Juliane Eller gründete 2013 JUWEL Weine. Foto Peter Bender
Der Weinbau ist ein traditionsreiches Gewerbe. Im Interview erzählte uns Juliane Eller, junge Winzerin aus dem rheinhessische Alsheim, welche digitalen Helfer bei ihr zum Einsatz kommen und welchen Stellenwert die Digitalisierung im Weinbau hat.
Frau Eller, wie wichtig sind digitale Tools zur Bewirtschaftung Ihres Weinguts?
Sowohl draußen in unseren Weinbergen und deren Bewirtschaftung als auch in der Vermarktung schaffen uns digitale Tools und Kanäle Freiheiten und Effizienz in den unterschiedlichen Prozessen. Viele Dinge müssen damit nicht mehr ganz einfach ausgedrückt im Kopf gerechnet oder per Hand notiert werden, sondern passieren ganz automatisch.
Natürlich funktioniert unser Handwerk aber nicht ohne den Menschen im Weinberg und im Weingut. Die Digitalisierung setzt vielmehr Kapazitäten frei, die wir für den persönlichen Kontakt nutzen können. Das Herzstück unseres Weinguts ist beispielsweise der Weinverkauf bei uns ab Hof in Alsheim, wo uns der persönliche Austausch und die Nähe zum Kunden sehr wichtig sind.
Auch in den Weinbergen können wir die meisten Schritte nur von Hand machen. Ob es der Rebschnitt ist, bei dem wir individuell an jedem Rebstock entscheiden, was wir stehen lassen, oder ob es spätere Arbeiten vom Ausbrechen bis zur grünen Lese sind. Dennoch ist die Digitalisierung auch für uns und meiner Meinung nach die Weinbranche insgesamt nicht mehr wegzudenken. In meinem Betrieb zumindest arbeiten wir jeden Tag daran, unsere Prozesse immer weiter zu digitalisieren und damit Stück für Stück effizienter und noch nachhaltiger zu werden.
Sie treten sehr modern im Netz auf und nutzen die sozialen Medien. Wie kam es dazu?
Die Digitalisierung ist für mich nicht nur als Winzerin, sondern auch als Unternehmerin ein sehr zentrales Thema. Als ich 2013 Winzerin geworden bin, habe ich schnell erkannt, dass ich einen Kanal brauche, über den ich das teilen kann, was mich täglich auf dem Weingut beschäftigt, über den ich zeigen kann, wie unsere Rohdiamanten – unsere Trauben – zu JUWELEN werden, und dass JUWEL Weine in Deutschland, in Rheinhessen, im kleinen und schönen Alsheim, von Hand gemacht werden.
Dass sich all das so positiv entwickelt, hat mich gleichermaßen überrascht und gefreut. Ich möchte für die Weinproduktion und das absolute Kulturgut Wein in Deutschland sensibilisieren. Lieferketten müssen nicht lang sein, wir haben hervorragende Weine direkt vor der Haustür.
Sind Sie mit Ihren Aktivitäten im Netz eher eine Ausnahme? Oder stehen Sie damit exemplarisch für eine neue Generation an Winzern?
Es freut mich riesig, dass seither mehr und mehr junge Winzer und Winzerinnen den Mut gefasst haben, das elterliche Weingut zu übernehmen. Dadurch wird es selbstverständlicher, den Alltag und die Geschichte der Weingüter über die sozialen Medien zu teilen. Vielleicht war ich da eine der ersten, mittlerweile wächst aber auch eine jüngere Generation auf TikTok heran, die mich dort schon weit überholt hat. Darauf blicke ich mit Stolz, denn die Reichweite und Sichtbarkeit vieler einzelner und eher kleinerer Familienweingüter lässt uns am Ende gemeinsam eine höhere Sichtbarkeit und Reichweite für deutsche Qualitätsweine insgesamt entwickeln.
Was tun Sie alles im Netz und wie profitieren Sie davon?
Allem voran haben wir einen eigenen Onlineshop, mit dem wir unseren Kundinnen und Kunden aktuell in Deutschland und Österreich die Möglichkeit bieten, sich unsere JUWEL Weine direkt nach Hause zu bestellen. Weitere Länder wie zum Beispiel die Schweiz, Dänemark, Belgien oder die Niederlande beliefern wir auf Anfrage auch schon im Privatkunden-Segment. Der Kanal, der mich von Beginn an begleitet und sich für mich wie ein „Zuhause“ anfühlt, ist für mich definitiv Instagram. Hier erzielen wir auch die höchste Aufmerksamkeit und Reichweite. Zur direkten Kommunikation mit unserem Kundenstamm setzen wir aber auch auf individuelles E-Mail-Marketing. Um über meine unternehmerischen Aktivitäten zu sprechen, positioniere ich mich mittlerweile vermehrt auf LinkedIn. Da taste ich mich langsam heran. Bei diesem Kanal stehe ich persönlich noch ganz am Anfang, er bietet aber wahnsinniges Potenzial.
Am Ende des Tages ist es das Zusammenspiel aus den verschiedenen digitalen Plattformen, die wir bespielen. Über Instagram kann ich die Menschen quasi mit auf mein Weingut nehmen – ganz gleich, wo sie gerade sind. In unserem Onlineshop können sie sich die JUWEL Weine direkt nach Hause bestellen. Gleichzeitig bieten wir aber auch vor Ort exklusive Angebote wie eine Weinprobe oder ein Weinpicknick, bei denen man unsere Weine dort verkosten und kennenlernen kann, wo sie entstehen. Und wenn andere sehen, dass unser Tun Trauben trägt, dann steigt natürlich auch das Interesse an tieferen Einblicken in die konkreten unternehmerischen Tätigkeiten. Ich bin sehr gespannt, welche Potenziale sich hier noch in der Zukunft ergeben und wie es mir gelingen wird, diese zu nutzen.
Inwiefern sind eine starke digitale Präsenz und Kommunikation für ein Weingut heute eine Notwendigkeit?
Meine persönliche Meinung dazu ist sehr klar: Eine starke digitale Präsenz und Kommunikation sind heutzutage essenziell, je nach Absatzkanälen und Aufbau des Betriebes vielleicht sogar existenziell. Das wird auch daran deutlich, dass sich immer mehr deutsche Weingüter um eine eigene Website und den direkten digitalen Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden bemühen. Es gibt weiterhin jene Weingüter, die ihre Käufer einmal im Jahr auf den traditionellen Weintouren mit dem neuen Jahrgang beliefern, aber über eine starke digitale Präsenz und Kommunikation lässt sich eine viel größere Zielgruppe erreichen. Durch die starke Präsenz, die wir insbesondere auf den sozialen Medien haben, konnten wir in den vergangenen Jahren gute Umsätze verzeichnen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass sich trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation auch die kommenden Jahre weiter gut entwickeln. Hier sind wir stets aufmerksam und versuchen, proaktiv zu handeln.
Profitiert davon auch Ihre Region an sich, zum Bespiel durch verstärkten Tourismus?
Wir bekommen durch die Angebote, die wir am Hof bei uns auf dem Weingut anbieten, tatsächlich unglaublich viele Anfragen nach Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants in der Nähe. In diesem Bereich liegt Rheinhessen als Weinanbaugebiet noch weit hinter beispielsweise der Mosel zurück, wo der Weintourismus schon seit vielen Generationen etabliert und bekannt ist. Wir können als kleines Familienweingut keine eigenen Kapazitäten für Übernachtungen oder Gastronomie schaffen. Deshalb bemühen wir uns um ein gutes Miteinander mit unseren regionalen Partnern in diesem Bereich. Unser Ziel ist, Rheinhessen hier gemeinsam besser aufzustellen, die Menschen von überall her herzlich einzuladen und auch beherbergen zu können. Denn in Rheinhessen gibt es neben unserem Weingut natürlich auch noch viele weitere großartige Betriebe und Sehenswertes zu entdecken.