Projektreferent Björn Kuhlenkamp von der Stiftung Digitale Chancen ist erster Ansprechpartner vor Ort für das Projekt „MoiN – Miteinander online im Norden.“
© Stiftung Digitale Chancen
Das soziale Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement leisten einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft in Deutschland, in Verbänden wie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) spielt beides eine zentrale Rolle. So wird die aktive Sozialarbeit in der AWO gemeinsam von ehrenamtlich Engagierten, Mitgliedern und hauptamtlichen Mitarbeitenden getragen. Wichtiges Anliegen der AWO ist es, alle engagierten Gruppen bestmöglich zu unterstützen. Der Landesverband Schleswig-Holstein tut dies zum Beispiel gemeinsam mit der Stiftung Digitale Chancen im Rahmen des Projekts „MoiN – Miteinander online im Norden“. Ziel des Projektes ist es, digitale Möglichkeiten zu nutzen, um ehrenamtliches Engagement und bürgerschaftliche Beteiligung in der AWO Schleswig-Holstein zu stärken. Björn Kuhlenkamp von der Stiftung Digitale Chancen begleitet das Projekt.
Herr Kuhlenkamp, können Sie kurz erzählen, wie die Idee zu MoiN entstanden ist?
Selbstverständlich. Die AWO Schleswig-Holstein hat sich das Ziel gesetzt, digitale Beteiligungsstrukturen für die Mitglieder zu schaffen, auch Wahlen sollen perspektivisch online durchgeführt werden. Die Mitglieder sind allerdings im Schnitt älter als 70 Jahre, das heißt: Sie sind nicht mit der Digitalisierung aufgewachsen. Deshalb ist es wichtig, diese Menschen online erst einmal abzuholen. Vor diesem Hintergrund ist das Projekt „MoiN – Miteinander online im Norden“ entstanden.
Letztendlich geht es uns darum, den ganzen Landesverband digitaler aufzustellen. Wir haben verschiedene Digitalisierungsangebote entwickelt, um Mitglieder und Ehrenamtliche enger zu vernetzen, ihr Engagement zu fördern und zu stärken und ihnen Beteiligung zu ermöglichen. Auch für Hauptamtliche haben wir passende Angebote.
Wie digital ist die AWO bisher?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt im Bundeverband schon länger sehr spannende Bestrebungen zur Digitalisierung, die teilweise schon sehr fortgeschritten sind. Im Landesverband muss man zwischen Haupt- und Ehrenamt trennen. Während das Hauptamt schon digital arbeitet, ist das Ehrenamt großenteils noch analog geprägt. Genau wie bei den Mitgliedern, haben wir es bei den Engagierten mit Menschen zu tun, die im Schnitt jenseits der 70 sind. Wobei der Wissenstand in puncto Digitalisierung unterschiedlich ist. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Wenn eine Vorstandsitzung in einem Ortsverein ansteht, lädt der oder die Vorsitzende dazu ein. Manche der Vorstandskolleg:innen sind per E-Mail zu erreichen, manche nicht. Da kommt die Einladung dann per Post oder die Vorsitzende wirft sie direkt in den Briefkasten. Das ist in der Zusammenarbeit nicht immer ganz einfach.
Das Beispiel zeigt auch, wo wir stehen: Wenn einige Menschen nicht per E-Mail zu erreichen sind, müssen unsere Angebote sehr grundlegende sein.
Apropos Angebote: Wie sehen diese konkret aus?
Wir setzen auf verschiedenen Ebenen an. Für die Mitglieder gibt es zum Beispiel das „Schnupperangebot – Smartphone, Tablet und das Internet für Senior:innen“. Bei diesem Angebot geht es darum, dass die Teilnehmenden einen Einstieg in die digitale Welt finden. Wir stellen Nutzungsmöglichkeiten vor, die den Alltag erleichtern, machen Mut und nehmen Ängste, indem wir Möglichkeiten zum Ausprobieren geben.
Damit vor Ort weiterführende Kurse stattfinden können, für die das Projektteam keine Kapazitäten hat, haben wir ein Fortbildungsangebot entwickelt: Die „Digital-Lots:innen-Schulung“. Sie richtet sich an Haupt- oder Ehrenamtliche und soll ihnen ermöglichen, anderen Menschen digitale Kompetenzen zu vermitteln. Wir gehen in der Schulung zum Beispiel der Frage nach, wie man herausfindet, welche Bedarfe die Menschen vor Ort haben. Letztendlich wollen wir mit diesem Angebot Strukturen schaffen, die auch dann Bestand haben, wenn das Projekt Ende Dezember 2024 ausläuft.
Bei unseren Schulungen für Hauptamtliche geht es vor allem um Methoden zur digitalen Zusammenarbeit: Serverstrukturen, wie man Dokumente abspeichert oder wie man gleichzeitig an verschiedenen Dokumenten arbeitet, ohne die Änderungen anderer Mitarbeiter:innen zu überschreiben.
Parallel zu den Schulungen beraten wir Orts- und Kreisverbände, die noch gar nicht wissen, was sie eigentlich brauchen.
Sie sprachen davon, dass mit dem Projekt das ehrenamtliche Engagement gestärkt werden soll. Wie kann die Digitalisierung konkret dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen?
Zu unserem Angebot gehört ein Grundkurs „Digitales Ehrenamt“. Hintergrund ist, dass es immer schwieriger wird, Ehrenamtliche zu gewinnen. Zudem möchten sich immer weniger Menschen an eine Organisation binden, sie ziehen es vor, projektgebunden aktiv zu sein. Die Folge ist, dass mehr Last auf den Schultern Einzelner liegt. Die Digitalisierung kann hier einen großen Beitrag zu einer besseren Selbstorganisation leisten: Zum Beispiel mit digitalen Kalendern, Erinnerungen und Notizen, die man auf allen verwendeten Geräten wiederfindet. Und selbstverständlich hilft die Digitalisierung auch Ehrenamtsgruppen, sich zu organisieren. Mithilfe digitaler Tools können sie sich zeit- und ortunabhängig austauschen. So lassen sich Arbeits- und Abstimmungsprozesse vereinfachen und Treffen vor Ort reduzieren. Für diejenigen, die die entsprechenden Anwendungen nicht kennen oder Hemmungen haben, sie zu nutzen, bieten wir diese Ehrenamtsfortbildung an. So wollen wir das Engagement vor Ort stärken und das Ehrenamt attraktiver machen. Kurz gesagt kann die Digitalisierung helfen, Last von den Schultern Einzelner zu nehmen.
Wie kann das Ehrenamt gerade in den ländlichen Regionen von der Digitalisierung profitieren?
Auf dem Land sind es vor allem die Wege, die für die Menschen zur Herausforderung werden. Ortsvereine schließen sich zusammen, zu Treffen muss man dann in den nächsten Ort fahren. Das funktioniert nicht mehr mit dem Fahrrad. Wie gesagt: Hier macht die Digitalisierung manchen Weg überflüssig.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie in dem Projekt?
Das sind sehr unterschiedliche. Ein Punkt ist, dass in ländlichen Regionen nicht überall das Internet so weit ausgebaut ist, dass es auch Spaß macht. Allerdings gab es da in den vergangenen Jahren große Fortschritte. Das ist nicht unser größtes Problem.
Ich habe es schon angesprochen: Um Schulungen vor Ort durchführen zu können, brauchen wir Ehrenamtliche, die das übernehmen. Allein schaffen wir das nicht. Dass die Zahl der Ehrenamtlichen sinkt, spüren auch wir in unseren Angeboten.
Wie sind die Reaktionen der Menschen, die an den Schulungen teilnehmen?
Da kommen wir zu einem Punkt, der mit das Schönste an unserer Aufgabe ist: Vor Ort zu sein und zu spüren und zurückgemeldet zu bekommen, dass unser Angebot einen echten Einfluss auf die Menschen hat. Es nimmt ihnen die Ängste und senkt die Hürden, sich auf den Weg in die digitale Welt zu machen. Wenn wir die personellen Möglichkeiten hätten, könnten wir noch viel mehr Schulungen anbieten. Das Interesse ist da.
Können auch andere Landesverbände von Ihren Erfahrungen profitieren?
Es gibt vom AWO-Bundesverband eine Gruppe zum Thema Digitalisierung, in der sich verschiedene Stabstellen der Landesverbände in einem losen Rhythmus alle vier bis acht Wochen treffen. Daran nehme ich teil und gebe die Erfahrungen weiter, die wir in Schleswig-Holstein sammeln. Umgekehrt nehme ich Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit. Ob MoiN gegebenenfalls auf andere Bundesländer ausgeweitet wird, muss man zum Ende der Projektlaufzeit sehen. Auf jeden Fall dokumentieren wir jetzt schon alles und erstellen Handouts, damit am Ende eine Übergabe mit dem gesammelten Wissensschatz stattfinden kann.
Projektstart für „MoiN – Miteinander online im Norden“ war am 1. Januar 2021. Von Anfang an dabei ist Björn Kuhlenkamp. Der 32-jährige Politikwissenschaftler ist ganz nah dran am Geschehen: Er sitzt direkt beim AWO-Landesverband Schleswig-Holstein in Kiel und führt in den Kreis- und Ortsverbänden Schulungen durch. Aus Berlin bekommt Kuhlenkamp Unterstützung von zwei weiteren Mitarbeiter:innen der Stiftung Digitale Chancen.
Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Die Laufzeit endet im Dezember 2024.
Mehr zum Thema Digitalisierung und Ehrenamt
Digitale Tools können das Ehrenamt auf vielfältige Weise stärken. Ein Beispiel ist die VoluMap: Eine App, die gemeinnützige Initiativen und Freiwillige zusammenbringt. Unterstützung auf dem Weg in die digitale Welt erhalten Vereine zum Beispiel beim Projekt Digitale Nachbarschaft. Wie gerade junge Menschen das Internet nutzen, um sich ehrenamtlich zu engagieren, lesen Sie im Blog-Beitrag „Ehrenamt online“.