Die Wissenswerkstatt Schweinfurt macht Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren fit für die digitale Welt. © Wissenswerkstatt Schweinfurt
Was haben die Branchen Gesundheit, Bauhandwerk und IT gemeinsam? In ihnen übersteigt der Fachkräftebedarf heute massiv das Angebot. Damit diese Lücke in Zukunft wieder kleiner wird, investieren viele Unternehmen verstärkt in das Recruiting und die Nachwuchsförderung. Niedrigschwellige Angebote sollen Quereinsteiger, Menschen aus dem Ausland oder Jugendliche für den eigenen Betrieb gewinnen.
Auch die Wissenswerkstatt Schweinfurt ist 2012 aus dem Gedanken entstanden, Technikthemen bereits jungen Menschen näherzubringen: Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren beschäftigen sich in Workshops spielerisch mit technischen Geräten, handwerklichen Verfahren und IT. Große Unternehmen aus der Region wie die ZF Friedrichshafen AG, die Schaeffler AG, die SKF GMBH sowie die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber tragen die Initiative finanziell.
Mit seinem Konzept ist der Verein sehr erfolgreich: In den vergangenen zehn Jahren hat er 71.952 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Region erreicht. Im Wettbewerb Digitale Orte wurde das Projekt 2024 in der Kategorie Bildung zum Sieger gekürt.
Mehr über die besondere Praxisnähe der Workshops und den Übergang in die Berufswelt, verrät uns Markus Dietz, stellvertretender Leiter der Wissenswerkstatt Schweinfurt, im Interview:
Mit der Wissenswerkstatt Schweinfurt wollen Sie bei Kindern und Jugendlichen Interesse für Technik wecken – auch um berufliche Perspektiven in diesem Bereich aufzuzeigen. Was bieten Sie genau an?
Wir haben ein breites Spektrum an Kursen, in denen die Kids meist an einem Projekt arbeiten. Die Kurse sind so aufgebaut, wie das Ältere vielleicht noch aus dem Werkunterricht kennen: Wir schrauben, sägen, bohren und löten. Am Ende steht dann ein Produkt da: zum Beispiel eine Druckluftrakete für die Jüngeren. Ab zehn Jahren fangen wir mit Lego-Robotern an, dann geht es bis zur App-Programmierung und KI. Dabei führen wir die Kinder spielerisch an technische Themen, Werkzeuge und Verfahren heran. Nebenbei lernen sie dann auch noch die Grundlagen der Elektrotechnik oder digitaler Systeme kennen. Wichtig ist uns, dass sich die Kids bei uns ohne Druck und mit viel Spaß ausprobieren können: Die Wissenswerkstatt ist ein Spielplatz für Technikbegeisterte oder die, die es werden möchten!
Für ausgewählte Kurse besuchen uns auch die Schulen. Da ergänzt unser praxisorientiertes Angebot ideal den Unterricht.
Welche Themen in Ihrem Programm kommen bei den Jugendlichen besonders gut an? Auf welche Themen springen Schulen und Eltern an?
Die Acht- bis Elfjährigen können sich für fast alle Bereiche richtig begeistern; das ist spürbar. Erst so ab elf Jahren geht das Interesse klar hin zum Coding und der Elektrotechnik. Da finden sich auch meine Lieblingsthemen: Hier kann man den älteren Kindern einfach viel erklären.
Solche komplexen Zusammenhänge wären aber zum Beispiel für eine Schulklasse nicht ganz das Richtige. Dort schließen wir ja an den Unterricht an. Deswegen ist für Grundschulen, in denen gerade das Thema Strom auf dem Stundenplan steht, der selbstgebaute Stromkreislauf ein Dauerbrenner. In den weiterführenden Schulen geht es um erneuerbare Energien: Dann bauen wir zusammen eine Solarlampe. Und die Eltern? Die würden am liebsten bei vielen Workshops selbst mitmachen. Bei uns ist aber mit 18 in der Regel Schluss.
Sie haben auch das Thema KI auf dem Programm. Welche Inhalte werden da vermittelt?
Künstliche Intelligenz haben wir bereits länger auf dem Schirm. Schon vor Corona haben wir eine Gestenerkennung mittels Machine Learning mit unseren Robotern getestet. Es war aber schwierig, das Thema so zu vermitteln, dass es für die Jugendlichen nachvollziehbar ist. Unseren aktuellen Workshop haben wir sehr aktiv gestaltet. Es geht zwar auch um neuronale Netze und Machine Learning, denen wir uns nun jedoch dank moderner KI-Tools wie „Machine Learning for Kids“ oder auch ChatGPT spielerisch nähern können. Autonomes Fahren spielt ebenfalls eine Rolle: Die Kids überlegen sich als Programmierer, wie ein solches Fahrzeug in einer Unfallsituation entscheiden sollte. Sie können diese Situation virtuell erleben und erkennen, wie schwierig das ist.
Die Wissenswerkstatt ist ein Verein, hinter dem sehr namhafte Unternehmen aus der Region stehen. Wie ist dort die Idee zur Wissenswerkstatt entstanden?
Die ZF Friedrichshafen AG hat das Projekt bereits vor 15 Jahren initiiert, weil man realisiert hat, dass wir in einen Fachkräftemangel laufen. Kinder und Jugendliche interessieren sich heute weniger als früher für technische Bereiche und das wirkt sich auf die Berufswahl aus. Oft hat das einen einfachen Grund: Sie kommen in ihren Familien seltener in Berührung mit Werkzeugen, weil Eltern und Großeltern keine Zeit – und oft auch keine Ausstattung – haben. Sie basteln und tüfteln weniger. Ich finde das schade: Denn erst wenn man konkret an Dingen arbeitet, merkt man, wie viel Spaß das macht.
In dieser Situation springt die Wissenswerkstatt ein. Wir geben den Kindern die Gelegenheit, sich mit den Werkzeugen zu beschäftigen, und ein technisches Projekt umzusetzen. Wir merken aber auch, dass weniger Kinder handwerkliche Erfahrung haben. Dann erklären wir genauer, wie mit den Werkzeugen umzugehen ist.
Ihr Angebot ist bewusst niedrigschwellig gehalten. Gleichzeitig möchten Sie Kindern berufliche Chancen im MINT-Bereich aufzeigen. Wie gelingt der Sprung vom Dosenlautsprecherkurs zur berufsvorbereitenden Maßnahme oder sogar zum Berufseinstieg?
Wir schlagen gerade bei den Angeboten für ältere Jugendliche eine Brücke vom Spaßangebot zur Berufsorientierung. Besonders gut gelingt das in den Coding-Kursen, die wir teilweise auch direkt in den Firmen abhalten. Die Kids können sich also in einem „richtigen“ Arbeitsumfeld ausprobieren, dort auch mit Azubis oder Mitarbeitenden reden. So bekommen sie Einblick in die verschiedenen Unternehmen.
Zusätzlich holen wir uns Profis ins Haus: Beispielsweise gibt die Ausbildungsleiterin der SKF bei uns Bewerbungstrainings, die vermitteln, was auf die Jugendlichen im Bewerbungsprozess zukommt.
Ich mache die Beobachtung, dass diejenigen, die sich für Coding- und KI-Kurse oder den UKW-Radio-Workshop anmelden, auch Interesse am Berufsfeld Technik und IT haben. Damit gehören sie genau zu dem Nachwuchs, den die Unternehmen suchen.
Wie sprechen Sie bestimmte Zielgruppen an, die in den MINT-Berufen eher unterrepräsentiert sind – also zum Beispiel Mädchen?
Wir haben in der Wissenswerkstatt einen hohen Mädchenanteil von 40 Prozent. Das ist teilweise den Vormittagskursen in den Schulen geschuldet, aber auch nachmittags sehen wir in den Workshops etwa 30 Prozent Mädchen. Wir bemühen uns da stark, auch wenn wir gern noch besser werden würden.
Problematisch ist, dass sich selbst Mädchen, die in unseren Workshops eine Menge Spaß hatten, noch viel zu selten für eine Ausbildung im technischen Bereich entscheiden. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändert, weil Eltern und Unternehmen offener für technikinteressierte Mädchen geworden sind.
Eine weitere Idee ist, Mädchen über bestimmte Themen besser anzusprechen: Die Technik allein begeistert vielleicht nicht so sehr, aber Einsatzbereiche wie Medizin oder erneuerbare Energien durchaus!
Welche Ansätze will die Wissenswerkstatt weiterentwickeln? Worauf legen Sie in Zukunft den Schwerpunkt?
Wir haben auf der Agenda, den Mädchenanteil weiter zu steigern. Außerdem möchten wir gerne unser Netzwerk weiter ausbauen, um auch in Zukunft Kurse am Puls der Zeit anbieten zu können. Aktuelle Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die wichtigste Frage ist jedoch die Finanzierung, die augenblicklich bis 2027 gesichert ist. Wir hoffen, dass es uns auch danach weiterhin geben wird, denn die Nachfrage ist definitiv da.
Die Wissenswerkstatt ist meiner Meinung nach unersetzlich für Schweinfurt: Die Workshops kosten die Teilnehmenden nichts, wodurch wir Kinder und Jugendliche quer durch alle Schichten ansprechen und die Chancengleichheit unterstützen. Außerdem haben wir einen guten Draht in die Schulen und in die Unternehmen. Das spricht schon sehr für unser Konzept.
Der diesjährige Digitale-Orte-Preisträger in der Kategorie Bildung macht Kinder und Jugendliche fit für die digitale Welt und bringt ihnen technische Konzepte näher. Dafür bietet sie praxisorientierte Workshops an, in denen die Teilnehmenden zum Beispiel eine Solarlampe bauen, Roboter zum Ostereierbemalen nutzen oder eine App programmieren.
Gegründet wurde der gemeinnützige Verein 2012 von der ZF Friedrichshafen AG, der SKF GmbH, der Schaeffler Technologies AG & Co. KG, der Fresenius Medical Care Deutschland GmbH Standort Schweinfurt, der Stadt Schweinfurt, dem VDI Unterfränkischer Bezirksverein und der IHK Würzburg/Schweinfurt.
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