Eine digitale Verwaltung ist kein Nice-to-have“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. © Bitkom e.V.
Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland hat in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht, aber es gibt noch großen Verbesserungsspielraum. Laut einer neuen Studie des Branchenverbands Bitkom, die im November 2023 auf der Smart Country Convention in Berlin vorgestellt wurde, schätzen 40 Prozent der Befragten den Digitalisierungsgrad ihrer Stadt oder Gemeinde als sehr (12 Prozent) oder eher (28 Prozent) fortgeschritten ein, 2020 waren es nur 37 Prozent. Als sehr rückständig bezeichnen ihn nur noch 22 Prozent, nach 28 Prozent bei der Befragung 2020.
„Die Digitalisierung in Städten und Kommunen hat in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht, gleichzeitig sind die Erwartungen der Menschen gestiegen. Das Ziel muss sein, dass nicht nur online Termine vereinbart werden, sondern dass jede Verwaltungsleistung auch wirklich digital genutzt werden kann – und zwar so einfach und bequem wie Online-Shopping oder Online-Banking“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Eine digitale Verwaltung ist kein Nice-to-have, sondern entwickelt sich insbesondere mit Blick auf den Kontakt zwischen Unternehmen und Verwaltungen zu einem wichtigen Standortfaktor und ist Grundlage für smarte Städte und Regionen. Die Smart County Convention zeigt, dass es nicht an funktionierenden digitalen Angeboten fehlt, es fehlt schlicht am Einsatz in der Fläche.“
Während die Online-Terminvergabe bereits von 61 Prozent der Befragten genutzt wurde, haben nur 14 Prozent Verwaltungsleistungen direkt online beantragt – ein Zeichen, dass trotz der wachsenden Bedeutung digitaler Dienste in anderen Bereichen des Lebens, die digitale Transformation der Verwaltung noch nicht ausreichend vorangeschritten ist.
Am Willen der Bürgerinnen und Bürger scheitert es nicht. 87 Prozent wünschen sich, dass die Stadt- oder Gemeindeverwaltung das Thema Digitalisierung mit mehr Nachdruck verfolgt. Außerdem ergab die Studie, die auf einer repräsentativen Umfrage unter 1.007 Menschen in Deutschland ab 18 Jahren basiert, dass die Mehrheit der Befragten gerne auf persönliche Besuche bei Behörden verzichten würde.
Auf der Smart Country Convention warb auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser für mehr Tempo bei der Digitalisierung in der Verwaltung. „Ich will, dass wir das Potenzial der Digitalisierung und der Daten in vollem Umfang nutzen – für einen modernen, bürgernahen Staat. Wir wollen den Menschen wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten, offene Daten nutzbar und die Verwaltungsarbeit transparent machen“, erklärte sie. „Zukünftig können digitale Anträge deutschlandweit über das zentrale Bürgerkonto, die BundID, oder mit dem Online-Ausweis gestellt werden. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnen wollen, digitale Angebote der Verwaltung zu nutzen, müssen wir zugleich für die notwendige Informationssicherheit sorgen: gemeinsam und behördenübergreifend, mit klugen IT-Sicherheitskonzepten.“
Die Smart Country Convention hat das Ziel, die Digitalisierung der Verwaltung auf verschiedenen Ebenen zu beschleunigen und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger besser zu berücksichtigen. Die Veranstaltung brachte vom 7. bis 9. November 2023 mehr als 12.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Städten und Gemeinden zusammen, um Lösungen für die Herausforderungen der digitalen Transformation in der Verwaltung zu finden.
Die Bitkom-Studie zeigt, dass die Bürger:innen eher bereit sind, Dienstleistungen online in Anspruch zu nehmen, wenn es um weniger komplexe Abläufe geht. So würden beispielsweise 81 Prozent ihren Personalausweis und 79 Prozent ihren Anwohnerparkausweis lieber online als vor Ort beantragen. Eine polizeiliche Anzeige möchten dagegen 52 Prozent vor Ort erstatten, nur 44 Prozent online. Eine Unternehmensanmeldung bevorzugen 48 Prozent vor Ort, 39 Prozent online. Und die Eheschließung wollen sogar nur 26 Prozent online beantragen, 64 Prozent vor Ort.
„Je einfacher eine Verwaltungsleistung ist, umso mehr Menschen möchten sie online erledigen. Und je tiefer die Entscheidung ins persönliche Leben eingreift und je emotionaler die Angelegenheit ist, desto stärker ist der Wunsch nach einem persönlichen Besuch in der Behörde“, resümiert Ralf Wintergerst. „Wir brauchen Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger für jede Verwaltungsleistung: Will ich sie online erledigen oder persönlich vor Ort? Wer sich für die Online-Variante entscheidet, entlastet damit die Behörden, die mehr Zeit für die Beratung in schwierigeren Angelegenheiten haben.“
Noch sind viele digitale Verwaltungsangebote den Menschen völlig unbekannt. Am bekanntesten ist die digitale Steuererklärung über Elster, die 25 Prozent bereits genutzt haben, 48 Prozent zumindest kennen und nur 22 Prozent unbekannt ist. Zum Vergleich: Digitale Mängelmelder für Schäden und Probleme im öffentlichen Raum nutzen nur 8 Prozent, 57 Prozent kennen das Angebot gar nicht. „Das Beispiel Elster zeigt, was eine digitale Verwaltungsleistung braucht, um erfolgreich zu sein: Sie muss bekannt sein, wobei ein eingängiger Name hilft. Sie muss funktionieren und einen ganz konkreten Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger liefern, zum Beispiel eine schnellere Bearbeitung und den Verzicht auf jedwedes Papier“, so Wintergerst. „Elster zeigt auch, dass ein zentraler Ansatz, bei dem nicht jedes Bundesland, jede Stadt und jede Gemeinde eine eigene Lösung entwickelt, hilfreich ist. Durch offene Schnittstellen kann sich ein ganzes Ökosystem rund um Verwaltungsleistungen entwickeln und es entsteht ein echter Mehrwert für die Menschen und Unternehmen vor Ort.“
Eine Präsentation zur Studie „Digitalisierung von Verwaltung und öffentlicher Hand“, finden Sie hier.
Die nächste Smart Country Convention findet vom 15. bis 17. Oktober 2024 in Berlin statt. Mehr Informationen gibt es hier: www.smartcountry.berlin