Bessere Vorhersagen bei Unwetter - Digitales Bürgernetz

Katastrophenschutz: Frühe Warnung vor dem nächsten Starkregen

#Gemeinschaft 2. Juli 2024

Digitale Tools melden steigende Flusspegel in gefährdeten Regionen © unsplash/Nazrin Babashova

In den vergangenen Jahren haben einige Regionen in Deutschland erlebt, was Regen und Hochwasser anrichten können. Besonders stark betroffen waren 2021 das rheinland-pfälzische Ahrtal und das südliche Nordrhein-Westfalen; vor wenigen Wochen, im Frühjahr 2024, traf es vor allem Bayern und Baden-Württemberg. Doch auch viele andere Regionen in Deutschland sind Risikogebiete: Vor allem an der Küste oder längs der großen Flüsse Elbe, Donau oder Rhein gibt es regelmäßig Hochwasser – und mit dem Klimawandel kommen solche Ereignisse sogar noch häufiger vor.

Katastrophenschutz braucht lokale Datennetze

Das Tückische: Lokaler Starkregen, Unwetter und Überflutungen lassen sich oft nicht einfach mit dem Blick auf die Wettervorhersage prognostizieren. Deswegen haben in den vergangenen Jahren viele Kommunen angefangen, sensorgestützte Frühwarnsysteme zu installieren. Ein Beispiel: das Hochwasserschutzsystem 4.0 im Bergischen Land, wo der Wupperverband mit seinem umfangreichen Messnetz die Situation im gesamten Wuppereinzugsgebiet erfasst. „Wir wissen, dass Hochwasserereignisse und urbane Sturzfluten immer häufiger auf uns zukommen werden. Wir müssen also schneller und besser reagieren, unter anderem indem wir die Meldesysteme verbessern und ausbauen“, erklärt Christian Förster, Leiter Fachinformationssysteme & Datenanalytik beim Wupperverband, das Projekt, bei dem eine KI die Daten analysieren und Warnungen geben soll. „Wir brauchen eine Lösung, die zum Beispiel ganz gezielt die Anwohner in der Kohlfurth, einem Stadtbezirk entlang der Wupper in Wuppertal informiert, dass die Pegelstände dort in kurzer Zeit stark steigen werden – und zwar am besten mit mehr Vorlaufzeit, als wir es heute können. Wichtig wäre auch die Anbindung an die Krisenstäbe, um beispielsweise das Stromnetz abzuschalten oder Bezirke zu evakuieren.“

 

Eine solche Lösung gibt es im kleineren Maßstab bereits im bayerischen Markt Ergoldsbach. Die Gemeinde hatte im vergangenen Jahr ein smartes Hochwasser-Frühwarnsystem erprobt und mittlerweile durch Bodenfeuchtesensoren und Wetterstationen ergänzt: Künstliche Intelligenz analysiert lokal erhobene Wetterdaten und alarmiert bei Überschreitung kritischer Messwerte automatisch die Bevölkerung und Einsatzkräfte. Zu dem verwendeten Starkregen-Frühalarmsystem (FAS) des Unternehmens Spekter gehört eine App. Gewarnt werden kann jedoch auch via E-Mail, SMS, Messengerdienst oder automatisiertem Anruf. Das bayerische Digitalministerium fördert die Entwicklung im Rahmen des Projektes „Kommunal? Digital!“ – das bedeutet: Im Anschluss soll das System anderen Kommunen als Best-Practice-Beispiel zur Verfügung stehen.

Mann steht mit dem Rücken zum Fenster und schaut auf sein Mobiltelefon.
Warnung aufs Handy: Die Frühwarnsysteme nutzen viele unterschiedliche Kanäle, um Betroffene zu erreichen. © unsplash/Thom Holmes

„Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern für die Menschen da. In Ergoldsbach nutzen wir innovative Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, um die Bevölkerung besser zu schützen und die Kommunen resilienter gegen Extremwetter zu machen“, sagte der bayerische Digitalminister Fabian Mehring bei einem Besuch in Ergoldsbach.

Das neue KI-Warnsystem für Unwetter nutzt Daten von 35 örtlichen Wetter- und Pegelsensoren im Gemeindegebiet, um lokale Extremwettersituationen künftig besser und ortsgenau vorhersagen zu können. Dabei werden beispielsweise Niederschlagsmenge, Feuchtigkeit, Temperatur, und Windrichtung sowie die Pegelstände an Gewässern gemessen. Für die Vorhersage künftiger Wetterentwicklungen fließen zudem meteorologische Daten des Deutschen Wetterdienstes in das System ein und werden in Echtzeit ausgewertet.

Digitale Zwillinge helfen bei der Prognose

Andere Kommunen nutzen digitale Zwillinge, um ihre Prognosen zu verbessern. So hat beispielsweise das bayerische Schwabach jüngst ein Modell vorgestellt, mit dem sich Hochwasser innerhalb der Ortschaft simulieren lässt und so Risikogebiete sichtbar werden. Der Schwabacher digitale Zwilling soll auch bei der Erstellung von Evakuierungsplänen helfen, damit die Gemeinde schnell reagieren kann.

„Wir können sehen, wo tendenziell Keller oder Straßen unter Wasser stehen werden, wo die Schwabach ihr Flussbett erweitern wird, um dementsprechend auch baulich vorsorgen zu können“, erklärt Digital-Lotse Jan Müller-Kaderschafka dem Bayerischen Rundfunk.

Neben Hochwasserrisiken zeigt das Modell an, wo sich Hitze staut und Begrünungsmaßnahmen Abhilfe schaffen könnten. Die Stadtplanung soll solche Hitzeinseln künftig vermeiden, indem Frischluftschneisen, Grünflächen und Dachbegrünungen integriert werden.

Digitale Vernetzung von Einsatzkräften

Die frühe Warnung reicht jedoch nicht aus, damit Kommunen im Katastrophenfall schnell reagieren können – auch bei der Koordination der Einsatzkräfte sind digitale Dienste gefragt.

So hat beispielsweise die Stadt Bamberg eine digitale Lagekarte und ein digitales Dashboard entwickelt, das alle Organisationen – darunter z. B. Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, das Technische Hilfswerk, Leitstellen und die Kreisverwaltungsbehörden – miteinander verbindet und einsatzrelevante Informationen anbietet. „Das können je nach Situation Pegelstände von Gewässern, Wetterdaten, Verkehrsströme oder auch die Auslastung der Krankenhäuser sein. Dabei soll jede Stelle das Dashboard so anpassen können, wie es den jeweiligen Anforderungen und Nutzerrelevanz entspricht“, sagt Jochen Dürst, ehrenamtlich im Katastrophenschutz der Stadt Bamberg tätig, im Interview mit Digitales Bürgernetz.

Auch einer der aktuellen Gewinner des Wettbewerbs Digitale Orte hat eine solche Einsatzsoftware umgesetzt: Firemon 112 unterstützt die Freiwillige Feuerwehr im ländlichen Raum bei der Vorbereitung auf Einsätze, zeigt Einsatzdepeschen an und ergänzt Informationen zum Einsatzort. „Digitale Hilfsmittel ermöglichen es den Feuerwehren, schneller und besser koordiniert zu arbeiten. Dies führt zu kürzeren Reaktionszeiten und einer effektiveren Hilfe für Menschen in Notlagen“, sagt Projektinitiator Patrick Moldenhauer. „Firemon 112 adressiert das Problem des Informationsdefizits, dem Einsatzkräfte in kritischen Momenten ausgesetzt sind. Statt auf die nur groben Einsatzinformationen angewiesen zu sein, die erst auf dem Feuerwehrfahrzeug im Gerätehaus über Funk bei der Leitstelle eingeholt werden können, erhalten Kameradinnen und Kameraden schon bei der Alarmierung sofort alle bisher verfügbaren Informationen.“

Mit diesem Konzept ist seine Software erfolgreich: Firemon 112 wird mittlerweile von einigen anderen Feuerwehren genutzt und verbessert so die Koordination beim Einsatz.

Frühwarnsysteme

Neben lokalen Frühwarnungen für bestimmte Regionen gibt es auch deutschlandweite Alarmsysteme. So warnt beispielsweise Cell Broadcast über die Mobiltelefone vor Katastrophen und Notfällen und erreicht damit die meisten Menschen in Deutschland.

Ebenfalls weit verbreitet ist die Warn-App NINA: Sie zeigt Warnmeldungen des Bevölkerungsschutzes, aber auch Meldungen des Deutschen Wetterdienstes und Informationen über Hochwasser.

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