Die Matching-Plattform bring-together ermöglicht es Menschen, die passenden Wohnprojekte zu finden. © bring-together
Ob in der Stadt oder auf dem Land, mit mehr oder weniger Nähe zum Nachbarn: bring-together hilft, eine Wohnform zu finden, die den eigenen Bedürfnissen entspricht. Dabei leistet die Plattform gleichzeitig einen Beitrag gegen die Vereinzelung in der Gesellschaft und für eine nachhaltige Lebensweise. Das Projekt wurde dieses Jahr beim Wettbewerb Digitale Orte ausgezeichnet und erhielt den Preis in der Kategorie Kultur und Soziales.
Die digitale Plattform richtet sich sowohl an Einzelpersonen, Paare oder Familien als auch an Genossenschaften, Baugruppen, Projektentwickler, Makler oder öffentliche Träger. Auch für Kommunen, die für den Umzug aufs Land werben möchten, ist sie interessant. Denn gerade in ländlichen Regionen kämpfen Gemeinden oft mit dem demografischen Wandel und Leerständen.
Karin Demming, Mitgründerin und Geschäftsführerin von bring-together, erklärt im Interview, wie die Plattform funktioniert und was nachbarschaftliche Gemeinschaften für das Lebensgefühl leisten können.
Sie haben mit bring-together beim Wettbewerb Digitale Orte in der Kategorie Kultur und Soziales gewonnen. Was macht Ihr Angebot so ausgezeichnet und was leistet es für das soziale Miteinander?
Uns ging es von Anfang an um die Frage: Wie können wir das Gemeinschaftliche fördern und der gesellschaftlichen Vereinsamung etwas entgegensetzen? Da lag es nahe, sich auf gemeinsames Wohnen zu konzentrieren. Gestartet sind wir mit einem Online-Magazin, in dem wir über die unterschiedlichen Konzepte gemeinschaftlicher Wohnprojekte berichteten, um Vorurteile abzubauen und zu zeigen, wie facettenreich Wohnen in Gemeinschaft sein kann.
In Zusammenarbeit mit einzelnen Projekten fanden wir heraus, dass es eine besondere Herausforderung ist, passende Mitbewohnerinnen und -bewohner für ein Projekt zu finden. Deshalb dauert es oft Jahre, ein neues Wohnprojekt umzusetzen. Auf dem Weg dorthin springen immer wieder Leute ab, für die das Projekt dann Ersatz braucht.
Mit unserer digitalen Plattform bringen wir Menschen mit ähnlichen Interessen oder Lebensentwürfen zusammen. Bei uns finden sich also Gemeinschaftsprojekte in der Ideen- oder Gründungsphase, Projekte in Planung, im Aufbau oder in Fertigstellung und bezugsfertige Projekte mit detaillierten Angaben zu Objekt, Ort und Konzept. Auf der anderen Seite legen Menschen, die sich einem Projekt anschließen möchten, ein umfangreiches Profil bei uns an. Beide Seiten können aktiv nach Gleichgesinnten suchen, erhalten anhand ihrer jeweiligen Angaben Matching-Vorschläge und können über die Plattform in Kontakt miteinander treten.
Welche Zielgruppen adressieren Sie mit Ihrer Plattform?
Anfangs haben wir uns vor allem auf die über 50-Jährigen konzentriert. In dieser Lebensphase ändert sich noch einmal viel, weil die Kinder aus dem Haus sind oder der Ruhestand bald ansteht. Dann passt eine neue Wohnform vielleicht besser zu dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, das dieser Gruppe besonders wichtig ist.
Wir haben aber schnell gemerkt, dass es auch jüngere Menschen gibt, die das Konzept spannend finden, die anders wohnen und den Sharing-Gedanken leben möchten. Vor allem während der Corona-Pandemie ist vielen aufgefallen, welche Entlastung die Gemeinschaft bietet – und daraus hat sich dann der Wunsch nach einer gemeinschaftlichen Wohnform entwickelt. Oft wollen diese Jüngeren auch ökologisch wohnen: Die übernehmen dann zum Beispiel Höfe oder betreiben zusammen einen Bioladen.
In der Corona-Zeit kam noch hinzu, dass insbesondere ältere Menschen angefangen haben, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen: Heute können die meisten von ihnen problemlos mit einer digitalen Matching-Plattform wie bring-together umgehen und sich vernetzen.
Mit bring-together stemmen Sie sich gegen eine ganze Reihe von Herausforderungen, die unser modernes Leben prägen: Es geht um die Vereinzelung in der Gesellschaft, aber auch der demografische Wandel auf dem Land spielt eine Rolle. Wie hängt das zusammen?
Unsere ursprüngliche Motivation war es, Konzepte gegen die Vereinzelung anzubieten, es kam aber so viel mehr dazu: kaum bezahlbarer Wohnraum in den Städten, Überalterung und Leerstand im ländlichen Raum. Es gibt auch immer mehr ältere Menschen, die allein in ihrem Einfamilienhaus oder in großen Wohnungen leben – bei gleichzeitigem Mangel an bezahlbarem Wohnraum für junge Familien.
Mit unserer Plattform ermöglichen wir es Einzelnen, selbst aktiv zu werden und für ihre eigenen Angebote wie z. B. Wohnen gegen Hilfe oder eine Senioren-WG Mitmacher:innen zu finden. Wir motivieren Menschen dazu, sich solche Modelle bei uns anzuschauen und sie selbst auszuprobieren.
Gerade für gemeinsames Wohnen sehen wir einen Trend zum Stadtrand oder ländlichen Raum. Hier finden sich noch Entfaltungsmöglichkeiten, zum einen, weil es dort mehr Leerstand gibt: zum Beispiel alte Bauernhöfe, die nicht mehr bewirtschaftet werden können. Sie bieten kreative Möglichkeiten für unterschiedliche Konzepte, die sich positiv auf den jeweiligen Ort auswirken. Aber auch ältere Menschen, deren Einfamilienhaus zu groß geworden ist, leben eher am Stadtrand. Die meisten unserer Gemeinschaftsprojekte befinden sich daher im ländlichen Raum.
Stehen Sie auch in Kontakt mit Gemeinden auf dem Land?
Im Augenblick scheitert das leider oft an den Ressourcen in einem Drei-Leute-Betrieb wie unserem. Mit den Wohninitiativen sind wir oft gut vernetzt, aber mit den Kommunen läuft es wahrscheinlich dann am besten, wenn man vor Ort ist.
Grundsätzlich haben die Gemeinden auf bring-together aber einen Platz: Wir haben die Projektprofile so angelegt, dass sie automatisch mit einem Gemeindeprofil verknüpft sind. Jede Gemeinde könnte ihr Profil zusätzlich mit eigenen Leuchtturmprojekten, Arbeitsmöglichkeiten oder Ansprechpartner:innen für wichtige Anlaufstellen ausbauen. Die technischen Möglichkeiten sind also schon vorbereitet.
Mit der Plattform bring-together haben Sie eine rein digitale Lösung auf die Beine gestellt, um Menschen für Wohnprojekte zu vernetzen. Wie funktioniert sie?
Bei uns meldet man sich wie bei einer Partnerbörse mit seiner Mailadresse und seinem Passwort an und legt entweder ein Projekt oder ein Profil an, je nachdem, was man sucht. Die jeweiligen Angaben werden nach den Kriterien des gemeinsamen Wohnens gewertet und gewichtet. Dabei gibt es auf der Plattform standardisierte Kriterien, die sich vergleichen lassen. Die Nutzenden suchen nach Region, Wohnart, Alter und nach weichen Kriterien wie z. B. persönlichen Bedürfnissen. Dann bekommen sie Angebote mit Bildern, Beschreibungen, Kosten und Kontaktmöglichkeiten angezeigt und beide Seiten erhalten Matching-Vorschläge. Diese kann man sich genau anschauen und mit dem Plus-Tarif miteinander in Kontakt treten. Natürlich gibt es noch mehr Funktionen, etwa Bewertungen. Man kann seine favorisierten Projekte auf die Merkliste setzen oder auch Gruppen gründen.
Ganz wichtig zu erwähnen: Wir sind eine aktive Plattform und nicht einfach nur eine Datenbank. Die Projekte und Profile werden bei uns im regelmäßigen Turnus nach Aktivität überprüft, damit man sich recht sicher sein kann, dass die Suchintention noch da ist, wenn man jemanden anschreibt. Im Jahr vermitteln wir ca. 6.000 Menschen. Aktuell sind ca. 65.000 bei uns angemeldet.
Welche Bedürfnisse sind denn relevant, wenn ich Menschen für ein gemeinsames Zuhause suche?
Es geht zum Beispiel um Aspekte wie Rückzugsmöglichkeiten oder die Balance zwischen Gemeinschaft und Privatleben. Deshalb haben wir die Gemeinschaftsform in drei Kategorien aufgeteilt: Bei „Nachbarschaftlich Wohnen“ überwiegt die Privatsphäre und jeder hat noch seine eigenen Bereiche. Dann gibt es die „Lebensgemeinschaft“ mit geteilten Finanzen und die dritte Variante „Gemeinschaftlich Leben“, bei der Privatsphäre und Gemeinschaftsleben ausgeglichen sind. Dazu zählen z. B. Mehrgenerationsprojekte, in denen einzelne Räume oder Gerätschaften geteilt werden. Aber auch Bedürfnisse in Bezug auf die Ernährungsgewohnheiten, Haustiere oder der Klassiker Ordnung und Kompetenzen der Mitbewohner:innen spielen eine Rolle.
Für ein Zusammenleben braucht es Regeln, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen. Wir versuchen in den Workshops auf unserer Plattform dafür ein Bewusstsein zu schaffen: Was ist nötig, um so ein Projekt zu realisieren? Wie sieht ein Planungsmanagement aus? Es gibt auch Überlegungen, bei bring-together künftig eine Rechtsberatung mit ins Boot zu holen.
Wie entwickelt sich Ihr Projekt weiter?
Wir haben eine neue Kooperation, mit der wir demnächst starten: Gemeinsam mit pme Familienservice bieten wir einmal im Quartal digitale Veranstaltungen zu Pflegewohngruppen an, die gefördert werden. Dort leben Menschen mit Pflegegrad zusammen in einer Wohnung oder einem Haus. Dabei werden sie oft von Angehörigen oder anderen Bewohnern unterstützt. Anders als im Pflegeheim bestimmen sie in der Pflege-WG selbst, wie der Alltag organisiert und die Pflege gestaltet wird. Ich glaube, das kann auch die Situation in ländlichen Kommunen entlasten, wo Einzelpersonen von Pflegediensten aus zeitlichen Gründen oft gar nicht mehr angefahren werden können.
pme bringt sein eigenes Netzwerk bei uns ein und berät Familienangehörige zum Thema Pflege-Wohngruppen – und wir haben unser Matching erweitert: Wer eine Pflege-WG sucht oder eine gründen möchte, gibt im Profil den Pflegegrad und zusätzlich zu seinen jeweiligen Bedürfnissen auch seine Einschränkungen an. Das Anlegen der Profile wird in der Realität meist von den Angehörigen übernommen.
Ich selbst komme ursprünglich aus der Pflege und freue mich, dass wir mit diesem Modell etwas gefunden haben, das in Zeiten des Pflegenotstands Alternativen aufzeigt. Die Verknüpfung mit dem Beratungsangebot hilft uns auch, unsere Lernplattform weiter auszubauen. Der nächste Schritt wären dann weitere niederschwellige Angebote rund um gemeinschaftliche Wohnformen.
Die digitale Matching-Plattform bring-together ist eine Kontaktbörse für gemeinsames Wohnen und soziales Zusammenleben. Sie verbindet Menschen und passende gemeinschaftliche Wohnprojekte. Ziel ist es, die Vereinsamung in der Gesellschaft zu verringern und eine solidarische, nachhaltige Lebensweise zu stärken. Das Matching erfolgt über einen Algorithmus, der persönliche Bedürfnisse, Lebensweise und persönliches Raumempfinden berücksichtigt.
Hinter bring-together stehen die sozialen Gründer:innen Karin Demming, Mary-Anne Kockel und Christoph Wieseke. Mit ihrem Projekt konnten sie den Wettbewerb Digitale Orte 2024 in der Kategorie Kultur und Soziales für sich entscheiden.
https://www.bring-together.de/de/plattform
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