Digitale Hebammenberatung in Schwangerschaft und Wochenbett - Digitales Bürgernetz

Hebamme digital: Online-Beratung im Wochenbett

#Gesundheit 13. Dezember 2021

Services wie „Call A Midwife“ helfen Frauen in den aufregenden ersten Wochen mit ihrem Baby. Digital und trotzdem persönlich. © Unsplash/Omar Lopez

Babys kommen leider ohne Gebrauchsanleitung auf die Welt. Gut, dass es Spezialistinnen gibt, die ganz genau wissen, was zu tun ist: Hebammen, die Frauen und ihre Familien in der Schwangerschaft und in den ersten Lebenswochen eines Kindes begleiten. Doch in Deutschland gibt es zu wenige von ihnen. Auf dem Portal „Unsere Hebammen“ des Deutschen Hebammenverbands können Frauen eintragen, wenn sie bei der Suche nach Betreuung im Wochenbett, in der Schwangerschaft oder während der Geburt nicht fündig wurden. 40.800 Einträge kamen dort Ende November 2021 zusammen, allein 30.300 Frauen meldeten, dass sie keine Hebamme für die Wochenbettbetreuung finden konnten. Digitale Angebote können dazu beitragen, dass Frauen sich in der besonderen Situation nicht allein gelassen fühlen – und auch auf dem Land, wo die Anfahrtswege oft weit sind, immer eine Ansprechpartnerin an ihrer Seite haben.

„Ich bin zwar nicht persönlich bei der Familie zu Hause. Trotzdem schaffen wir es, eine Bindung aufzubauen.“

Ein gutes Netzwerk

Die Berliner Hebamme Sabine Kroh hat das Online-Angebot „Call A Midwife” 2017 gegründet. Auf die Idee haben sie die Frauen in Berlin gebracht, die sie betreut: „Hier gibt es viele internationale Paare. Frauen aus anderen Ländern sind häufig überrascht, dass sie in Deutschland ein Recht auf Hebammenbetreuung haben und dass die Leistungen von der Krankenkasse bezahlt werden.“ So wurde Kroh häufig gefragt, ob sie nicht mal mit einer Freundin in Finnland oder Pakistan telefonieren und ihr helfen könne. Das hätte digital gut geklappt, berichtet Kroh, „Dann habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es so einen Service nicht gibt, vor allem nicht in der Mehrsprachigkeit.“ Kroh hat dann ein paar Kolleginnen an Bord geholt. Mittlerweile sind 51 Hebammen dabei, daran schließt sich ein Netzwerk aus Frauen- und Kinderärztinnen, Psychologen und Stillberaterinnen an, das den Hebammen beratend zur Seite steht. Mittlerweile begleitet Kroh häufig auch Schwangere und Mütter aus Deutschland. Der Hebammenmangel spielt dabei eine immer größere Rolle: „Mich betrifft das Thema auch. Wenn ich verreisen will, finde ich gar keine Vertretung“, so Kroh, „Die Versorgung ist in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich, Frauen melden sich aus großen Ballungsgebieten ebenso wie aus dem ländlichen Bereich.“ Sind diese gesetzlich versichert, können die Leistungen genau wie die persönliche Betreuung mit der Krankenkasse abgerechnet werden. 

Porträt von Hebamme Sabine Kroh
Sabine Kroh arbeitet seit 33 Jahren als Hebamme. 2017 gründete sie das Online-Beratungsportal „Call A Midwife“, das Frauen Beratung anbietet, weltweit und mehrsprachig. © Call A Midwife

Bindung über den Bildschirm aufbauen

Selbstverständlich begleitet „Call A Midwife“ die Frauen nicht während der Geburt. Meist geht es um Hilfe im Wochenbett – also in den sensiblen Tagen und Wochen direkt nach der Entbindung. Hier stehen ebenfalls Untersuchungen an, die den persönlichen Kontakt notwendig erscheinen lassen. Doch dafür gibt es oft einfache Lösungen: „In Deutschland können sich Frauen zum Beispiel eine Waage aus der Apotheke leihen und wir wiegen das Kind zusammen,“ erzählt Sabine Kroh. „Bestimmte haptische Sachen gehen aber nicht. Einen Milchstau in der Brust kann ich nicht selbst abtasten. Doch ich kann einer Frau gut erklären, wie sie sich abtastet.“ Wenn sie digital nicht weiterhelfen kann, schickt sie die Frauen doch zu einem Arzt oder einer Ärztin. „Ich bin zwar nicht persönlich bei der Familie zu Hause. Trotzdem schaffen wir es, eine Bindung aufzubauen“, so Kroh. „Man sieht sich ja, wenn auch über einen Bildschirm.“ Und die Familien haben eine feste Ansprechpartnerin: Auf dem Portal können sie sich eine Hebamme aussuchen, die sie dann die ganze Zeit begleitet. Dazu bietet der Service die Mitgliedschaft in einer Messenger-Gruppe an, in der sich die Mütter austauschen können. Auch die Hebammen sind so untereinander vernetzt.

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Altes Wissen bewahren

Anfangs wurde Sabine Kroh von Kolleginnen oft noch skeptisch beobachtet, berichtet sie. Viele glaubten nicht, dass eine Online-Beratung möglich sei. Das hat sich geändert – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Mittlerweile ist die digitale Betreuung üblicher geworden. Viele Hebammenpraxen bieten Rückbildungskurse per Videokonferenz an und sind mit den Müttern und Familien digital in Kontakt. Das ist nicht nur praktisch für die Frauen. Auch für die Hebammen selbst sei dies eine gute Möglichkeit, Ressourcen zu schonen. So fällt zum Beispiel der Anfahrtsweg weg – gerade in ländlichen Regionen nimmt dieser oft viel Zeit in Anspruch. Es gibt aber noch andere Vorteile: „Ältere Kolleginnen, denen Hausbesuche schwerfallen, weil es körperlich nicht mehr geht, können noch digital beraten. Ihr Wissen ginge sonst verloren.“

Zur Bundestagswahl 2021 hat der Deutsche Hebammenverband Informationen zur Hebammenversorgung in Deutschland zusammengestellt.


Weitere Informationen zu „Call A Midwife“ gibt es auf dem Online-Portal.

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