Gruppenfoto: Die Macherinnen und Macher hinter den zehn ausgezeichneten Projekten bei der Preisverleihung im EWerk. © Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Zeigen, welche Innovationskraft gerade im ländlichen Raum steckt – und welche Chance die Digitalisierung für die Entwicklung abseits der Metropolen bietet: Darum ging es beim Wettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen“, den Deutsche Glasfaser und „Deutschland – Land der Ideen“ zum ersten Mal ausgerufen hatten. Mit großer Resonanz: Mehr als 200 Projekte haben sich um die Auszeichnung beworben. Die Bandbreite dieser Einreichungen zeige, „dass die Digitalisierung im ländlichen Raum in allen Lebensbereichen angekommen ist – wenn die nötige Infrastruktur vorhanden ist“, sagte Gastgeberin Ute Weiland, Geschäftsführerin der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“, bei der feierlichen Preisverleihung in Berlin vor rund 200 Gästen.
In mehreren Runden habe die Jury diskutiert, um aus den Bewerbungen schließlich die zehn Gewinnerprojekte auszuwählen, berichtete Thorsten Dirks, CEO von Deutsche Glasfaser. Dabei habe sich gezeigt, dass „digitale Innovationen in Deutschland insbesondere vom Land kommen. Das ist ein Ansporn für uns, mit dem Ausrollen unserer Netze das digitale Potenzial im ländlichen Raum weiter zu steigern – denn Ideenreichtum und Machermentalität der Menschen kommen nicht nur ihrer eigenen Kommune zugute, sondern sind Vorbild für ganz Deutschland.“ Das bekräftigte auch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Susanne Henckel, in ihrer Keynote. Der Ausbau der Glasfaserinfrastruktur sei ein nachhaltiger Beitrag für die Zukunft des ländlichen Raums – sie sei die Basis für digitalen Fortschritt und Innovation. Die ausgezeichneten Projekte spiegeln genau diese Innovationskraft wider: „Sie sind die digitalen Vordenker. Sie bringen mit ihren Ideen und ihrem Engagement die digitale Transformation voran“, richtete sich Henckel an die Gewinnerteams, die aus ganz Deutschland angereist waren.
Auf großflächigen beleuchteten Stelen im Berliner EWerk wurden die zehn Projektideen präsentiert – und den Gewinnern anschließend auch die große Bühne bereitet. Gemeinsam mit Ute Weiland und Thorsten Dirks gratulierte Staatssekretärin Susanne Henckel den Preisträgern, überreichte die Urkunden und Preise aus Glas und Birkenholz. Ausgezeichnet wurden die Projekte in alphabetischer Reihenfolge:
Der Kreis Recklinghausen begegnet den Herausforderungen des demografischen Wandels mit einem innovativen digitalen Lösungsansatz: dem zentralen Demografieportal Smartdemography. Es verknüpft Informationen zur Bevölkerungsentwicklung, die bislang nur gedruckt vorlagen, online mit Infos zur nahräumlichen Versorgung. Das hilft bei langfristigen Planungen und Entscheidungen – zum Beispiel, wenn es um Kitas, den ÖPNV, Standorte für Supermärkte oder neue Elektro-Ladestationen geht.
Die Potenziale von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) auch für Mittelständler greifbar machen – darum kümmert sich der KI-Hub am Lucas-Cranach-Campus Kronach der TH Nürnberg. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter lassen die abstrakte Technologie bei Unternehmensbesuchen konkret werden und vermitteln so die Vorteile von KI. Die Erfolge sind in der Region bereits spürbar. Lösungen, die auf Maschinelles Lernen, neuronale Netze oder KI setzen, sind in der Praxis angekommen: etwa bei einem Werkzeugmacher, in einer Bäckerei und bei einem Weltmarktführer von Zündsystemen für Heizungsanlagen.
Während des Summer of Pioneers in Tengen weckten neugierige Städter das leerstehende Schloss Blumenfeld wieder zum Leben – es wurde nicht nur Wohnraum und Coworking-Space für die Zugezogenen, sondern auch Treffpunkt für Bürgerinnen und Bürger aus der Region. Im Sommer 2022 geht es nun mit neuen Pionieren in die nächste Runde: Schloss Blumenfeld soll sich als ländlicher Zukunftsort etablieren und Tengen als Wohn- und Arbeitsort für Digital- und Kreativarbeiterinnen und -arbeiter attraktiv wird.
Aus einem leerstehenden Bahnhofsgebäude in Fürstenberg/Havel wurde ein Makerspace und Bildungsort, ein Raum für lebenslanges Lernen: Der Verstehbahnhof des havel:lab e. V. zeigt vor allem jungen Menschen die digitale Zukunft und macht sie neugierig auf die damit verbundenen Technologien. Zum Programm zählen Aktivitäten wie Roboter bauen, programmieren lernen oder 3D-Druck. „Es geht darum, Digitales zu kreieren und nicht nur zu konsumieren“, sagte Initiator Daniel Domscheit-Berg bei der Preisverleihung. Das Angebot richte sich an alle „neugierigen Geister und lebenslangen Lerner“.
Pflegebedürftige und ältere Menschen sollen möglichst lange eigenständig, selbstbestimmt und sicher in den eigenen vier Wänden wohnen können: Das ist die Idee von „DeinHaus 4.0“ der Technischen Hochschule Deggendorf, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Erforscht werden technisch-digital gestützte Lösungen, die hilfsbedürftige Menschen in ihrem Wohnumfeld bedarfsgerecht unterstützen – etwa die sich automatisch abschaltende Herdplatte oder ein digitaler Medikamentenspender. In zwei Mustereinrichtungen können Interessierte die digitalen Assistenzsysteme ausprobieren, außerdem machen 75 Probandenhaushalte mit Menschen zwischen 65 und 90 Jahren bei „DeinHaus 4.0“ mit.
Eine smarte und kostengünstige Software mit benutzerfreundlicher Oberfläche: Match Rider unterstützt Bürgerbusvereine dabei, Routen und Haltestellen selbständig, effizient und digital zu verwalten. Dadurch werden Abläufe vereinfacht und Kosten gespart. Neben dem digitalen Fahrplantool wird auch eine spezielle App (MatchRiderGO-App) angeboten, über die die Fahrten koordiniert werden können. Fahrer und Mitfahrer der Bürgerbusse profitieren von dieser neuen Flexibilität.
Der Klimawandel macht auch vor der Ostsee nicht Halt: Um vor Sturmfluten im Bereich Schleimünde, vor steigenden Wasserpegeln, Hochwasser und überfluteten Ufern zu warnen, haben sich IT-begeisterte Ehrenamtliche im Verein Nucleon e. V. zusammengeschlossen. Mit Pegel-Messsensoren, einer LoRaWAN-Infrastruktur und einem Online-Portal haben sie so ein digitales Hochwasser-Früherkennungssystem geschaffen. Bahnt sich Gefahr an, benachrichtigt das Portal automatisch Ansprechpartner wie zum Beispiel Bürgermeister und die Feuerwehr.
Ob Abfallkalender, Mobilitätsinfos oder der Austausch mit der Verwaltung – viele Kommunen kommunizieren per App mit ihren Bürgerinnen und Bürgern. Doch die Entwicklung einer individuellen Lösung ist zeit- und kostenintensiv. Die Erfinder der Smart Village App haben daher einen Open-Source-App-Baukasten entwickelt, damit der Aufwand für Städte und Gemeinden überschaubar bleibt. Durch das Open Source-Konzept können die Kommunen sich gegenseitig neue Funktionen zur Verfügung stellen und so ebenfalls Kosten und Zeit sparen. Die Smart Village App versteht sich als Knotenpunkt, als digitaler Ort, wo sich die Gemeinschaft trifft.
Wie stelle ich mir meine berufliche Zukunft vor? Welche Interessen und Stärken will ich einbringen, welche Möglichkeiten habe ich überhaupt? Das Start-up „Mein mutiger Weg“ will Jugendliche dazu bringen, sich mit der Gestaltung ihrer beruflichen Zukunft zu befassen und hat dafür TRAUMJOB CAMPUS entwickelt: die deutschlandweit erste digitale Plattform für schülergerechte Berufsorientierung – von Schülern für Schüler des Landkreises Südwestpfalz. Zum Angebot gehören neben Erklärvideos auch regelmäßige Coaching-Calls, ein individuelles Mentor-Matching und Schnittstellen zu lokalen Berufsberatungen.
Ehrenamtliche helfen – da wo sie gebraucht werden: Dabei unterstützt die VoluMap der Stadt Gütersloh. Die digitale Lösung bringt Helfer und gemeinnützige Initiativen unkompliziert zusammen. Das funktioniert so: Die Kommune vergibt Admin-Accounts an lokale Organisationen, die über die Plattform ihre Gesuche platzieren können. So werden auch Menschen angesprochen, die sich nicht regelmäßig, sondern nur spontan oder zeitlich begrenzt engagieren können.
In ihrer Vielfalt decken die ausgezeichneten Projekte viele Aspekte des (digitalen) Alltags ab – von Mobilität bis Hochwasser- und Umweltschutz, vom Ehrenamt bis zur Modernisierung im Mittelstand. Eines haben sie aber gemeinsam: Sie zeigen, wie viel Innovationskraft im ländlichen Raum steckt, eine wichtige Grundlage, um digitale Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden. Hier setzte auch Dr. Frederik G. Pferdt, Chief Innovation Evangelist bei Google, an. „Meine Mission ist es, Innovationskraft und Kreativität in Menschen freizusetzen“, so Pferdt. Gelassenheit und Ruhe seien dafür eine wichtige Voraussetzung. Zwischen der Auszeichnung der Projekte lud er das Publikum daher nicht nur zu einer kleinen Meditationsreise ein, sondern auch zu einem interaktiven Experiment – nämlich selbst zum Stift zu greifen und ganz analog auf Papier zusammen mit der Sitznachbarin oder dem Sitznachbarn einen Roboter entstehen zu lassen. Nicht ohne Hintergedanken: „Innovation ist ein Teamsport“, so sein Fazit. „Wenn man gemeinsam an Ideen arbeitet, entsteht die beste Lösung.“
Schauspielerin und Produzentin Natalia Wörner gab anschließend im Dialog mit Moderatorin Eva-Maria Lemke einen Einblick in ihren digitalen Alltag zwischen Stadt und Land. Gerade in der Pandemie habe sich dieses Pendeln als ideal erwiesen. Der ländliche Raum sei für sie „ein Ort zum Auftanken”. Und auch Schauspielerinnen können aus dem Home-Office arbeiten, verriet sie – wenn denn die Anbindung stimmt. „Sich digital zu treffen und digital kreativ zu sein, hat auch in meinem Beruf mehr Bedeutung bekommen.”
Der gemeinsame Abend im EWerk bot dann den Rahmen, sich live und direkt auszutauschen und zu vernetzen. Beim abschließenden Barbecue auf der Dachterrasse wurde der Grundstein gelegt, um vielleicht auch in Zukunft zusammen kreativ zu sein und an spannenden digitalen Ideen zu arbeiten.
Alle ausgezeichneten Projekte werden in den nächsten Wochen hier im Digitalen Bürgernetz ausführlich vorgestellt. Alle Informationen zum Wettbewerb finden Sie hier.