Zusammen mit seinen Partnern hat sich der Umwelt-Campus Birkenfeld das Ziel gesetzt, die Logistik zu regionalisieren. Dafür entwickelt das Projektteam einen digitalen Zwilling, der alle Akteure abbildet. © erstellt mit ChatGPT
Schätzungen zufolge stoßen Menschen, die auf dem Land leben, durch ihr Mobilitätsverhalten 83 Prozent mehr CO2 aus als dieselbe Anzahl an Einwohner:innen in der Stadt. Im Forschungsprojekt GreenTwin haben sich vier Partner das Ziel gesetzt, das zu ändern. Sie arbeiten an einer KI-gestützten, dezentralen Marktplatzplattform, die helfen soll, die Logistik auf der letzten Meile effizienter zu organisieren. Jens Schneider, vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, gehört zum Koordinationsteam und erklärt im Interview, wie die Projektpartner ihr Ziel erreichen möchten.
Herr Schneider, vor welchem Hintergrund kam es zu dem Projekt?
Der Umwelt-Campus Birkenfeld befindet sich in einer sehr ländlichen Region, etwa 50 Kilometer südöstlich von Trier, einer Stadt, die eher Regiopole als Metropole ist. Die Probleme, vor denen die Menschen auf dem Land stehen, bekommen wir aus direkter Nähe mit: Die Nahversorgung ist schwierig, es fehlen Ärzte, jede und jeder ist aufs Auto angewiesen. Das verursacht einen hohen CO2-Ausstoß. Hinzu kommt: Für ältere Menschen, die kein Auto mehr fahren, und Menschen, die sich kein Auto leisten können, bedeutet die schlechte Nahversorgung eine geringere Lebensqualität, insgesamt verliert der ländliche Raum an Attraktivität. Dieses Problem wollen wir im Rahmen des Forschungsprojekts mithilfe von Künstlicher Intelligenz angehen. KI ist einer unserer Forschungsschwerpunkt hier in Birkenfeld.
Zusammen mit ihren Partnern erforschen Sie eine KI-gestützte, dezentrale Markplatzplattform, die Informationen über CO2-Emissionen und Logistik-Dienste miteinander verknüpft. Können Sie etwas genauer die beschreiben, was die Plattform leisten soll?
Die Idee ist, Produktion und Logistik zu regionalisieren. Das heißt: Wir wollen die Abhängigkeit von den großen Online-Plattformen und Lieferdiensten reduzieren und stattdessen die Anbieter und Händler aus der Region stärken, indem wir sie in eine Plattform integrieren. Es wird sich um einen offenen Marktplatz handeln, an dem alle Anbieter sowie die Bewohner der Region als Kunden teilhaben können.
Und wie kommt die KI ins Spiel?
Hinter der Plattform steht ein digitaler Zwilling, der die komplette Region mit all seinen Akteuren, Händler und Einkaufende, abbildet. Wie verhalten sie sich? Wo gibt es Bedarfe? Wir werden diese gedeckt? Es wird einen initialen Zustand geben. Dafür wollen wir unterschiedliche Daten verwenden, zum Beispiel Zensusdaten, Daten aus Verkehrszählungen und aus Umfragen, die wir durchführen. Und dann möchten wir erforschen, wie wir das fortlaufend aktualisieren können. Der digitale Zwilling soll sich fortwährend an die reale Welt anpassen.
Basierend auf den Daten simuliert der digitale Zwilling mithilfe Künstlicher Intelligenz verschiedene Szenarien und leitet daraus Empfehlungen für die Verbraucher ab. Über den Markplatz können die Verbraucher erfahren, wo sie das, was sie brauchen, am besten bestellen. Indem das System mehrere Händler verknüpft und die Einkäufe bündelt, erreichen wir, dass die vielen Einzelfahrten durch Lieferverbünde ersetzt werden. Ergänzend dazu planen wir Smart Hubs, also Container, die in Dörfern stehen sollen, wo man Dinge des täglichen Bedarfs bekommt und wo man Bestellungen abholen kann. Ziel ist es, die Prozesse so effizient wie möglich zu steuern, damit zum einen der CO2-Ausstoß sinkt, und zum anderen die Menschen gut versorgt sind.
Sie sind mit dem Projekt Anfang März dieses Jahres gestartet. Wo stehen sie aktuell?
Wir sind noch in der konzeptionellen Planung. Wir schauen, wo wir die Daten herbekommen, mit denen wir den digitalen Zwilling füttern wollen. Wir akquirieren Partner, also lokale Händler und Gemeinden, für den späteren Pilotbetrieb.
Inwiefern wird die Plattform den Kommunen zugutekommen?
Wenn sie funktioniert, können wir den CO2-Ausstoß senken, die lokalen Unternehmen stärken und die Lebensqualität für die Menschen vor Ort steigern. So kann die Plattform einen Beitrag dazu leisten, den ländlichen Raum attraktiver zu machen. Die Effekte der Plattform möchten wir den Kommunen mithilfe eines Dashboards veranschaulichen. Es soll die CO2-Einsparungen anzeigen, wie das System genutzt wird und wie die Einzelhändler profitieren. So möchten wir die Kommunen motivieren, die Plattform mit voranzutreiben und für die Nutzung zu werben. Je mehr Unternehmen und Verbraucher sich beteiligen, desto besser funktioniert die Plattform.
Das Projekt GreenTwin wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unter dem Förderprogramm „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“ mit rund 2 Millionen Euro gefördert. Insgesamt vier Partner sind an dem Projekt beteiligt: