Hamm hat seit dem Sommer 2023 eine KI-steuerte Kreuzung. © Thorsten Hübner
Mobilität im ländlichen Raum ist immer noch stark mit dem Auto verbunden – einfach, weil die Bevölkerungsdichte geringer und die Distanzen zum Ziel größer sind. Doch muss es vor dem Hintergrund des Klimawandels immer das eigene Fahrzeug sein? Viele Ideen aus dem Bereich Mobilität setzen hier an: Gleich zwei der Finalistenprojekte des Wettbewerbs „Digitale Orte“ – Caaruso und Dorf Mobil – entwickeln Carsharing- bzw. Mitfahrkonzepte für den ländlichen Raum. Bei Caaruso im Bocholter Raum schließen sich jeweils fünf bis zehn Haushalte zusammen und verzichten für ein Jahr zugunsten von ein bis zwei Gemeinschaftsfahrzeugen, die direkt in ihrer Nachbarschaft platziert werden, auf ihren Zweit- oder Drittwagen. Dorf Mobil entwickelte eine App für einen sozialen Carsharing-Dienst: Dabei teilen die Anwohner:innen Informationen über beabsichtigte Fahrten im Mobilitätskalender und die App macht Vorschläge für gemeinsame Fahrten.
Ideen für eine umweltfreundlichere Alternative zum Individualverkehr gibt es in ländlichen Kommunen viele: Im vergangenen Jahr hatte sich beim Wettbewerb „Digitale Orte“ Match Rider durchgesetzt, das mit einer Ridesharing-App Bürgerbus-Systeme digital unterstützt. Die Auszeichnung habe dem Projekt Rückenwind für Förderanträge zur Digitalisierung der Bürgerbusse gegeben, sagte Dr. Benedikt Krams von Match Rider einige Monate nach der Preisverleihung. „Dabei haben wir vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise einen Nerv getroffen, da viele Bürgerbusvereine ihr linienbasiertes Angebot auf flexiblere Lösungen umstellen wollen, unter anderem um etwaige Leerfahrten zu vermeiden.“
Gewonnen hat beim Wettbewerb 2023 mit Vialytics eine KI-Anwendung für die Straßenzustandsanalyse. Gerade kleinere und ländliche Kommunen stehen vor der Herausforderung, in einem verhältnismäßig großen Gebiet den Zustand der Fahrbahnen und des Straßeninventars kontrollieren zu müssen. Vialytics macht es möglich, die Straßeninfrastruktur per Smartphone-App zu erfassen und Schäden automatisch zu erkennen. So kann jedes kommunale Fahrzeug oder Fahrrad zum Messfahrzeug werden. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination aus hochpräziser KI-Technologie und einem Management-Tool, das die Kommunen bei der Straßeninstandhaltung unterstützt“, erklärt Danilo Jovicic-Albrecht, Co-Gründer von Vialytics. Wir haben mit den MacherInnen des Projekts gesprochen:
Was bedeutet der Preis für das Projekt?
Die Straßeninfrastruktur für Pkws ist auf dem Land oft besser ausgebaut als die Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ist es dennoch nötig, die Kontrolle von Fahrbahnen und Straßeninventar digital zu unterstützen?
Gibt es Besonderheiten für den Einsatz von vialytics in ländlichen Kommunen? Wenn ja, welche Lösungen gibt es für diese ggf. speziellen Herausforderungen?
Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten für KI und digitale Anwendungen sehen Sie im Bereich der Straßeninfrastruktur und Mobilität? Wohin wird sich vialytics weiterentwickeln?
Was nehmen Sie mit aus dem Wettbewerb?
Künstliche Intelligenz ist auch in der Verkehrssteuerung angekommen. Viel mediale Aufmerksamkeit erhielt diesen Sommer eine digital gesteuerte Ampelkreuzung im nordrheinwestfälischen Hamm. „In der Komplexität, in der wir das hier haben, ist das die erste KI-Ampel in Deutschland“, betonte Christian Breßler, Leiter Verkehrstechnik und -lenkung bei der Stadt Hamm in einem Video auf Instagram. „Die Verkehrsteilnehmer, die sich der Kreuzung nähern – seien es Radfahrer, seien es Fußgänger –, werden durch die Kameras, die installiert worden sind, erkannt und dann im Steuergerät, dem Herzstück der Ampel, entsprechend verarbeitet und priorisiert.“
Die Stadt erhofft sich einen besseren Verkehrsfluss und mehr Sicherheit für Verkehrsteilnehmende, die zu Fuß unterwegs sind – allen voran für Schülerinnen und Schüler.
Mobil zu sein – das bezieht sich immer häufiger auch auf flexibles Arbeiten. Denn mittlerweile ist es vielen Arbeitnehmer:innen möglich, ihre Aufgaben außerhalb des Büros zu erledigen, im Homeoffice oder eben von unterwegs. Speziell bei der „Workation“ geht es sogar darum, Urlaub oder zumindest einen Aufenthalt in Urlaubsregionen mit mobiler Arbeit zu verknüpfen. Menschen, die sich für dieses Konzept entscheiden, benötigen jedoch eine zuverlässige Datenanbindung und eine passende Arbeitsumgebung.
Eine solche findet sich zum Beispiel beim Verein Coworking Eichsfeld im Heilbad Heiligenstadt in Thüringen. „Workation ist eine große Chance für den Tourismus im ländlichen Raum“, sagt die Vereinsvorsitzende Elena Garcia. „Wenn Menschen an ihrem Urlaubsort gleichzeitig arbeiten können, bleiben sie vielleicht nicht nur ein Wochenende, sondern zwei Wochen. Den Regionen bringt das natürlich Geld: Die Menschen müssen irgendwo unterkommen, sie gehen einkaufen, ins Restaurant, ins Thermalbad oder in die Sauna.“
Mit einer guten Datenanbindung punktet auch der Wohnmobilpark Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz, der von der Ankunft der Gäste bis zur Strom- und Wasserabrechnung auf Digitalisierung setzt.
„Außerdem gibt es auf dem Platz noch einen Food-Automaten, unter anderem mit lokalen Produkten. All das kommt bei unseren Kunden gut an“, sagt Betreiber Jonas Butzen. Ein nächster Standort für einen Wohnmobilpark in Daun ist bereits geplant. Er soll für eine stabile Datenverbindung der Gäste von Anfang an ans Glasfasernetz angeschlossen sein.