Martin Hahn leitet das Bauamt in Wittenberge. Foto: Stadt Wittenberge
Im Rahmen der vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) geförderten Pilotphase zur Errichtung einer Kleinstadtakademie haben sich die Städte Wittenberge, Dießen, Dippoldiswalde, Mölln und Oestrich-Winkel zu einem Verbund zusammengeschlossen und gemeinsam das Projekt „StadtLabor Kleinstadt. Kooperative Entwicklung kleinstädtischer Transformationspfade im Themenfeld Digitale Arbeitswelten“ durchgeführt. Martin Hahn, Leiter des Bauamts der Stadt Wittenberge, berichtet von den Zielen und Ergebnissen.
Herr Hahn, worum ging es bei dem Projekt StadtLabor Kleinstadt?
Es ging darum, das Potenzial digital gestützter, zeit- und ortsunabhängiger Arbeitsformen für Kleinstädte auszuloten. Konkreter gesagt: Wie können Kleinstädte durch Angebote zum sogenannten Coworking für junge Menschen und Familien attraktiver werden, um der Abwanderung in die Großstädte entgegen zu wirken und neue Bürger für sich zu gewinnen.
In einer Erkundungsphase wurden zunächst mit Unterstützung des Projektmanagements, das von der CoWorkLand eG übernommen wurde, sowie der TH Lübeck als wissenschaftlicher Partner und eines privaten Zukunftsinstituts die lokalen Gegebenheiten analysiert – welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen den Kommunen? Einige hatten von Coworking noch nichts gehört, andere waren schon sehr weit. Hier in Wittenberge hatten wir bereits konkrete Erfahrungen mit dem „Summer of Pioneers“ gesammelt. Die Ergebnisse wurden verdichtet, und im Anschluss wurde für jede Stadt ein eigenes Stadtlabor ins Leben gerufen, in denen unterschiedliche Projekte realisiert wurden.
Was waren das für Projekte?
Alle Projekte drehten sich natürlich um das Thema Coworking, um zu testen, wie solche Angebote Pendler in den Kleinstädten halten können und wie der ländliche Raum mit digitalen Möglichkeiten nach vorne gebracht werden kann. In Oestrich-Winkel wurde beispielsweise für vier Monate ein Pop-up Coworking Space eingerichtet, in Mölln organisierte ein sehr aktiver Sportverein in seinem Vereinsheim einen Coworking Space und zusammen mit der Stadt eine Themenwoche rund um digitale Arbeitswelten. In Dippoldiswalde hingegen hatte die Erkundungsphase keinen großen Bedarf an Coworking ergeben, sodass sich diese Kommune im weiteren Verlauf des Projekts auf das Thema digitale Verwaltung konzentrierte.
Hier in Wittenberge, wo wir bereits gute Erfahrungen mit Coworking-Angeboten in Zusammenarbeit mit der CoWorkLand eG gemacht hatten, ging es darum, wie wir diese verstetigen und professionalisieren können. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, wie wir den zukünftig geplanten Standort des Coworking Spaces im Empfangsgebäude am ICE-Bahnhof, über den Wittenberge mit den Großstädten Hamburg und Berlin verbunden ist, ausrichten sollen. Wir haben Pendler dazu befragt, ob sie ein solches Angebot wahrnehmen würden. Außerdem haben wir ausgewertet, was an unserer bisherigen Lösung als gut bzw. verbesserungswürdig eingestuft wird. Wichtige Erkenntnisse waren unter anderem, dass die hiesige Wirtschaft derzeit noch wenig Interesse an Coworking-Angeboten im Sinne der Bereitstellung von Arbeitsplätzen hat, denn die Wege sind ohnehin kurz. Unsere Bemühungen, über Digitalisierungsthemen ins Gespräch zu kommen und Personen zusammenzubringen, wurden aber auch hier sehr begrüßt. Außerdem haben wir erkannt, dass wir bei dem Thema bisher nur die Spitze des Eisbergs bearbeiten und dass das Coworking nur ein Baustein digitaler Arbeitswelten ist.
Alle diese Projekte laufen bis Juni 2023. Dann ist die Pilotphase der Kleinstadtakademie zu Ende und wird ausgewertet. In unserem Verbund besteht der Wunsch, weiter zu kooperieren. Daher sind wir gespannt, wie das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen die Kleinstadtakademie dauerhaft etablieren wird, denn das „ob“ steht nicht mehr zur Diskussion.
Welche weiteren Erkenntnisse haben sich bereits herauskristallisiert?
Jede Stadt in unserem Verbund hat wichtige Erfahrungen dazu gesammelt, wie auf eine zunehmend digitalisierte Arbeitswelt reagiert werden kann. Der Austausch untereinander wurde als bereichernd empfunden, und durch die stärkere öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema wurde ein erheblicher Mehrwert erzeugt.
Konkret haben wir festgestellt, wie wichtig die Aktivierung zivilgesellschaftlicher Akteure und der Aufbau eines bereiten Unterstützungsnetzwerks aus lokalen Akteuren aus Wirtschaft, Gesellschaft und öffentlicher Hand für das jeweilige Vorhaben sind. Sowohl für die Bereitstellung der Ressourcen als auch für das Mitziehen der Verwaltung und der Begleitung einmal ins Leben gerufener Prozesse kommt dem Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin der jeweiligen Stadt eine Schlüsselrolle zu. Darüber hinaus ist es notwendig, eine längerfristige Perspektive zu ermöglichen, damit sich mobiles, dezentrales und ortsunabhängiges Arbeiten entfalten kann.
Auch wenn einigen Kleinstädten noch das nötige Wissen und der Zugang zu den technologischen, organisatorischen und sozialen Zusammenhängen digitaler Schlüsseltechnologien sowie die finanziellen, personellen und instrumentellen Ressourcen fehlten, zeigte sich dennoch das große Potenzial des Coworkings. Die Möglichkeit mobiler ortunabhängiger Arbeit erhöht die Attraktivität der Städte sowohl für die bestehenden als auch für potenzielle neue Bürgerinnen und Bürger und damit auch für regionale Unternehmen. Daher sollte dieser Ansatz auf jeden Fall weiterverfolgt werden, idealerweise in stärkerer Kooperation von Handwerk, Handel, Unternehmen, Verwaltung, Schulen, Vereinen und der Bürgerschaft.
Das Thema der Digitalisierung der Arbeitswelten muss unserer Ansicht nach ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt der neuen Kleinstadtakademie werden.
Weitere Informationen zur Kleinstadtakademie und zum Summer of Pioneers gibt es im Internet.
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