Citizen Science: Bürger schaffen Wissen - Digitales Bürgernetz

Citizen Science: Gemeinsam neues Wissen schaffen

#Gemeinschaft 20. Dezember 2022

Citizen Scientists gehen gemeinsam mit Wissenschaftlern ganz unterschiedlichen Fragestellungen auf den Grund © Karo Krämer/ Wissenschaft im Dialog

Sie sammeln Mücken, beobachten den Nachthimmel und kartieren ihr eigenes Dorf: Bürgerforscher:innen leisten einen wichtigen Beitrag zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Vorteile für Wissenschaft, Gesellschaft und Individuum

Kurz gesagt, ist Bürgerwissenschaft das Zusammenspiel zwischen Bürger:innen und Wissenschaftler:innen mit vielen Vorteilen für alle Beteiligten. Gerade Forschungsprojekten, die auf große Datenmengen angewiesen sind, kommt das Engagement von Laien zugute. Zudem inspirieren Bürgerinnen und Bürger mit ihren Ideen die etablierte Wissenschaft, neuen Fragestellungen nachzugehen. Umgekehrt profitieren auch die Citizen Scientists „auf vielfältige Weise von ihrer Teilnahme an den Projekten“, wie Maria Peter, Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, in einem Gastbeitrag auf der Plattform „Bürger schaffen Wissen“ schreibt. Bürgerforscher:innen vergrößerten unter anderem ihre Kenntnisse über Umwelt, Wissenschaft und deren Methoden. Außerdem ändere sich ihr Verhalten gegenüber der Umwelt. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, betont in einem Statement zum Launch der Plattform „Bürger schaffen wissen“ den Spaß, den die Zusammenarbeit für beide Seiten bringe. Außerdem könnten sich Bürger:innen bewusst werden, „dass Wissenschaft nicht etwas ist, für Männer in weißen Kitteln, sondern dass wir alle daran teilhaben können.“ Kurz: Citizen Science holt die Wissenschaft raus aus dem Elfenbeinturm.

Kooperation mit Tradition

Neu ist die organisierte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Laien nicht. Bereits im Jahr 1900 rief die National Audubon Society in den USA Bürger:innen zur Vogelzählung auf. Das Projekt gibt es bis heute, viele sind dazugekommen. Wer mitmachen möchte, findet zum Beispiel auf www.buergerschaffenwissen.de mehr als 150 Projekte. Die Plattform ist ein Gemeinschaftsprojekt von Wissenschaft im Dialog – eine Initiative der führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen – und dem Museum für Naturkunde Berlin und hat sich zur zentralen Anlaufstelle für Bürgerforschung in Deutschland entwickelt. Unterstützt wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Logo aus grünen Punkten und Schriftzug „Bürger schaffen Wissen. Die Citizen Science Plattform“
Die zentrale Plattform für Citizen Science in Deutschland präsentiert und vernetzt zahlreiche Citizen-Science-Projekte. ©buergerschaffenwissen.de

Nicht zuletzt die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass die Mitmach-Möglichkeiten für Bürger:innen in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden sind. Mithilfe von Smartphone-Apps und Online-Meldeportalen kann jede und jeder unabhängig von Zeit und Ort an großen Forschungsprojekten mitwirken.

Citizen-Science-Projekt bringt Dörfer zurück auf die Landkarte

Bürgerwissenschaft kann unter anderem dazu beitragen, ein realistisches Bild vom ländlichen Raum zu zeichnen. Kaputte Straßen, keine Ärzte, eine stagnierende Wirtschaft, die „Jungen“ zieht es in die Stadt: so die gängigen Vorurteile. Doch wie sieht es wirklich aus? Gibt es den ländlichen Raum überhaupt? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Thünen-Institut für Regionalentwicklung das Bürgerforschungsprojekt „Landinventur“ initiiert. Mithilfe einer Online-Plattform soll das Land neu vermessen und die Dörfer zurück auf die Landkarte gebracht werden. Die Daten dazu liefern die Dorfbewohner: Wie viele Menschen leben dauerhaft vor Ort? Wer pendelt? Wer baut Gemüse im eigenen Garten an? Welche Unternehmen und Dienstleistungen gibt es? Wer gestaltet das Zusammenleben aktiv mit? „Für all das sind die Dorfbewohner die Experten. Ihr Wissen ist ein echter Schatz – von außen könnten wir niemals solche tiefen Einblicke erhalten“, erklärt Eleonore Harmel vom Thünen-Institut. Gestartet ist das Projekt 2018 in Mecklenburg-Vorpommern, inzwischen können sich Bürger:innen bundesweit beteiligen.

Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland

Mit dem Ziel, das Potenzial von Citizen Science für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik strategisch zu stärken, haben in den vergangenen zwei Jahren mehr als 200 Personen aus 136 Organisationen die Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland erarbeitet. Seit April 2022 liegt die Strategie in Form eines sogenannten Weißbuchs vor. Sie enthält 94 Handlungsempfehlungen an Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, um Bürgerforschung in Deutschland weiterzuentwickeln – und kann damit auch der aktuellen Regierung eine Hilfestellung sein, die in ihrem Koalitionsvertrag schreibt: „Wir werden mit Citizen Science und Bürgerwissenschaften Perspektiven aus der Zivilgesellschaft stärker in die Forschung einbeziehen.“

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