Wie wird ein Kind 30 Jahre in der Zukunft kommunizieren? Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler der Universität Tübingen, erwartet: „Das Kind wird seinen Pullover anziehen, auf seinen Ärmel blicken und dieser Ärmel wird gleichzeitig ein fluoreszierender Bildschirm sein.“
Der Wissenschaftler ist eine von 21 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik, die vom Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main für eine Dauerausstellung befragt wurden. Unter dem Titel „21 Köpfe denken Zukunft“ stellen die Experten ihre Perspektiven auf die Kommunikation im 21. Jahrhundert zur Diskussion.
Peter Zoche, Vorstand des Freiburger Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (FIFAS), geht zum Beispiel davon aus, dass ein Kind in 30 Jahren mit Implantaten oder intelligenten Brillen „diskret“ kommunizieren wird.
Verschmelzen Mensch und Technik zu einer Einheit? Verständigen wir uns bald über Kleidung oder in uns eingebaute Sensoren? Prof. Dr. Patrick Baudisch vom Hasso-Plattner-Institut, einer der 21 Köpfe, bringt eben diesen Aspekt zur Sprache: „In Zukunft werden die Geräte in den Körper reingehen. Das wirkt auf den ersten Blick schockierend. Aber denken Sie einmal darüber nach, wie viel Technologie schon heute in unseren Körpern drin ist.“.
Inhaltsverzeichnis
1. Mensch redet mit Maschine – neue Möglichkeiten der Digitalisierung
2. Abschied vom Telefon – Kommunikation und Augmented Reality
3. Mensch und Technik als Einheit
Zukunftsvisionen können, müssen aber nicht wahr werden. Was man aber heute schon erleben kann, sind Entwicklungen, bei denen Menschen mit Maschinen „reden“. Wissen Sie zum Beispiel immer, wer Ihnen da antwortet, wenn Sie bei Ihrer Versicherung etwas nachfragen?
Chatbots oder intelligente Sprachsysteme kommen heute schon dort zum Einsatz, wo es um viele Routineprozesse geht. Einfache Anfragen, die immer wieder auftauchen, kann die Künstliche Intelligenz (KI) beantworten. Bei einer großen deutschen Versicherung etwa, nimmt sich die KI in Form eines Sprachportals bereits wichtige Kommunikationsaufgaben vor. Sie identifiziert die Kunden, kann das Anliegen abklären und direkt an den richtigen menschlichen Mitarbeiter weiterleiten oder auf den Self-Service der Website hinweisen.
Letztlich sind Bots Dialogsysteme, die eine Sprach- oder textgesteuerte Kommunikation ermöglichen. Sie stehen etwa hinter den Assistenzsystemen Alexa, Cortana oder Siri und haben schon heute einen großen Einfluss auf unsere alltägliche Kommunikation.
Wir wollen wissen, wie das Wetter wird, welche Zutaten für ein Kartoffelgratin notwendig sind, den neuesten Titel unserer Lieblingsband hören? Für die beliebten Helfer scheint keine Herausforderung zu groß, in Sekundenschnelle liefern sie die gewünschten Daten.
Alexa etwa lässt auch das Telefonieren zu, ohne dass ein Mobiltelefon greifbar ist. Wann immer jemand gerade sein Smartphone nicht zur Hand hat oder es nicht benutzen will, kann er einfach per Sprachbefehl anrufen. Das gewährt in Sachen Kommunikationsmittel noch mehr Freiheiten und Komfort als bisher.
Eine Zeitalter ohne Smartphones? Für viele von uns derzeit kaum vorstellbar. Doch es gibt bereits Entwicklungen für tragbare smarte Anwendungen, die ein Smartphone überflüssig machen könnten. Zum Beispiel das „Smart Necklace“, ein Halsband mit Mikrofon und Kamera, das per Sprache bedient wird.
Ebenfalls tragbar sind Augmented Reality (AR) Brillen, mit denen Inhalte eines Displays ins Blickfeld projiziert werden. Die Brillen werden bereits von diversen Unternehmen entwickelt – auch wenn sie in ihrer jetzigen Form noch nicht den Weg in unseren Alltag gefunden haben. Heute wird schon darüber spekuliert, dass diese Brillen unsere Wahrnehmung der realen Welt verbessern, und unsere Kommunikationswege nachhaltig verändern könnten. Sie kommunizieren unauffällig mit dem Träger und übermitteln zusätzliche Daten oder virtuelle Objekte. Mögliche Einsatzgebiete sind zum Beispiel Produktdesign und Medizin aber auch Logistik und Produktion.
Experten prognostizieren schon, dass diese Brillen in rund 15 Jahren womöglich das Smartphone ersetzen könnten, weil sie auch in der alltäglichen Kommunikation zum Einsatz kommen werden. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg jedenfalls scheint von der Zukunftstauglichkeit der AR überzeugt, wie er in Interviews betont. Sein Unternehmen hat in den USA eine eigene Brillen namens „Meta Quest“ (ehemals Oculus Quest) auf den Markt gebracht.
„Mixed Reality“ bietet die „HoloLens“ von Microsoft schon seit einigen Jahren. Diese „Brille“, ein auf dem Kopf getragenes Display, wird über Kopfbewegungen und Gesten gesteuert. Hier sorgen Laser und Spiegel statt der sonst üblichen LEDs für eine realitätsnahe Ansicht. HoloLens macht die Interaktion des Trägers mit dreidimensionalen Hologrammen möglich.
Videokonferenzen mögen heute noch Stand der Technik sein, die Zukunft gehört jedoch vielleicht den Hologrammen. Das Zeitalter der Projektionen könnte nämlich näher sein als gedacht: Die neueste Entwicklung und Fortsetzung der HoloLens ist Microsoft Mesh. Dabei werden dreidimensionale Videoaufnahmen eines anderen Menschen an Spezialbrillen übertragen. So können beide Kommunikatoren virtuell nebeneinander erscheinen und miteinander kommunizieren.
Die Verschmelzung des menschlichen Körpers mit Hightech ist das „Brain-Computer-Interface“ (BCI). Es basiert auf der Tatsache, dass allein die Vorstellung eines Verhaltens Veränderungen in der Aktivität des Gehirns auslöst. Wer sich nur vorstellt, seinen Arm zu bewegen, aktiviert Bereiche in der Großhirnrinde, die Bewegungen steuern.
Die Medizin setzt Hoffnungen auf solche BCI bei Patienten mit Schlaganfällen oder neurodegenerativen Erkrankungen, welche den Menschen bewegungsunfähig machen. Sie ermöglichen den Erkrankten damit eine bessere Verständigung mit ihrer Umgebung.
Wohin auch immer die Reise gehen mag – es bleibt spannend zu erleben, wie Unternehmen immer neue Technologien präsentieren, wovon manche wohl unser Kommunikationsverhalten verändern werden. Die Herausforderungen sind jedoch groß, Vieles ist denkbar, manches ist möglich. Was sich am Ende wirklich durchsetzen wird, liegt, wie immer, in der Hand der Kommunikatoren: den Kunden und Anwendern. Nur was sich tatsächlich als alltagstauglich und nicht als technische Spielerei erweist, wird unsere Kommunikationswege nachhaltig verändern.