Digitaler Zukunftsort: Schloss Blumenfeld - Digitales Bürgernetz

Digitaler Zukunftsort: Schloss Blumenfeld soll wieder leuchten

#Gemeinschaft 30. Juni 2022

Schloss Blumenfeld ist von Weitem sichtbar – die Pioniere wollen es wieder zum Leuchten bringen. © Screenshot Deutschland – Land der Ideen

Kerstin Müller packte im Juni 2021 ihre Koffer in Berlin und zog aufs Land. Seitdem wohnt sie im Schloss Blumenfeld in der Gemeinde Tengen ganz im Süden der Republik. Sie hatte sich für das Projekt „Summer of Pioneers in Tengen“ beworben und eine Zusage bekommen. Neulandia bot neugierigen Großstädterinnen und Großstädtern die Möglichkeit, ein halbes Jahr lang das Landleben auszuprobieren. Die Nähe zur Schweiz, nach Italien und Frankreich waren für Kerstin Müller ein Grund, den Schritt zu wagen und in eine Stadt mit gut 4.600 Einwohnerinnen und Einwohnern zu ziehen. Schließlich wollte sie etwas ländlicher und grüner wohnen. „Ich finde die Gegend unglaublich schön und sie bietet eine hohe Lebensqualität. Mir war auch wichtig, etwas Sinnhaftes zu tun und gemeinschaftliches Wohnen einmal auszuprobieren. Keine Wohngemeinschaft, sondern mit eigenem Zimmer und Badezimmer sowie Gemeinschaftsräumen, die alle nutzen.“ 

Ein weißer Tisch steht in einem Raum mit dicken, unverputzten Wänden. Vier Frauen sitzen am Tisch.
„Schloss-Crew“ nennt sich die Gruppe der Pionierinnen, die nach dem Sommer in Tengen und Schloss Blumenfeld geblieben ist. Vorne rechts Kerstin Müller. © Schloss Blumenfeld

Beispiel für gemeinschaftliche Regionalentwicklung

17 Frauen und Männer aus der Digital- und Kreativbranche zogen während des „Summer of Pioneers“ in die alten Gemäuer ein. Sie konnten dort wohnen und arbeiten. Im Gegenzug haben sie sich ehrenamtlich für die Region engagiert: Veranstaltungen und Hofkonzerte organisiert, das Schlosscafé betrieben und am Tag des offenen Denkmals teilgenommen. Kerstin Müller erstellte eine eigene Website für das Projekt und startete einen Podcast. Dort kommen Bürgerinnen und Bürger zu Wort, die sich an ihre Kindheit in Blumenfeld erinnern, einem Ortsteil von Tengen, und an die Geschichte des Schlosses. „Über 100 Jahre lang wurde es für soziale Zwecke genutzt und hat weit in die Region hinausgestrahlt. Für die Menschen vor Ort hat es eine große Bedeutung“, erzählt Kerstin Müller. Zuletzt war dort ein Pflegeheim untergebracht. Fünf Jahre stand das Schloss leer und alle Versuche, es zu verkaufen, sind gescheitert.

„Man kann nicht aus der Stadt aufs Land ziehen und sein städtisches Leben dort einfach weiterführen. Das funktioniert nicht. Man muss sich integrieren und darf keine Enklave aufbauen.“

Ländliche Räume als Zukunftsräume

Mit dem „Summer of Pioneers“ zog wieder Leben dort ein. „Das Ziel und das Motto war, das Schloss wieder zum Leuchten zu bringen. Es sprichwörtlich wieder im Licht erstrahlen zu lassen. Aber auch im übertragenen Sinn, dass es ein leuchtendes Beispiel für eine gemeinschaftliche Regionalentwicklung wird“, sagt Frederik Fischer, Geschäftsführer von Neulandia. „Wir sind der Überzeugung, dass die ländlichen Räume die eigentlichen Zukunftsräume sind. Insbesondere dort, wo Bürgermeisterinnen und Bürgermeister selbst Lust haben, diesen Wandel zu begleiten. Und das war in Tengen paradetypisch der Fall“, so Fischer. Die Stadt und ihr Bürgermeister Marian Schreier haben das Projekt maßgeblich unterstützt, die Räume hergerichtet und sich um eine schnelle Internetverbindung gekümmert.

Ausgezeichnet als digitaler Ort: Kerstin Müller und Frederik Fischer (3. & 4.v.l.) zusammen mit Deutsche-Glasfaser-CEO Thorsten Dirks, Staatssekretärin Susanne Henckel und Ute Weiland, Geschäftsführerin „Deutschland – Land der Ideen“. © Deutschland – Land der Ideen/ Bernd Brundert

Teil der Dorfgemeinschaft

Ende Dezember 2021 war der „Summer of Pioneers“ zu Ende und die meisten Pionierinnen und Pioniere zogen wieder aus dem Schloss aus. Vier – darunter auch Kerstin Müller – sind geblieben. Zusammen mit der Stadt und Neulandia haben sie ein Konzept entwickelt, um den „Summer of Pioneers“ zu verlängern. In diesem Jahr ist er im Mai neu gestartet. Entwickelt wurden dafür mehrere Cluster: Coworking, Workation, Veranstaltungen, Schlosscafé und bürgerschaftliches Engagement. 14 Pionierinnen und Pioniere nutzen bis Ende Oktober drei Etagen im Schloss, den Schlossgarten, die Schlossterrasse und den Schlosshof. Fünf Zimmer werden für Workation angeboten, eine Kombination aus Arbeit und Urlaub. Inzwischen ist sogar ein Verein gegründet worden. Die Menschen in Blumenfeld waren von Beginn an sehr aufgeschlossen. „Sie haben Kuchen für Veranstaltungen gebacken, gegrillt oder Bänke aufgestellt. Wir sind ein Teil der Dorfgemeinschaft geworden. Und das ist wichtig“, so Kerstin Müller. „Man kann nicht aus der Stadt aufs Land ziehen und sein städtisches Leben dort einfach weiterführen. Das funktioniert nicht. Man muss sich integrieren und darf keine Enklave aufbauen.“

Ausgezeichnet als „Digitaler Ort“

Natürlich gab und gibt es auch Konflikte, wenn die Küche oder der Arbeitsplatz nicht aufgeräumt sind. Und die alten Mauern sind sehr hellhörig. Das Schöne für Kerstin Müller ist jedoch, ein eigenes Businessnetzwerk im Haus zu haben. Die Bewohnerinnen und Bewohner auf Zeit bringen ganz unterschiedliche Expertisen mit: als Coach, Web-Designerin, Marketing- oder Social-Media-Experte. „Wir tauschen uns untereinander aus und unterstützen uns bei der Arbeit. Normalerweise müsste man dafür viel Geld bezahlen. Und es ist schön, wie in einer großen Familie zu leben. Seine Ruhepunkte muss sich aber jede und jeder selbst suchen. Alles kann, nichts muss“, sagt Kerstin Müller. Inzwischen überlegt sie sogar, länger in der Gegend zu bleiben. In Berlin hat sie stellvertretend die Auszeichnung als digitaler Ort im Land der Ideen für das Projekt entgegengenommen. „Für mich bedeutet der Preis sehr viel. Es ist die Wertschätzung für das, was wir tun – in einem kleinen Ort am Ende Deutschlands. Wir haben dadurch auch Öffentlichkeit bekommen. Und für mich persönlich ist es die Anerkennung, dass es etwas Gutes ist, was ich hier tue.“ 

Erfahren Sie mehr über den ausgezeichneten digitalen Ort im Land der Ideen: Digitaler Zukunftsort – Wiederbelebung von Schloss Blumenfeld

ÜBER DEN WETTBEWERB

Digitale Projekte auf dem Land sichtbar machen und die Köpfe dahinter untereinander vernetzen – das sind die gemeinsamen Ziele von Deutsche Glasfaser und der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“. Daher wurde in diesem Jahr erstmalig der Innovationswettbewerb “Digitale Orte im Land der Ideen” ausgerufen. Aus 200 Einreichungen wurden im Juni die Gewinnerprojekte geehrt. Der Summer of Pioneers in Tengen ist eines von zehn Projekten, die beim Wettbewerb ausgezeichnet wurden. Nach und nach werden wir hier alle Preisträger vorstellen. Mehr Informationen zum Wettbewerb – etwa zur Ausschreibung, zur hochkarätigen Jury und den Preisträgern – finden Sie hier.

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