Konstruktiver Austausch auf Augenhöhe: darum ging beim Roundtable in Berlin. © Deutsche Glasfaser / Jana Legler
Die Smart Country Convention 2023 ist zu Ende. Drei Tage lang wurde auf der führenden Veranstaltung zur Digitalisierung der Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen auf und abseits von 4 Bühnen und zahlreichen Ständen über die Digitalisierung der Verwaltung und der öffentlichen Hand diskutiert.
Was deutlich wurde ist: Deutschland hat kein Erkenntnis- aber ein Umsetzungsproblem. Während es vielen Projekten und Kommunen gelingt, einzelne Herausforderungen zu lösen, gelingt es nicht, Deutschland flächendeckend in der Digitalisierung in dem Maße weiterzubringen. Aber woran liegt das? Wie machen wir aus dem Flickenteppich von guten Ideen ein funktionierendes System für die Kommunen?
Um dieser Frage nachzugehen, haben Deutsche Glasfaser und das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen eine Veranstaltung ins Leben gerufen, um im sektorübergreifenden Kreis von Entscheider*innen lokale Konzepte, Landes- und Bundesprogramme zu diskutieren. Was funktioniert gut? Was kommt bei den Kommunen an? An welchen Stellen muss nachgebessert werden?
Beim Roundtable haben wir besonders die Grundlage der Digitalisierung mit einbezogen: den Infrastrukturausbau und die Bedeutung der Kommunen. Zahlreiche Vertreter*innen aus Bund, Ländern, Kommunen und Wirtschaft sind der Einladung gefolgt, um unter der Moderation von Dr. Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin und Chefredakteurin des Behörden Spiegel, mitzudiskutieren.
Andreas Pfisterer, CEO Deutsche Glasfaser, sprach vor allem über die Grundlage der Digitalisierung: den nötigen Infrastrukturausbau, den Deutsche Glasfaser gemeinsam mit den Kommunen vorantreibe. Er bemängelte die Förderkultur des Bundes: dem eigenwirtschaftlichen Ausbau müsse Vorrang gegeben werden. Aus einem Fördertsunami im letzten Jahr sei inzwischen eine wahre Jahrhundertflut geworden. Derzeit sehe es auch deswegen für ihn nicht so aus, als ob die Bundesregierung an ihrem Ziel festhält, bis 2030 alle Haushalte in Deutschlang mit Glasfaser angeschlossen zu haben. Wenn der Markt weiterhin mit Fördermitteln überschwemmt wird und dadurch – wie bereits 2016/17 – die Tiefbaupreise in exorbitante Höhen gehen, werde es der eigenwirtschaftliche Ausbau deutlich schwerer haben – und das anvisierte Ziel 2030 unmöglich erreichen. Das Erfolgsrezept von Deutsche Glasfaser beim Netzausbau sei daher: auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam Großes gestalten.
Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, sprach über das Thema „Deutschland in die digitale Welt des 21. Jahrhunderts führen und gesellschaftlich und wirtschaftlich erfolgreich machen“.
Zunächst betonte er die insgesamt gute Zusammenarbeit mit den Infrastrukturanbietern Deutschlands: „Wir haben zwar einige Diskussionspunkte, aber in der Regel arbeiten wir gut zusammen.“ Er lobte den Multi-Stakeholder-Ansatz des Roundtables, so könne man über den besten Weg diskutieren. Grade die Nähe zu den Kommunen sei wichtig: Kommunale Vertreter wissen am besten, wo der Schuh drücke und seien daher wichtige Ansprechpartner für sein Ministerium. Das Gigabitziel des Bundes, bis 2030 Glasfaser in jedem Haushalt Deutschlands zu bringen, sieht er nicht in Gefahr und betonte die Steigerungsraten.
Das Ziel sei auch, die bürokratischen Wege zu vereinfachen. Für die Gigabitförderung stehen seitens des Bundes Mittel von 3 Mrd. Euro pro Jahr zur Verfügung, die Vergabe erfolge nach einem Punktesystem.
Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin Initiative D21 e.V., betonte, dass es ein Ökosystem der Digitalisierung brauche. „Wir brauchen Anwendungen, die auf der Infrastruktur aufsetzen.“ Der Mehrwert des schnellen Internets müsse erst noch erkannt werden. Durch Corona habe es einen Schub gegeben, dieser sei aber auch nur partiell erfolgt: Gut erkannt hätten den Nutzen vor allem Schulen und Unternehmen, deren Mitarbeiter*innen plötzlich im Homeoffice saßen.
Michael Salomo, Bundesvorsitzender und Sprecher des Netzwerks Netzwerk Junge Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V. und Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim brachte die Sicht der Kommunen mit ein. Ihn verärgere, dass man viele jetzt bestehenden Probleme schon lange antizipiere – und doch nichts unternommen habe: „Vor 18 Jahren haben wir die gleichen Themen diskutiert wie heute. Der Unterschied ist, vor 18 Jahren sprachen wir darüber, wenn 2023 über 1 Millionen Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst fehlen. Jetzt fehlen sie wirklich.“ Man habe riesige Probleme, die die Bevölkerung spüre, was sich bis in die Wahlen durchschlage. Das müsse motivieren, schneller zu werden.
Zudem fehle ihm der Gesamtpakt Deutschland: „Die Herausforderungen hängen alle zusammen, aber wir verstecken uns hinter Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.“ Von den Maßnahmen des Bundes hält er wenig: Diese würden eine Anschaffung, aber nicht die Instandhaltung, Inbetriebnahme sowie den laufenden Betrieb ermöglichen.
Frau Dr. Proll leitete nach den Impulsen zur Diskussion mit den knapp 30 weiteren Panelteinehmer*innen über. In dieser zeigten sich einige deutlich: „Wen interessiert das Gigabit, wir brauchen Glasfaser!“, sagte Daniel Domscheit-Berg, der sich für ein gemeinsames Infrastrukturziel einsetzte. Glasfaser sei zudem nicht mehr als Innovation zu betrachten, sondern als Notwendigkeit. Die Innovation seien die damit zu nutzenden Dienste. Beim Thema Ausbau stünden wir uns in Deutschland im Weg – und er warf der Regierung einen klaren Interessenkonflikt vor.
Die Themen seien lösbar, wenn wir auf die kleinstmögliche Ebene gingen. Föderalismus ist für ihn kein Nachteil, sondern ein klarer Vorteil. Die Menschen vor Ort in der Fläche wüssten am besten über ihre Bedarfe und Besonderheiten Bescheid.
Während die Förderpolitik des Bundes insgesamt kritisch betrachtet wurde, äußerte sich Holger Klötzner, Dezernent und Stadtrat für Digitalisierung und Schule der Stadt Darmstadt versöhnlicher: „Fördermittel sorgen für eine gewisse Standardisierung.“ Die Art und Weise wie es gehandhabt würde, sei gar nicht so verkehrt, sondern ein guter Kompromiss. „Wir müssen aber als Kommunen stärker zusammenarbeiten. Wir brauchen gemeinsame Ziele und gemeinsame Standards.“ Wenn man 10.000 Kommunen selbst entscheiden ließe, was sie machen wollen, gäbe es auch 10.000 Einzellösungen.
In den meisten Punkten waren sich die TeilnehmerInnen einig: es braucht Geschwindigkeit, weniger Fördermittel und mehr Vertrauen in die Kommunen. Dr. Carolin Pecho, Bürgermeisterin der Gemeinde Ringelai betonte letzteres: „Wir sind alle gewählte Vertreter und wissen, wie es vor Ort funktionieren kann.“ Was gebraucht würde sei daher Vertrauen – und Know-how. Der Fachkräftemangel sei in den Kommunen ein Riesen-Thema, implementierte Systeme müssten schließlich auch kompetent begleitet werden können. Demnach brauche es vor allem „einen Kompetenzaufbau, der Kommunen in die Lage versetzt, die Digitalisierung auch umzusetzen.“
Die Schlussworte hatten die Speaker Michael Solomo und Andreas Pfisterer. Salomo plädierte dabei: „Lasst uns endlich fertig werden mit der Glasfaser! Wir reden seit Jahren über das gleiche!“
Andreas Pfisterer zeigte sich zum Abschluss zuversichtlich „Wir sollten den Mut nicht verlieren, auch wenn es ein teils schmaler Grat ist.“ Wir sollten von anderen Ländern lernen: „Der Blick auf Dänemark zeigt, dass es geht!“ Nach dem Glasfaserausbau ginge es darum, das Ganze nutzbar zu machen, darauf sollten wir unsere Blicke richten.