Hannes Trettin (links) ist von Haus aus Ingenieur. Neben Project Bay hat er auch Founders Bay gegründet, ein Programm, das Startups vor allem in der Anfangsphase unterstützt. © Project Bay
Hannes, erzähl mal: Wie kam es zur Gründung von Project Bay?
Mein Kollege Toni und ich haben 2019 in Berlin eine IT-Firma gegründet und darüber nachgedacht, ein Büro auf Rügen zu eröffnen. Wir waren es gewohnt, remote zu arbeiten und haben hier viele Chancen gesehen. So ist auf Rügen der erste Coworking-Space Deutschlands am Meer mit dem Fokus Workation entstanden.
Was bedeutet Workation?
Es ist die Kombination aus Arbeiten und Urlaub. Wir haben den Strand vor der Tür und bieten viele Wassersport-Möglichkeiten an, man kann hier im Garten arbeiten und auch der Wald ist direkt um die Ecke.
Warum dieser Standort?
Als ich hier aufgewachsen bin, war Tourismus zwar wichtig, aber noch kein so großes Thema. Deshalb stand die Region jedoch wirtschaftlich schlecht da. Mittlerweile ist Rügen ein Ort für Massentourismus geworden. Das wollen wir ändern. Wir sind der Meinung, dass es mehr in einer Region geben muss als Tourismus und Gastronomie. Wir wollen Menschen hier die Chance bieten, die Natur zu genießen – aber eben in Verbindung mit innovativen Jobs.
Abgesehen von der schönen Natur: Welche Vorteile bietet Rügen noch?
Die Insel hat einen großen Hafen mit Fährverbindungen nach Dänemark, Schweden und durch die neue Seidenstraße jetzt sogar bis nach China. Das hat großes Potenzial. Mit der Bahn sind wir gut an Berlin und Hamburg angebunden. Um in andere Städte zu kommen, muss man nur einmal umsteigen.
Als ihr auf Rügen angefangen habt: Wie waren die Voraussetzungen?
Wir hatten das Glück, dass wir ein Gebäude gefunden haben, in dem bereits ein Call Center saß. Seit 2007 liegt hier eine Glasfaserleitung, mittlerweile wurde eine zweite verlegt. Wir haben mit dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung und anderen Politikern vor Ort darüber gesprochen, dass wir ein Leuchtturmprojekt schaffen wollen. Seien wir ehrlich: Der ländliche Raum wird nicht so schnell erschlossen, wie man sich das wünscht. So haben wir für Project Bay viel Unterstützung und Förderung bekommen.
Was dann?
Wir haben mit Begriffen wir „Workation“ und „Coworking“ um uns geworfen und mussten viel Zeit damit verbringen, die Leute vor Ort abzuholen. Als Einheimische stießen wir zum Glück auf offene Ohren. So haben wir es geschafft, das Projekt gemeinschaftlich anzugehen: mit der Gemeinde, der Insel, dem Landkreis und dem ganzen Bundesland. Seit einem Jahr haben wir zum Beispiel eine Digitalisierungsbeauftragte, die von uns und dem Land gemeinsam finanziert wird. Denn die Landesregierung sieht, dass wir in Schulen gehen, uns mit Handwerksbetrieben zusammensetzen und versuchen, alle in der Region einzubinden.
„Wir wollen Menschen auf Rügen die Chance bieten, die Natur zu genießen – aber eben in Verbindung mit innovativen Jobs.“
Hannes Trettin
Wer ist dieses „wir“ – wer arbeitet bei euch?
Wir sind ein Netzwerk aus regionalen und überregionalen Kräften. Beide profitieren: Die lokalen Mitstreiter lernen über uns neue Kunden kennen. Die Unternehmen aus der Großstadt finden es spannend, hier zu arbeiten, weil bei uns hier oben Programmierstunden günstiger sind als in Berlin oder Hamburg. Gleichzeitig sitzen die IHK und die Handwerkskammer bei uns – das ist wieder wichtig für den Kontakt zu den lokalen Akteuren. Mit dabei sind auch zwei, drei Startups von hier. Die brauchen eine Spielwiese. Eigentlich ist Project Bay also eine Spielwiese für Erwachsene.
Macht es einen Unterschied, dass ihr in Ostdeutschland seid?
Für den Anfang war es vor allem wichtig, in einer Region verortet zu sein, die jeder kennt. Wenn du jemandem in Süddeutschland von Rügen erzählst, ist der Workation-Ansatz leichter zu vermitteln.
Was plant ihr für die Zukunft?
Hier sollen eine Programmierschule und ein MakerSpace entstehen. Wir bauen von 3D-Druckern bis hin zu CNC-Fräsen und Lasercuttern alles an innovativen Handwerks- und Maschinenparts auf, damit das lokale Handwerk und die lokale Landwirtschaft sich digitalisieren und neue Technologien entwickeln können. Bei Stichworten wie „remote arbeiten“ oder „digitales Arbeiten“ denken alle, dass ein Laptop reicht. Das stimmt aber bei Handwerkern und Ingenieurinnen nicht.
Was ist die schönste Erfahrung, die du mit Project Bay gemacht hast?
Alle Coworking-Spaces wollen eine Community schaffen. Bei uns gelingt das leichter als in der Stadt, denn hier sind die Menschen durch die Übernachtung von morgens bis abends zusammen und unternehmen auch mal was. So sind schon ein paar Gründungsideen entstanden, auch ich bringe mich ein. Gemeinsam arbeiten wir an Ideen, wie wir die Region und die Insel wieder grüner und nachhaltiger gestalten können.
Project Bay bietet 50 Arbeitsplätze und 36 Schlafplätze in Einzel-, Doppel-, Familien- und Hostelzimmern, dazu Platz für Camper. Der Ort versteht sich allerdings nicht als touristisch.
Weitere Informationen und die Möglichkeit, einen Arbeits- und Schlafplatz zu buchen, gibt es auf der Website von Project Bay.