zu zusätzlichen Kosten für Unternehmen, da sie Zeit und Ressourcen in die Erfüllung von Vorschriften und die Einreichung von Anträgen investieren müssen, sie hemmt Innovationen aufgrund von regulatorischen Hürden, sie bindet viel Personal in den Kommunen und führt dazu, dass öffentliche Mittel nicht optimal eingesetzt werden. Das Problem ist allerorten erkannt, der politische Wille zur Veränderung ist ebenfalls vorhanden. Doch wie gelingt der Abbau?

Ein wichtiger Baustein ist die Verwaltungsdigitalisierung. Viele Schritte können so automatisiert, abgekürzt, vereinfacht werden. Voraussetzung dafür sind der Zugang zu schnellem Internet und digitale Lösungen, welche zu Effizienzsteigerungen und Vereinfachungen administrativer Prozesse beitragen.

Doch auch der Glasfaserausbau, der diesen wichtigen Zugang ermöglicht kämpft ebenfalls mit den bürokratischen Hürden. Damit der flächendeckende Glasfaserausbaus bis 2030 gelingt, müssen Prozesse in der Verwaltung vereinfacht, digitalisiert und damit beschleunigt werden. Die bürokratischen Hürden beim Infrastrukturausbau und bei der Digitalisierung sind enorm: Um eine Kommune mit Glasfaser zu versorgen, müssen dutzende Anträge gestellt werden, die Dokumentationen der Absprachen mit den bis zu 20 Behörden erfolgen zumeist auf Papier. In Summe bedeutet das: einem bundesweit ausbauenden Unternehmen wie Deutsche Glasfaser stehen 12.000 verschiedenen Behörden auf kommunaler und Länderebene gegenüber. Und von diesen besteht ein großer Teil auf eigenen Formularen und Vorschriften. Die Komplexität im Netzausbau ist hoch. Davon sind nicht Ausbauunternehmen betroffen, auch Kommunen sind mit der Maßnahme oft überlastet.

Das Beschleunigungsgesetz zum Glasfaserausbau (TK-NABEG) soll Abhilfe schaffen, verfehlt aber sein Ziel. Im Jahr 2015 wurden die ersten Bürokratieentlastungsgesetze verabschiedet. Diese sollen nicht nur für eine Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen sorgen, sondern auch den Verwaltungsaufwand von Behörden verringern. Die Wahrnehmung von Bürgermeistern, die die Verwaltung einer Stadt oder Gemeinde leiten, ist jedoch eine andere.

Der Abbau von bürokratischen Hürden ist entscheidend, um eine funktionierende Verwaltung als Rückgrat der Demokratie zu sichern und ein dynamisches, innovatives und wettbewerbsfähiges wirtschaftliches Umfeld zu schaffen.

Konstruktiver Austausch auf Augenhöhe: So sah es beim Roundtable der SCCON 2024 aus. © Deutsche Glasfaser / Nancy Jesse

Den Dialog stärken – Lösungen schaffen

Daher haben das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen und Deutsche Glasfaser eine Veranstaltung ins Leben gerufen, um im sektorübergreifenden Kreis von Entscheider*innen über bestehende Hemmnisse und gute Beispiele der Entbürokratisierung zu diskutieren. Was kommt bei Unternehmen und Kommunen an? Was funktioniert gut? Welche Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen sehen diese? Namhafte Sprecher*innen legen in kurzen Impulsvorträgen ihre Perspektiven dar und formulieren die inhaltlichen Leitplanken der weiteren Diskussion. Im Anschluss wird das Gespräch um die weiteren Gäste der Veranstaltung erweitert, sodass alle teilhaben und ihre Sichtweisen einbringen können.

Wir freuen uns gemeinsam mit dem Netzwerk der jungen Bürgermeister*innen auf einen wichtigen Austausch. Moderiert wird dieser von Johannes Winkelhage, Editor Verticals von der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Impulse setzen werden:

  • Johann Saathoff, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat
  • Wiebke Şahin-Conolly, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen e.V.; Bürgermeisterin der Stadt Zossen
  • Andreas Pfisterer, CEO Deutsche Glasfaser
  • Ann Cathrin Riedel, Geschäftsführerin NExT e.V
  • Marc Groß, Vertreter des Vorstands & Programmbereichsleiter KGSt

 

Nach den Impulsvorträgern der Speaker:innen wird es in einem Roundtabelformat für jede/n Teilnehmer:in möglich sein, in die Diskussion miteinzusteigen.

Die Plätze am runden Tisch sind inzwischen ausgebucht. Wenn Sie auf die Warteliste aufgenommen werden möchten, schreiben Sie uns bitte an digitales-buergernetz@deutsche-glasfaser.de eine Nachricht. Den Verlauf der Diskussion werden wir zudem im Anschluss an das Event zusammenfassen. Live Einblicke zur Veranstaltung finden Sie auf dem Instagram Kanal des Digitalen Bürgernetz.

Bitte beachten Sie, dass Sie für den Zugang zum hub27 ein gültiges Ticket für die Smart Country Convention benötigen. Dieses können Sie kostenfrei hier bestellen.

Zusammenfassung: So war der Roundtable

Der Andrang vor der Tür im hub27 zeigte: Das Thema Bürokratisierung und wie man sie abbauen kann, trifft einen Nerv. Über 60 Teilnehmenden fanden sich am Eröffnungstag der Smart Country Convention zur Diskussion am runden Tisch ein.

Moderator Johann Winkelhage, Redakteur der F.A.Z., erklärte eingangs sein Ziel für das Event: er wünschte sich, dass die Teilnehmenden „hier rausgehen und sagen, das habe ich so noch nie gehört, das nehme ich mit, das versuche ich auch umzusetzen.“ Es ginge nicht darum, Probleme zu diskutieren, sondern Lösungen zu präsentieren, die man mitnehmen könne, um Dinge zum Wohle der Kommunen und der Gesellschaft in Bewegung zu setzen. „Bringen Sie Lösungen ein!“, ermutigte er die Teilnehmenden.

Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministerium des Innern und für Heimat Johann Saathoff, MdB skizzierte in seinem Impuls den Mindchange, den sein Ministerium in den letzten 3 Jahren vollzogen habe. Inzwischen sehe man sich als Kommunalministerium und fokussiere sich auf eine engere Zusammenarbeit. Dazu habe man neue Zusammenarbeitsformate gegründet. Die bürokratischen Vorgänge zu verschlanken und die Kommunen somit zu entlasten nannte er eine „Daueraufgabe“ und zeigte sich aber auch zuversichtlich: wie seien besser, als wir glauben würden. Es hake oft an der Kommunikation und dem Rollout der neuen Prozesse und wies immer wieder auf das neue Onlinezugangsgesetz (OZG) hin. Er schloss seinen Vortrag mit einer Einladung an die kommunalen Vertreter*innen: „Kontaktiert uns direkt, wenn ihr denkt, wir regieren an Euch vorbei.“

Ann Catrin Riedel, Geschäftsführerin von NExT e.V., bemängelte in ihrem Impuls vor allem die eingeschleiften Prozesse und Systeme. „Transformative politische Projekte können nicht mehr umgesetzt werden, weil die Systeme nicht mehr funktionieren.“ Menschen, die dringend Unterstützung von Ämtern brauchen, aber monatelang warten müssten, würden den Glauben an die Demokratie verlieren. Sie appellierte daher daran „die alte Bonner Demokratiedenke“ abzulegen: Bereits in Konzeptionsphasen müssen fehlende Stellen mitgedacht werden. Es gebe in Deutschland viele extrem motivierte Leute. „Wir können das alles, wir haben alles, was wir brauchen, und wir dürfen uns nicht von alten Systemdenke abhalten lassen.“

Andreas Pfisterer brachte als CEO von Deutsche Glasfaser die Sichtweise des Unternehmens ein und beleuchtete die Kosten, die Bürokratie in Deutschland verursacht. Diese seien gigantisch und sei in den letzten Jahren zusätzlich immer weiter gestiegen. Auch im Bezug auf die Glasfaserausbau gemünzt, sei die Belastung einfach enorm. Im Glasfaserausbau habe man mit zig involvierten Behörden zu tun. „Spätestens an einer Bahnquerung kommen sie an ihre Grenzen.“ Daher brachte er konkrete Lösungsvorschläge mit: Eine Reduzierung der Genehmigungen auf das notwendige Mindestmaß und Umsetzung der Genehmigungsfiktion. Zudem schlug er einen Ein „One-Stop-Shop“ – d.h.: Eine Stelle pro Bundesland, bei der alle notwendigen Genehmigungen eingeholt werden können – von Straßenbaulastträgern über Natur-, Gewässer- bis zum Denkmalschutz. Ebenfalls wichtig wäre konsequente Vereinheitlichung und Digitalisierung der Genehmigungsprozesse, d.h. bundesweit derselbe Prozess und möglichst auf Basis einer IT-Plattform. Und für den Glasfaserausbau und damit die Digitalisierung konkret braucht es ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, das den Ausbau von Glasfaser als überragendes öffentliches Interesse definiert.

Bürgermeisterin und Vertreterin des Netzwerks Junger Bürgermeister*innen Wiebke Şahin-Connolly fand direkt zu Beginn klare Worte: „Es gibt keinen einzigen Bürgermeister, der kein Digitalfan ist.“ Aber in der Realität ginge es in den Kommunen häufig einfach um Prioritäten. Durch fehlende Finanzierung müssten digitale Lösungen häufig wieder gestrichen werden. „Das Thema Digitalisierung sprengt die Finanzierung jedes Rathauses.“ Um das zu ändern, schlug sie vor, den Umgang mit der Schuldenbremse neu zu betrachten, um eine andere Finanzierungsgrundlage zu schaffen. Zudem stellte sie den Dokumentierungsprozess in Frage, der viele Kapazitäten binde. Der Einsatz von KI müsse geprüft werden – gerade auch vor dem Hintergrund des angesprochenen Fachkräftemangels. Sie warnte davor, was passiert, wenn man keine einheitlichen Lebensverhältnisse schaffe: die Menschen verlören das Vertrauen in die Demokratie, das sähe man bereits im Osten.

Marc Groß, Vertreter des Vorstands & Programmbereichsleiter bei der KGSt, ging in seinem Impuls vor allem auf die Veränderungen von Prozessen ein: Man müsse stärker an die Prozesse ran, „auch liebgewonnene Prozesse müssen dann vielleicht weichen.“ Die Kommunen sollten prüfen, wo stärker mit Pauschalisierungen gearbeitet werden kann und nannte als Beispiel Finanzämter. Hier gäbe es immer häufiger keine 1:1-Prüfung mehr, sondern lediglich Stichproben. Diese Arbeitsweise liege aber nicht unbedingt in der DNA von Behörden, man müsse hier neu denken lernen. Zudem betrachtete er das Zusammenspiel von Kommune, Land und Bund: Bestimmte Vorgänge müssten von Bund und Ländern vorgegeben und von den Kommunen nur noch genutzt werden. So auch die Grundlage für eine digitale Verwaltung, die den Kommunen gestellt werden müsse.

Wir sagen vielen Dank an alle Teilnehmenden für die konstruktive und spannende Diskussion. Wir nehmen mit, der Wille zur Digitalisierung und zur Entbürokratisierung ist auf allen Seiten gegeben. Jetzt geht es darum, Fragen von der Finanzierung über die Umsetzung bis hin zur Bekanntmachung guter Konzepte zu klären. Der Roll-out muss besser werden.

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