Andy Bosch ist Geschäftsführer von NichtraucherHelden ©NichtraucherHelden
Digitale Gesundheitsanwendungen oder DiGAs sind Apps, die vom Arzt verschrieben werden können. Sie sollen die Telemedizin in Deutschland voranbringen. Andy Bosch und sein Team haben die App NichtraucherHelden entwickelt. Im Interview erläutert er, was diese und andere DiGAs leisten können.
Herr Bosch, wie ist die App NichtraucherHelden entstanden?
Wir sind ein interdisziplinäres Team mit unterschiedlichen Kompetenzen, das sich seit Jahren mit digitalen Angeboten für einen gesunden Lifestyle und eben auch mit Tabakentwöhnung beschäftigt. Vor zwei Jahren kamen dann die DiGAs auf den Markt und wir begannen, unser digitales Nichtraucher-Modul so zu entwickeln, dass es die Anforderungen an eine DiGA erfüllen konnte.
Dabei holten wir uns Unterstützung von einem Lungenfacharzt und allgemein aus dem ärztlich-wissenschaftlichen Umfeld. Unsere Anwendung stützt sich auf international anerkannte Leitlinien zur Tabakentwöhnung und evidenzbasierte, erprobte Wege, die auf validen Studien beruhen. Als DiGA müssen wir ohnehin durch eine große Studie den positiven Versorgungseffekt unserer App nachweisen.
Viele Entwickler von Gesundheits-Apps schrecken vor einer Registrierung als DiGA zurück, weil die Anforderungen so hoch sind. Können Sie das bestätigen?
Die regulatorischen Anforderungen sind in der Tat immens. Man muss sehr viele Auflagen erfüllen, wenn es darum geht zu belegen, dass die Anwendung wirklich etwas bewirkt, aber auch in puncto Datenschutz und Datensicherheit. Es geht hier schließlich um sensible Gesundheitsdaten und um den realen Nutzen für den Patienten. Daher halte ich gewisse Hürden schon für sinnvoll. Schließlich möchten wir, dass die App über die Krankenkassen abgerechnet werden kann. Da müssen wir schon zeigen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Wie unterstützt die App Patient:innen dabei, mit dem Rauchen aufzuhören?
Es geht darum, aufhörwillige Raucher:innen auf eine zeitgemäße Art und Weise bestmöglich beim Rauchausstieg zu unterstützen. Wie in der klassischen Therapie läuft das in erster Linie über Verhaltensänderungen. Man weiß aus vielen Studien, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor darin besteht, die Kopplung zwischen bestimmten Lebenssituationen und Rauchen aufzulösen und neue Verbindungen zu schaffen, Alternativen zu suchen und Rückfallgefahren vorherzusehen. Dabei können wir Menschen viel besser und intensiver begleiten als ein Arzt, der im Praxisalltag gar nicht die Zeit dazu hat, den Patienten so lange zu unterstützen.
Wie sieht die Akzeptanz auf Seiten der Patient:innen und Ärzt:innen aus?
Nach der Firmengründung 2017 hatten wir erwartet, dass sich vor allem die jüngere Zielgruppe für unsere App interessiert. Überraschenderweise liegt unser Durchschnittsalter aber bei Mitte 40, und wir haben auch Nutzer, die 60 oder 70 Jahre alt sind. Die Akzeptanz ist also durch die Altersklassen hinweg höher als erwartet. Mittlerweile sind alle daran gewöhnt, viele Dinge mit dem Handy zu machen.
Eine große Rolle, damit sich DiGAs stärker verbreiten können, spielen natürlich die Ärzte, die die Anwendungen verschreiben oder eben auch nicht. Hier sehen wir immer noch Skepsis. Nur ein kleiner Anteil an Ärzten verschreibt aktuell überhaupt digitale Gesundheitsanwendungen. Es ist sicherlich wichtig, dass wir Hersteller mit validen Studien unter Beweis stellen, dass unsere Apps wirksam sind. Aber auch Verbände und die Politik sind hier in der Pflicht, das Thema bekannter zu machen und über die DiGAs aufzuklären.
Sehen Sie in den DiGAs speziell für den ländlichen Raum eine Chance, da hier die medizinische Versorgung teils weniger dicht ist?
Definitiv ist eines der überzeugendsten Argumente für digitale Anwendungen, dass sie flächendeckend zur Verfügung stehen. In unserem Fall, wo die Alternative Entwöhnungskurse in Präsenz wären, sind aber selbst in der Stadt nicht die nötigen Ressourcen vorhanden. Ein Arzt müsste einen solchen Kurs erst einmal vollbekommen, und es ist sicherlich nicht hilfreich, jemandem, der sich gerade entschieden hat, mit dem Rauchen aufzuhören, sagen zu müssen, dass der nächste Kurs in sechs Wochen startet. Die digitale Therapie ist überall und sofort verfügbar. Da wir sehr viel mit Videos arbeiten, ist aber eine gute Internetverbindung eine wichtige Voraussetzung, die eben auch im ländlichen Raum gewährleistet werden muss.
Wie beurteilen Sie insgesamt die Zukunft der Telemedizin
Die digitale Medizin wird immer stärker vertreten sein. Wichtig ist zu verstehen, dass es sich dabei um eine Ergänzung handelt. Für viele Dinge muss und möchte ich persönlich mit einem Arzt sprechen. Es geht nicht darum, klassische Arztbesuche zu ersetzen. Aber viele Therapien können mittlerweile sehr gut digital unterstützt werden. Und das sollten wir auch nutzen.
Die App NichtraucherHelden dient der Behandlung und Linderung einer diagnostizierten Tabakabhängigkeit. Durch ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Nichtrauchercoaching wird Patientinnen und Patienten geholfen, ihre Tabakabhängigkeit zu überwinden. Sie werden über einen Zeitraum von drei Monaten begleitet, um vor allem auch nach dem Rauchstopp weitere Unterstützungsmöglichkeiten anbieten zu können.