Workation: Urlaub und Arbeit verbinden - Digitales Bürgernetz

Neue Perspektiven für den Tourismus: Mit Workation mobil im Urlaub arbeiten

#Arbeit 15. Februar 2023

Elena Garcia und ihr Mann Claudio Garcia haben den Verein Coworking Eichsfeld ins Leben gerufen. © Daniel Günther

Wer glaubt, Arbeit und Urlaub passen nicht zusammen, der irrt. Der Wandel der Arbeitswelt macht Platz für neue Modelle. Eines davon heißt Workation. Der Begriff ist ein Mix aus den englischen Wörtern work und vacation. Elena Garcia hat das Modell schon gelebt, als es den Begriff noch gar nicht gab. Jetzt fördert sie Workation als Vorstandsvorsitzende vom Verein Coworking Eichsfeld im Heilbad Heiligenstadt in Thüringen. Das Eichsfeld ist eine Region in der Mitte Deutschlands, im Dreiländereck Thüringen, Niedersachsen und Hessen. Im Interview spricht Garcia über die Chancen von Workation, gerade auch für ländliche Regionen.

Frau Garcia: Was verbinden Sie mit Workation?

Zunächst meine ganz persönliche Geschichte. Ich komme aus Costa Rica. Dort habe ich meinen heutigen Mann kennengelernt, der während seines Studiums in Deutschland ein Jahr in Costa Rica verbrachte. Ich selbst habe internationale Beziehungen studiert, gleichzeitig habe ich für ein Start-up gearbeitet, remote von zu Hause. Mein großer Traum war es immer, nach Deutschland zu gehen. In den Semesterferien konnte ich dann alles verbinden: Ich konnte bei meinem Partner sein, arbeiten und gleichzeitig Deutschland kennenlernen. Damals, 2016, war das eher ungewöhnlich. Heute sprechen viele Menschen von Coworking und Workation…

… und Sie sind inzwischen Vorstandsvorsitzende vom Verein Coworking Eichsfeld. Auf der Website werben Sie mit dem Stichwort Workation. Was sind das für Menschen, die diese Möglichkeit nutzen?

Wir haben unseren Coworking-Space erst im April 2022 eröffnet, das Thema Workation bewerben wir seit wenigen Monaten. Bisher hatten wir ein Start-up hier und Studierende aus Weimar, die an ihrer Masterarbeit gearbeitet haben. Außerdem kommen Menschen zu uns, die in der Region groß geworden sind, heute an anderen Orten arbeiten und nun ihre Familien oder eine der vielen Veranstaltungen in der Umgebung besuchen – und eben gleichzeitig arbeiten.

Blick in den Coworking Space Eichsfeld
Ein Ort für Austausch und Vernetzung: Coworking Eichsfeld © Christian Cordes

Die Menschen, die keine Familie oder Freunde vor Ort haben, müssen irgendwo unterkommen. Wie haben Sie das organisiert?

Wir sind dabei, ein Beherbergungs-Netzwerk zu knüpfen. Momentan gehören zwei Unternehmen dazu: das Hotel und Café „Passage 84“ und „Cityapart Heiligenstadt“. Zurzeit sind wir außerdem im Gespräch mit den Machern der Tiny-Häuser von Wiesenglück.

 

Welche Chancen bietet Workation gerade für ländliche Kommunen?

Workation ist eine große Chance für den Tourismus im ländlichen Raum. Ich habe Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung studiert. Dabei habe ich gelernt, dass die Deutschen viel mehr reisen als vor einigen Jahren, aber sich nicht allzu lange an einem Ort aufhalten – schließlich haben sie nur eine begrenzte Zahl an Urlaubstagen. Wenn Menschen an ihrem Urlaubsort gleichzeitig arbeiten können, bleiben sie vielleicht nicht nur ein Wochenende, sondern zwei Wochen. Sie opfern keine wertvollen Urlaubstage und können trotzdem eine andere Umgebung genießen. Den Regionen bringt das natürlich Geld: Die Menschen müssen irgendwo unterkommen, sie gehen einkaufen, ins Restaurant, ins Thermalbad oder in die Sauna.

Für wunderschöne, aber kleine, nicht so bekannte Regionen wie das Eichsfeld, ist Workation eine gute Möglichkeit, neue Zielgruppen anzusprechen – junge Leute, auch aus dem Ausland. Für viele Menschen in Lateinamerika zum Beispiel ist Deutschland das Land, wo man hinmöchte. Für die Menschen in Deutschland wiederum ist Workation eine Chance, das eigene Land besser kennenzulernen – dazu gehören auch die Menschen vor Ort. Viele denken, sie müssten für Workation nach Südeuropa gehen, oder nach Lateinamerika oder in die Karibik. Das kann man machen, klar. Aber das Feeling von Workation, die neuen Impulse, die Entspannung zwischendurch, die damit verbundene Zufriedenheit: All das kann man auch in Deutschland finden. Bei uns im Coworking Eichsfeld beginnt der Wald zum Beispiel nur 700 Meter entfernt. Bei einer Wanderung zwischendurch kommen neue Ideen oft wie von selbst – ob man allein unterwegs ist oder im Team. Viele Ecken in Deutschland könnten ihre Vorzüge noch viel besser vermarkten.

Zwei Bänke auf einer Anhöhe mit Blick auf eine Hügellandschaft, in der die Wolken hängen. Darüber blauer Himmel.
Wunderschön, doch wenig bekannt: Workation bietet die Möglichkeit, das eigenen Land besser kennenzulernen – ohne wertvolle Urlaubstage zu verlieren. © HVE Eichsfeld Touristik e.V. / Katrin Schmidt

Wie können Kommunen Workation fördern?

Für Workation braucht man auf jeden Fall eine Infrastruktur zum Arbeiten, also zum Beispiel einen Coworking Space mit schneller Internetverbindung und Meeting-Räumen. Parallel muss die touristische Infrastruktur passen. Dazu gehören Übernachtungsmöglichkeiten, Wander- und Radwege, der öffentliche Nahverkehr und eine vielfältige Gastronomie, Freizeit- und Kulturangebote. Unser Verein arbeitet eng mit der Politik vor Ort zusammen. Die Stadtverwaltung teilt Infos über uns in den Sozialen Medien, in der Touristikinformation liegen Flyer, politische Vertreter unterstützen uns beim Netzwerkaufbau. Umgekehrt versuchen wir die Region zu unterstützen und veranstalten aktuell zum Beispiel eine Start-up Week mit dem Schwerpunk Tourismus. Das Ziel ist es, neue Ideen zu entwickeln und die schon bestehenden Netzwerke zu stärken und auszubauen.

 

Ist Workation nur etwas für Selbstständige und Start-ups oder bietet sich das Modell auch für größere Unternehmen an, um damit gezielt Arbeitskräfte zu gewinnen?

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Remote Work in vielen Fällen möglich ist. Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden hier flexibel entgegenkommen und zum Beispiel Modelle wie Workation anbieten, können sie damit sicherlich ihre Attraktivität steigern. Studien zeigen, dass mobiles Arbeiten die Effizienz erhöht. Die Mitarbeitenden sind zufriedenen, motivierter und sind seltener krank.

 

Findet Workation ausschließlich in Coworking-Spaces statt? Welche Orte bieten sich noch an?

Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Der Ort hängt immer von der einzelnen Person ab. Wer Austausch und andere Perspektiven sucht, ist in einem Coworking Space genau richtig. Wer einfach nur dem Alltag entkommen und eher alleine sein möchte, findet auch in vielen Hotels die passenden Arbeitsbedingungen, einige haben sich schon auf das Thema spezialisiert.

Ist Workation aus Ihrer Sicht nur ein vorübergehender Trend oder wird sich das etablieren?

Ich denke, das wird sich etablieren. Das Thema mobiles Arbeiten ist aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Die Digitalisierung entwickelt sich rasant, die Pandemie hat viele Schwachpunkte sichtbar gemacht. Die Politik ist hier aktiv geworden, was auch den ländlichen Regionen zugutekommt. Da ist auf jeden Fall viel Potenzial für den Tourismus vorhanden. Die Regionen müssen das Thema Workation nur für sich entdecken und das Potenzial nutzen. Manche sehen diese Chance noch nicht. Deshalb müssen wir das Thema noch mehr in die Öffentlichkeit bringen.

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