Das Miteinander macht den Unterschied: Blick in den Coworking-Space Kinzig Valley. © Kinzig Valley
Herr Weidmann, der Name „Kinzig Valley“ weckt Assoziationen. Sicher kein Zufall, oder?
Erstmal steckt da natürlich das schöne Kinzigtal drin, unsere hessische Heimatregion zwischen Frankfurt am Main und Fulda. Die Assoziation „Silicon Valley“ passt aber auch – insofern, als dass wir dabei sind, von hier aus eine große, deutschlandweite Plattform aufzubauen. Nicht im B2C-Bereich wie Amazon oder Facebook. Sondern im B2B-Sektor.
Das klingt spannend, darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Zuerst aber nochmal zurück zum Anfang. Wie ging es los mit dem Kinzig Valley?
Mit der Idee, einen Coworking-Space zu gründen, der persönlicher und herzlicher ist als anonyme große Ketten in den Citys, wo Netzwerken und das Miteinander oft zu kurz kommen. 2018 haben wir in Gelnhausen eröffnet, mit 34 Plätzen auf 245 Quadratmetern, und standen vor der Frage: Wie kriegen wir jetzt hier Leute rein?
Da fragen sich andere sicher auch. Wie sind Sie vorgegangen?
Sozusagen mit einem Lockvogel bzw. Aushängeschild. Ich habe das Glück, mit Simon Schmidt gut befreundet zu sein, der im Nachbarort wohnt und in Hessen als erfolgreicher Gründer und Preisträger recht bekannt ist. Der war einer der ersten Mieter hier – und das hat dann weitere Interessierte angezogen, sodass die Sache ins Rollen kam.
„Netzwerkeffekte sind die Triebfeder der Menschen, die hierherkommen.“
Bernd Weidmann
Auf welchen finanziellen Beinen steht das Ganze?
Im Grunde hat meine Internetagentur WIV GmbH das Projekt komplett allein gestemmt. Zwei Jahre später, im Rahmen der Gründung der GmbH, beteiligte sich dann der lokale Zeitungsverlag Druck-und Pressehaus Naumann und unterstützt mit Reichweite und Kapital. Einen einmaligen Zuschuss bekamen wir noch vom Landkreis für das schnelle Glasfaserkabel.
War das schnelle Netz auch ein Trigger für Neuzugänge?
Für manche schon. Es gibt hier ein paar „digital Getriebene“, die größere Datenmengen hin- und herschieben. Die finden das richtig gut. Bei anderen wiederum fällt es weniger ins Gewicht, wenn man zum Beispiel nur ein bisschen herumsurft
Was macht Kinzig Valley einzigartig?
Erstens: Wir sind ein tolles, menschliches Netzwerk. Man kommt aus derselben Ecke, kennt sich und schätzt sich. Es geht ländlich und gemütlich zu. Eine kleine Brauerei hat uns einen Zapfhahn installiert, und es wird öfter mal gefeiert und Musik aufgelegt. Dazu organisieren wir Vorträge und können einfach super zusammen arbeiten. Die Chemie stimmt und es macht mir Spaß zu sehen, wie hier Projekte entstehen. Zweitens: Wir sind inzwischen zu einer Art Marke geworden. Kinzig Valley sagt den Menschen etwas, nach dem Motto: ‚Das sind doch die, von denen immer interessante Ideen kommen, die sich mit Gründungen auskennen und alle möglichen Events machen. Da musst du hin, wenn du eine neue Geschäftsidee etablieren willst. Weil du da Leute findest, die dich an die Hand nehmen und mit dir den nächsten Schritt gehen.‘ Netzwerkeffekte sind also die Triebfeder der Menschen, die hierherkommen.
Wie wird man als Coworking-Space zu einer Marke?
Indem man in alle Richtungen offen, neugierig und produktiv ist. Es ist meine feste Überzeugung, dass ein Coworking-Space, der sich nur als Vermietungsgeschäft von Platz und Raum sieht, auf Dauer nicht funktioniert. Man muss seine Fühler ausstrecken und über den Tellerrand schauen und denken.
Da wären wir wieder beim Plattformgeschäft.
Genau. Unter dem Namen „Plattform.Macher“ haben wir ein deutschlandweites B2B-Netzwerk ins Leben gerufen, das Talente, Industrie und Wissenschaft zusammenbringt, um neue Projekte auf die Beine zu stellen. Das lief so gut, dass wir hier im Kinzigtal in Gründau ein spannendes Event organisieren konnten: die „Plattform.Macher-Tage“. Es hat viele Gäste aus ganz Deutschland angelockt und wir konnten mit den Tickets zusätzliche Umsätze generieren. Das ist es, was ich meine: Wenn man an der Ideenquelle sitzt, sollte man auch etwas daraus machen und nicht nur Schreibtische vermieten.
Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht bisher?
Die Veranstaltungen. Wir hatten zum Beispiel ein Event durchgeführt zur Eröffnung, das heißt „Auf die Schnauze“. Da geht es nicht etwa um wilde Gelage, sondern darum, dass gestandene Unternehmer*innen von ihren größten beruflichen Fehlern und Misserfolgen erzählen, Sachen, die richtig in die Hose gegangen sind. Der Effekt auf die jungen Menschen, die über eine Gründung nachdenken, ist ganz enorm. Es nimmt ihnen die Angst, Fehler zu machen.
Und waren Sie auch schon mal im tiefen Tal?
Ja, die Folgen der Pandemie waren hart. Es wurden immer weniger Leute, bis ich plötzlich allein dasaß. Jetzt hat es sich zum Glück allmählich wieder gefüllt. Aber in dem Moment habe ich mir auch geschworen, Kinzig Valley geschäftlich breiter aufzustellen. Und ich habe erkannt, dass man als Coworking-Space-Betreiber in den Anfangsjahren keine Personalkosten haben darf. Denn das Geld muss ja irgendwo herkommen, und zwar jeden Monat.
Wo möchten Sie noch hin mit ihrem Geschäftsmodell?
Es gibt bereits zehn Kilometer weiter das Kinzig Valley 2. Das ist so eine Art Franchise mit anderen Stärken im Vergleich zum Original – in dem Fall wesentlich mehr Lagerfläche. Von mir kommt der Name und die Grundidee mit Einrichtungskonzept und so weiter. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Zukunft noch mehr solcher Ableger gibt, die jeweils ihr eigenes Thema haben. Außerdem wollen wir die Kinzig Valley Ventures GmbH ausbauen, die – ähnlich wie bei „Die Höhle der Löwen“ – innovative Ideen finanziert.
Können Sie uns noch drei Tipps geben, die helfen, so ein „Valley“ zu betreiben?
Du musst ein echter Netzwerker und Menschenfreund sein, Chancen erkennen und einfach machen. Im besten Fall kommst du ohne Personalkosten aus und entwickelst Geschäftsmodelle, die nicht ausschließlich mit der Vermietung von Platz und Raum zu tun haben.
Über Kinzig Valley
Die KINZIG.VALLEY GmbH hat derzeit zwei Standorte im Kinzigtal nahe Frankfurt/Main. Sie versteht sich nicht nur als Coworking-Space, sondern auch als Plattformbetreiber, Think Tank und Talentschmiede mit besten Kontakten zu Industrie und Wissenschaft. Initiator und CEO ist Bernd Weidmann. Hier gibt es weitere Informationen.