Mobilität im ländlichen Raum - Digitales Bürgernetz

Mobilität in ländlichen Kommunen – Rückblick 2023

#Mobilität 12. Dezember 2023

Hamm hat seit dem Sommer 2023 eine KI-steuerte Kreuzung. © Thorsten Hübner

Mobilität im ländlichen Raum ist immer noch stark mit dem Auto verbunden – einfach, weil die Bevölkerungsdichte geringer und die Distanzen zum Ziel größer sind. Doch muss es vor dem Hintergrund des Klimawandels immer das eigene Fahrzeug sein? Viele Ideen aus dem Bereich Mobilität setzen hier an: Gleich zwei der Finalistenprojekte des Wettbewerbs „Digitale Orte“ – Caaruso und Dorf Mobil – entwickeln Carsharing- bzw. Mitfahrkonzepte für den ländlichen Raum. Bei Caaruso im Bocholter Raum schließen sich jeweils fünf bis zehn Haushalte zusammen und verzichten für ein Jahr zugunsten von ein bis zwei Gemeinschaftsfahrzeugen, die direkt in ihrer Nachbarschaft platziert werden, auf ihren Zweit- oder Drittwagen. Dorf Mobil entwickelte eine App für einen sozialen Carsharing-Dienst: Dabei teilen die Anwohner:innen Informationen über beabsichtigte Fahrten im Mobilitätskalender und die App macht Vorschläge für gemeinsame Fahrten.

Ideen für eine umweltfreundlichere Alternative zum Individualverkehr gibt es in ländlichen Kommunen viele: Im vergangenen Jahr hatte sich beim Wettbewerb „Digitale Orte“ Match Rider durchgesetzt, das mit einer Ridesharing-App Bürgerbus-Systeme digital unterstützt. Die Auszeichnung habe dem Projekt Rückenwind für Förderanträge zur Digitalisierung der Bürgerbusse gegeben, sagte Dr. Benedikt Krams von Match Rider einige Monate nach der Preisverleihung. „Dabei haben wir vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise einen Nerv getroffen, da viele Bürgerbusvereine ihr linienbasiertes Angebot auf flexiblere Lösungen umstellen wollen, unter anderem um etwaige Leerfahrten zu vermeiden.“

Gelb-weißer Kleinbus steht an Bushaltestelle in einem Dorf.
Mobilität auf dem Land: Bei geringerer Taktung müssen individuellere Lösungen gefunden werden. © Match Rider/Maerker

Straßeninfrastruktur smart managen

Gewonnen hat beim Wettbewerb 2023 mit Vialytics eine KI-Anwendung für die Straßenzustandsanalyse. Gerade kleinere und ländliche Kommunen stehen vor der Herausforderung, in einem verhältnismäßig großen Gebiet den Zustand der Fahrbahnen und des Straßeninventars kontrollieren zu müssen. Vialytics macht es möglich, die Straßeninfrastruktur per Smartphone-App zu erfassen und Schäden automatisch zu erkennen. So kann jedes kommunale Fahrzeug oder Fahrrad zum Messfahrzeug werden. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination aus hochpräziser KI-Technologie und einem Management-Tool, das die Kommunen bei der Straßeninstandhaltung unterstützt“, erklärt Danilo Jovicic-Albrecht, Co-Gründer von Vialytics. Wir haben mit den MacherInnen des Projekts gesprochen:

Was bedeutet der Preis für das Projekt?

  • Der Gewinn des “Digitale Orte 2023”-Awards ist für uns der Beweis, dass digitale Systeme wie vialytics unabdingbar für eine leistungsstarke öffentliche Verwaltung sind. Über 300 Partnerkommunen in sieben Ländern bestätigen unseren KI-basierten Ansatz, der den Mitarbeitenden im Tiefbauamt und Bauhof den Arbeitsalltag erleichtert und für mehr Verkehrssicherheit sorgt. Viele unserer Partnerkommunen sind im ländlichen Raum zu finden, was zeigt, dass Smart City Lösungen nicht nur den großen Städten vorbehalten sind.

Die Straßeninfrastruktur für Pkws ist auf dem Land oft besser ausgebaut als die Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ist es dennoch nötig, die Kontrolle von Fahrbahnen und Straßeninventar digital zu unterstützen?

  • Mit intelligenten Lösungen unterstützen wir Kommunen bei der dringend notwendigen Transformation der Mobilität. Gerade wegen des zu wenig ausgebauten ÖPNV in ländlichen Regionen sind die Menschen in unseren Partnerkommunen auf sichere Straßen angewiesen. Um die Sicherheit zu gewährleisten ist viel Personalaufwand notwendig, der oft nicht vorhanden ist. An dieser Stelle kann KI den Personalmangel auffangen. Kommunen setzen das vialytics System nicht nur für die Zustandsbewertung von Hauptstraßen ein, sondern auch für Radwege und vielfältige Assets im öffentlichen Raum, zum Beispiel für die Kontrolle von Spielplätzen, Gehwegen und Treppengeländern oder für die Dokumentation von Aufgrabungen und den Winterdienst.


Gibt es Besonderheiten für den Einsatz von vialytics in ländlichen Kommunen? Wenn ja, welche Lösungen gibt es für diese ggf. speziellen Herausforderungen?

  • Der deutschlandweite Fachkräftemangel beeinträchtigt insbesondere den ländlichen Raum, weil dort größere Flächenkommunen mit wenig Personal abgedeckt werden müssen. Hier ist der Effekt von vialytics besonders sichtbar. Als anwenderfreundliche Smartphone-App kann das System auch von fachfremdem Verwaltungsangestellten zur Datenerfassung eingesetzt werden. Die integrierte Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Auswertung der Datenmengen.
    Zudem müssen durch fehlendes Personal häufig Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen ausgelagert werden. Mit dem vialytics System können Kommunen Baufirmen und Ingenieurbüros unkompliziert Zugang zu Befahrungsdaten und Bildern gewähren, was die Planung erleichtert, Termine vor Ort reduziert und damit die Kosten für die Kommune senkt. Gleichzeitig dienen die aktuellen Bilddaten als Beweissicherung von bereits durchgeführten Maßnahmen.
    Wirtschaftswege sind vor allem im ländlichen Raum häufiger vertreten und können ebenso wie Gemeindestraßen gleichwertig mit vialytics erfasst werden.
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Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten für KI und digitale Anwendungen sehen Sie im Bereich der Straßeninfrastruktur und Mobilität? Wohin wird sich vialytics weiterentwickeln?

  • Unsere Künstliche Intelligenz ist robust und skalierbar. Neben der automatischen Schadensanalyse von Straßen und Verkehrszeichen ist sie beliebig erweiterbar auf weitere Assets wie Lichtsignalanlagen, Fahrbahnmarkierungen oder Grünflächen.
    Maßgeblich bei der Weiterentwicklung von vialytics ist für uns zudem die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in der öffentlichen Verwaltung. Statt auf Insellösungen setzen wir auf ein datenbasiertes ganzheitliches System, das mit digitalen Abläufen verschiedenen Ämtern und externen Partnern ermöglicht, effizienter zusammenzuarbeiten. 
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Was nehmen Sie mit aus dem Wettbewerb?

  • Wir sind überzeugt, dass bei stetig steigenden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung und gleichzeitigem Fachkräftemangel digitale Prozesse zentrale Lösungskomponenten sein müssen. Die Digitalisierung darf dabei kein Selbstzweck sein. Mit unserem intelligenten Straßenmanagementsystem helfen wir Städten und Gemeinden bei real existierenden Herausforderungen, indem wir Aufwand minimieren und kommunale Prozesse verschlanken. Der Gewinn des “Digitale Orte 2023”-Preises in der Kategorie Mobilität zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und mit vialytics die Mobilität der Zukunft proaktiv verbessern können.

Grüne Welle durch KI

Künstliche Intelligenz ist auch in der Verkehrssteuerung angekommen. Viel mediale Aufmerksamkeit erhielt diesen Sommer eine digital gesteuerte Ampelkreuzung im nordrheinwestfälischen Hamm. „In der Komplexität, in der wir das hier haben, ist das die erste KI-Ampel in Deutschland“, betonte Christian Breßler, Leiter Verkehrstechnik und -lenkung bei der Stadt Hamm in einem Video auf Instagram. „Die Verkehrsteilnehmer, die sich der Kreuzung nähern – seien es Radfahrer, seien es Fußgänger –, werden durch die Kameras, die installiert worden sind, erkannt und dann im Steuergerät, dem Herzstück der Ampel, entsprechend verarbeitet und priorisiert.“

Die Stadt erhofft sich einen besseren Verkehrsfluss und mehr Sicherheit für Verkehrsteilnehmende, die zu Fuß unterwegs sind – allen voran für Schülerinnen und Schüler.

Trend Workation: Mobiles Arbeiten auf dem Land

Mobil zu sein – das bezieht sich immer häufiger auch auf flexibles Arbeiten. Denn mittlerweile ist es vielen Arbeitnehmer:innen möglich, ihre Aufgaben außerhalb des Büros zu erledigen, im Homeoffice oder eben von unterwegs. Speziell bei der „Workation“ geht es sogar darum, Urlaub oder zumindest einen Aufenthalt in Urlaubsregionen mit mobiler Arbeit zu verknüpfen. Menschen, die sich für dieses Konzept entscheiden, benötigen jedoch eine zuverlässige Datenanbindung und eine passende Arbeitsumgebung.

Eine solche findet sich zum Beispiel beim Verein Coworking Eichsfeld im Heilbad Heiligenstadt in Thüringen. „Workation ist eine große Chance für den Tourismus im ländlichen Raum“, sagt die Vereinsvorsitzende Elena Garcia. „Wenn Menschen an ihrem Urlaubsort gleichzeitig arbeiten können, bleiben sie vielleicht nicht nur ein Wochenende, sondern zwei Wochen. Den Regionen bringt das natürlich Geld: Die Menschen müssen irgendwo unterkommen, sie gehen einkaufen, ins Restaurant, ins Thermalbad oder in die Sauna.“

Mit einer guten Datenanbindung punktet auch der Wohnmobilpark Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz, der von der Ankunft der Gäste bis zur Strom- und Wasserabrechnung auf Digitalisierung setzt.

Zwei Frauen sitzen in einem Campingbus und arbeiten am Laptop.
Vanlife mit starker Datenanbindung – das unterstützen ausgewählte Campingplätze © Getty Images

„Außerdem gibt es auf dem Platz noch einen Food-Automaten, unter anderem mit lokalen Produkten. All das kommt bei unseren Kunden gut an“, sagt Betreiber Jonas Butzen. Ein nächster Standort für einen Wohnmobilpark in Daun ist bereits geplant. Er soll für eine stabile Datenverbindung der Gäste von Anfang an ans Glasfasernetz angeschlossen sein.

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