Eine abgelegene Garage, ein verkanntes Genie, ein harter Aufstiegskampf – die Zutaten für eine Unternehmensgeschichte wie aus Hollywood kennt man inzwischen zur Genüge. Dabei ist gerade die deutsche Gründerszene deutlich facettenreicher und der Weg zur eigenen Firma in jedem Fall eine filmreife Leistung. Zwei Dinge sind zum Gründen allerdings unverzichtbar: Mut und eine Idee, von der man überzeugt ist. Ob es sich dabei um eine neue App oder Apfelsaftsorte handelt, spielt keine Rolle.
Für das eigene Start-up muss man sicher nicht alles stehen und liegen lassen, finden viele Gründer: Laut KfW Gründungsmonitor gab es 2020 rund 377.00 Nebenerwerbsgründungen, verglichen mit „nur“ 228.000 Haupterwerbsgründungen. Und das nicht ohne Grund, denn der nebenerwerbliche Start bietet einige Vorteile.
So lastet auf den neuen Chefs erst einmal deutlich weniger Druck, schnell erfolgreich zu werden – für das alltägliche Leben ist schließlich gesorgt. Das ermöglicht es, die eigene Idee sukzessive weiterzuentwickeln und das eigene Produkt zu perfektionieren.
Gerade für Start-ups ist dieser Prozess nicht zu unterschätzen, denn eine Gründung entspringt häufig einer echten Leidenschaft, sei es für gesunde Ernährung oder Informatik. Diese Passion zu erhalten fällt oftmals leichter, wenn sie nicht von Wirtschaftlichkeit überschattet wird. Produkt und Entwickler können gemeinsam wachsen und sich an die Bedürfnisse des Marktes anpassen – sehr zur Freude der Kunden.
Viele nebenberuflich Selbstständige verfügen über eine gute Liquidität. Für sie ist es kein Problem, wenn gerade einmal Flaute auf dem Markt herrscht. Zudem können sie nicht nur die Einkünfte des Nebenerwerbs, sondern auch des Hauptberufes in ihr neues Unternehmen investieren und das Wachstum so individuell steuern. Ist es an der Zeit, Vollzeit-Innovator zu werden und sich mutig in die vollständige Selbstständigkeit zu stürzen, fällt dieser Übergang dank Investitionen und Reserven leicht: Das Unternehmen ist bereits herangewachsen und steht auf festen Füßen, statt wacklige erste Schritte zu wagen.
„Das geht doch besser!“ Es gibt wohl kaum einen Gedanken, der mehr zündende Ideen und darauf basierende Firmen hervorgebracht hat, als dieser. Genau so war es bei Gastfreund aus Kempten im Allgäu. Nachdem Marc Münster und Dominik Haßelkuss auf Reisen immer wieder die alten Gästemappen mit losen Zettelsammlungen in die Hände fielen, nahmen sie sich vor, dieses Relikt der Hotellerie zu modernisieren.
Die digitale Gästemappe entwickelten die Gründer anfangs neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit, inzwischen wurde die entstandene App über 350.000-mal heruntergeladen und informiert Hotelgäste über die jeweiligen Hygieneregeln, Speisekarten und Ausflugsziele. Obwohl die Anwendung stetig weiterentwickelt wurde und immer mehr Funktionen anbietet, empfehlen die Firmeninhaber angehenden Gründern, sich gerade zu Beginn auf die eigene Kernidee zu fokussieren und diese auszuarbeiten.
Neben ihrem Geschäftsmodell stand für die beiden Start-up-Chefs auch fest, dass sie in der Heimatstadt Kempten bleiben wollen. Dass es im Allgäu zu dieser Zeit nur wenige Möglichkeiten zur kreativen Entwicklung gab, konnte sie nicht aufhalten: Sie schufen kurzerhand selbst ein Unternehmen, das jungen Allgäuern heute ermöglicht, sowohl in der zukunftssicheren Digitallandschaft zu arbeiten als auch in der Heimat zu leben. Für mutige Entscheidungen muss es eben nicht immer Hamburg oder Berlin sein.
Dass es auch abseits der Start-up-Metropolen geht, merkten auch die jungen Gründer von Mymuesli, die für ihr Studium nach Passau zogen. 2007 hören die Studenten Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock bei einem gemeinsamen Trip zum See den Radiospot einer namhaften Müslifirma – und sind wenig begeistert. Als Gegenentwurf zu drögem Müsli mit Zutaten, die sie nicht mögen, entwickeln sie die Idee eines Online-Shops in denen sich Kunden ihr Müsli individuell zusammenstellen können.
Von den ernüchternden Prognosen ihrer Umfrage – keiner der 1.000 Befragten gab an, man würde Müsli online kaufen – lassen sich die drei Macher nicht entmutigen. Sie glauben an ihr „Baby“ und treiben das Projekt neben dem Studium beherzt voran. Den Online-Shop programmieren sie selbst, die kleine Manufaktur im ersten Stock in der Passauer Fußgängerzone ziehen sie genauso eigenständig hoch. Nur 3.500 € Gründungsinvestition hatten die Freunde damals zur Hand, 13 Monate später setzt ihr Shop die erste Million um.
Das Start-up agiert anfangs nur online und profitiert damals von den noch jungen sozialen Medien sowie einer Blogger-Szene, die früh über das junge Unternehmen berichtet. Und zwar so viel, dass auch klassische Medien plötzlich über die „verrückten“ Müsli-Enthusiasten berichten wollen. Schnell gewinnt Mymuesli an Bekanntheit und Kunden.
Aus dem erfolgreichen Online-Versandhandel für Müsli ist längst ein vielseitiges Business geworden, das nicht nur eine breite Produktpalette vertreibt, sondern auch über 30 Läden in ganz Europa eröffnet hat. Angesichts des Erfolges scheint die Idee heute gar nicht mehr so verrückt: 59,6 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018 sprechen eine deutliche Sprache.
Die DIY-Einstellung der drei Freunde hat sich ausgezahlt. Ihre Story verdeutlicht, worum es bei Gründungen wirklich geht: Mutiges Anpacken und der Glaube an die eigene Idee – auch wenn andere die Vision nicht immer teilen. In einem Interview mit der FAZ bringt es Max Wittrock mit einem Zitat von Henry Ford noch einmal auf den Punkt: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie geantwortet: schnellere Pferde.“
Doch nicht alle Gründungsgeschichten handeln vom Aufstieg zu millionenschweren Firmen. Letztlich geht es für viele Gründer auch darum, eine sinnstiftende Tätigkeit zu finden und sich für etwas einzusetzen, das zählt.
So erging es beispielsweise Obstbauer Georg Schneider aus Edingen. Bei einem Fortbildungsjahr in Frankreich fallen ihm auf dem dortigen Bauernhof ganz besondere Äpfel auf: Sie haben rotes Fruchtfleisch. Vor den Augen des französischen Lehrers können diese nicht bestehen, zu klein, zu sauer – kurzum nicht wirtschaftlich.
Doch Schneider fasst sich ein Herz und bringt die Sorte mit nach Deutschland und „adoptiert“ sie. Über Jahre züchtet er verschiedene Kreuzungen seines Zöglings, bis er die perfekte Version findet. Daraus presst er den leuchtend roten „Stiefkind“-Saft, ein säuerlicher Apfelsaft, der sich bewusst gegen die zuckrige, gelbe Konkurrenz auflehnt.
Den Saft vertreibt Schneider im Familienbetrieb über seinen Hofladen und einen Online-Shop. Angesichts einer so tollen Geschichte und dem ansprechenden Design, würde es nicht wundern, wenn der Saft bald in angesagten Gastrobetrieben über die Theke gehen würde.
Ob App-Entwicklung, Versandhandel oder Obstzucht: Was Gründer eint, ist Mut, Überzeugung und Leidenschaft. Die intrinsische Motivation ist kaum zu überbieten und nicht selten der Weg zum Erfolg. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Branche man tätig ist oder ob man sich gleich hauptberufliche ins Start-up werfen möchte. Gerade nebenberufliche Gründungen bieten für viele Ideen und den Kopf dahinter das richtige Umfeld, sich auf die schnelllebige Geschäftswelt vorzubereiten und durchzustarten.