Eröffnung der Smart Country Convention 2021 © Messe Berlin GmbH
Die Digitalisierung ist zwar in aller Munde, aber noch nicht wirklich in allen Ecken Deutschlands angekommen. In vielen Kommunen besteht Optimierungsbedarf, wie eine Befragung des Digitalverbandes Bitkom zeigt: Vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern (86%) wünschen sich hier mehr Engagement und Tempo und fordern, dass ihre Stadtverwaltung die Digitalisierung mit mehr Nachdruck vorantreibt. Drei von fünf Befragten (62%) stuften ihren Wohnort sogar als digital rückständig ein. Und für 79 Prozent ist klar: Die Digitalisierung hilft dabei, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu schaffen.
„Die Bevölkerung drängt auf mehr digitale Angebote in Städten und Gemeinden. Diesem Bedürfnis müssen die Rathäuser umfassender gerecht werden“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Kommunen bräuchten vor allem Geld, Know-how und einen engen Austausch mit Bürgerschaft und Wirtschaft.
Die Smart Country Convention in Berlin bot Ende Oktober (26./27.10.2021) genau dafür Gelegenheit: sich zu den Schwerpunktthemen E-Government und Smart City auszutauschen und voneinander zu lernen. Die 160 Speakerinnen und Speaker und rund 90 Partner sorgten für den Brückenschlag zwischen Verwaltung und Digitalwirtschaft. Was braucht der öffentliche Sektor, um eine nachhaltige Daseinsvorsorge 4.0 langfristig zu sichern – und wie lässt sich verhindern, dass der ländliche Raum den Anschluss an die Zukunft verpasst?, so eine der zentralen Fragen, die sich Expertinnen und Experten aus Politik, Digitalwirtschaft und Wissenschaft stellten.
Inspiration für die Zuhörerinnen und Zuhörer am Bildschirm bot zum Beispiel das Panel „#digitaleDaseinsvorsorge: nachhaltig und zukunftsfest“, das zwei erfolgreiche Praxisbeispiele präsentierte. Marlen Ristola (Stadt Leipzig) stellte das Projekt „Hardware for future“ vor: Ausgemusterte Computer-Hardware der Stadt Leipzig sowie von Privatpersonen wird wieder „fit“ gemacht und an Benachteiligte weitergegeben. Seit Anfang 2020 werden Computer, Tastaturen und Co. so ressourcenschonend weitergenutzt – vor allem mit Beginn der Pandemie und dem Home-Schooling war das Angebot stark nachgefragt. Beim zweiten Projekt stand eine sogenannte „Heatmap“ im Vordergrund. Gerrit Bruns von der Stadtreinigung Hamburg erklärte, wie die Stadtreinigung dank einer aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger aufwands- und anlassbezogener zum Einsatz kommt. Über eine Hotline gehen Verschmutzungsmeldungen ein, die die Stadtreinigung dann gezielt abarbeiten kann.
„Die Infrastruktur muss stimmen für die Daseinsvorsorge im digitalen Zeitalter. Jeder muss Zugang zu Breitband haben.“
Dirk Meyer
Digitale Lösungen machen vieles möglich. Und sie können Kommunen bei einer nachhaltigen Daseinsvorsorge unterstützen. Dabei ist allerdings durchaus Luft nach oben, wie die anschließende Diskussion mit Frauke Janßen (Deutscher Städtetag) und Dr. Tobias Brosze (Technischer Vorstand der Mainzer Stadtwerke AG) zeigte. Dirk Meyer vom Bundesministerium für Umwelt erklärte: „Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind zwei Mega-Trends, die sich – wenn man sie gut organisiert – wunderbar ergänzen können.“
Neben diesem Aspekt standen auch konkrete Fragen auf der Agenda. Beispielsweise, wer bei der Implementierung von digitalen Technologien zuständig sein sollte und wie man die Menschen am besten ins Boot holt, damit sie den digitalen Wandel mittragen. Frauke Janßen betonte: „Wir müssen die Beteiligung ernst nehmen. Wir brauchen eher mehr Diskurs als weniger“. Zudem bräuchte es mehr Experimentierräume. Und für Dirk Meyer stand fest: „Die Infrastruktur muss stimmen für die Daseinsvorsorge im digitalen Zeitalter. Jeder muss Zugang zu Breitband haben. Breitband ist zum Beispiel ein zentraler Faktor, um den Verkehr zu elektrifizieren.“
Jarno Wittig, Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen e. V. und Moderator der Paneldiskussion, fasste abschließend die wichtigsten Punkte zusammen. Wichtig sei es, bei der Realisierung digitaler Lösungen konkrete Zielbilder zu definieren. Es komme darauf an, Ideen zu entwickeln, auf die verschiedene Akteurinnen und Akteure gezielt hinarbeiten können. Anschließend könne man sich mit dem Thema „Commitment“ befassen und sich darauf verständigen, wie sich die Projekte schneller umsetzen lassen – wobei es auf ein abgestimmtes Vorgehen ankomme. Ziel sei eine flächendeckende Bewegung, in der alle Beteiligten gehört und jede Region mitgenommen werde. Dann lasse sich auch die Daseinsvorsorge nachhaltiger, besser und menschlicher gestalten – ganz einfach, weil man nicht nur technische Applikationen im Blick hat.
Zu den Highlights der Smart Country Convention gehörte der Auftritt der EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitalisierung, Margrethe Vestager. Als Speakerin dabei war auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. „Die Zukunft gehört dem Land“, betonte sie in ihrer Keynote. Wichtig sei, „dass man an der Digitalisierung nicht vorbeikommt, wenn es um die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land geht.“ Dass es auf dem Land bereits eine Vielzahl digitaler Initiativen gibt, zeigte das anschließende Forum „Digitale ländliche Räume – Digitalisierung als Instrument für Klimaschutz und Nachhaltigkeit“. Zwei der Smart-City-Modellprojekte des Bundes der stellten dort ihre Vorhaben vor. Britta Murowski von der Initiative Geestla@nd – Gemeinsam. Grün. Smart. verwies darauf, dass es gewisser Anstrengungen bedürfe, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und von den Vorteilen smarter Technologien zu überzeugen. Der persönliche Kontakt sei wichtig, um Berührungsängste abzubauen, etwa beim Thema autonomes Fahren und dem ersten fahrerlosen Bus in Langen. Smart Cities seien daher auch reale Labore, in denen Technologien und deren Anwendbarkeit überprüft werde, so Murowski.
Einig war sie sich mit den weiteren Vortragenden, wovon eine weitere positive Entwicklung der digitalen Modellprojekte abhänge: zum einen sei das die gemeinde- und regionenübergreifende Zusammenarbeit und der Transfer von Lösungen. Zum anderen der schnelle und flächendeckende Ausbau der Infrastruktur mit Breitband-Glasfasertechnologie. Als Grundlage für modernes Leben mache dieser zum Beispiel das digitale Arbeiten im ländlichen Raum überhaupt erst möglich.
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