Karin Wessel begleitet mit ihrem Team die Region Linz auf dem Weg zur smarten Kommune. © Sascha Ditscher/evm/Stadt Linz
Die Region Linz zählt zu den kleinsten Kommunen innerhalb des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ der Bundesregierung. Rund 19.000 Menschen leben in der Stadt Linz am Rhein und weiteren sechs Ortsgemeinden. Bei ihrer Strategie setzt die Gemeinde auf Vernetzung vor Ort und die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen. Daten spielen bei allem eine wichtige Rolle. So beginnt Linz am Rhein den Weg zur smarten Kommune mit einem Pilotprojekt zur Personenzählung. Was dahinter steckt und welche Projekte außerdem in den Startlöchern stehen, erzählt Karin Wessel im Interview. Sie ist seit sechs Jahren Citymanagerin der Stadt Linz am Rhein und leitet seit Anfang 2022 das Modellprojekt Smarte Region Linz. Mit ihrem Team begleitet sie den Smart-City-Prozess.
Frau Wessel: Im April haben sie mit einem Pilotprojekt zur Personenzählung begonnen. Was steckt dahinter?
Bei dem Projekt geht es uns um die Belebung der Innenstadt von Linz. Damit wir sinnvolle Maßnahmen entwickeln können, brauchen wir eine Datengrundlage. Daher haben wir im April dieses Jahres in Kooperation mit einem regionalen Energieversorger zwei Sensoren auf LoRaWAN-Basis in der Fußgängerzone installiert. Diese können die mobilen Endgeräte von Passanten im Umkreis anonym erfassen, indem sie nach offenen WLAN-Verbindungen suchen. Die gesammelten Daten werden dann an eine LoRaWAN-Funkantenne übermittelt, die wir im Glockenturm des historischen Rathauses installiert haben. So können wir sehen, wann wie viele Menschen in der Stadt sind. Diese Information können wir zum Beispiel für die Planung von verkaufsoffenen Sonntagen oder Veranstaltungen nutzen.
Darüber hinaus werden wir LoRaWAN auch für andere Anwendungen nutzen. So sind wir derzeit dabei, auf dem Marktplatz mobile Bäume mit Sensoren aufzustellen.
Mobile Bäume mit Sensoren?
Richtig. Beim Marktplatz in Linz handelt es sich um eine gepflasterte Fläche, unter der Leitungen verlaufen und die wir für Veranstaltungen freihalten müssen. Das heißt, wir können dort kein dauerhaftes Grün pflanzen. Gleichzeitig ist die Hitzebelastung an sonnigen Sommertagen besonders hoch. Die Bäume sollen Schatten spenden. Mit den Sensoren können wir herausfinden, wann die Bäume Trockenstress haben und das Bewässerungsmanagement optimieren.
Welche Rolle spielen Daten generell auf dem Weg zur Smart City?
Eine sehr wichtige. Wir brauchen Daten und Informationen, damit wir die richtigen Entscheidungen treffen können – egal ob es um Mobilität, Stadtentwicklung, Gesundheit, Klimaschutz oder Bürgerservices geht. Eines unserer ersten Projekte ist daher der Aufbau einer zentralen Datenplattform, in der alle Daten aus der Region zusammenfließen. Auf einem Dashboard sollen die vorhandenen Daten visualisiert und verständlich aufbereitet werden.
Das klingt nach einem aufwändigen Projekt …
Stimmt. Da geht es um Zeit und Kosten. Für eine kleine Verbandsgemeinde wie Linz am Rhein ist das eine besondere Herausforderung. Deshalb machen wir das auch nicht allein, sondern zusammen mit weiteren Modellprojekten Smart Cities, im sogenannten Südwest-Cluster. Dazu gehören neben der Region Linz die Landkreise Bitburg-Prüm, Kusel, Mayen-Koblenz, St. Wendel sowie die Stadt Kaiserslautern.
Gibt es solche Kooperationen auch in anderen Bereichen?
Auf jeden Fall. Letztendlich stehen ja alle vor ähnlichen Herausforderungen. Im Rahmen des Förderprogramms gibt es eine Koordinierungs- und Transferstelle Smart Cities, die den Wissensaustausch unter den inzwischen 73 Modellkommunen gezielt begleitet und fördert – und darüber hinaus. Es gibt zum Beispiel Konferenzen und eben die Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaften. Wir überlegen aktuell, ob wir für den Aufbau einer Bürgerservices-Plattform und -App ebenfalls einer solchen Gemeinschaft beitreten. Dort können wir auf der einen Seite von Lösungen profitieren, die es bereits gibt. Auf der anderen Seite können wir schauen, welche spezifischen Themen wir darüber hinaus in solch eine Plattform integrieren möchten und ein passendes Tool entwickeln. So leistet jeder seinen Beitrag in den Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaften. Ein zentraler Gedanke bei den Modellprojekten Smart Cities ist es ja, dass Open-Source-Lösungen entstehen, mit denen andere Kommunen später arbeiten können.
Stichwort Bürgerservice-Plattform. Was versprechen Sie sich davon?
Wichtig ist für uns, die Bürger bei dem Prozess mitzunehmen. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass viele mit dem Begriff Smart City noch wenig anfangen können. Das gleiche hören wir auch aus anderen Kommunen. Das ändert sich, wenn die Dinge konkret werden. Deshalb ist die Bürgerservices-Plattform und -App mit Mängelmelder, Newsfeed etc. ein wichtiges Projekt für uns. Außerdem geht es uns bei der Plattform um Vernetzung: Zum einen zwischen den Bürgern und der Politik, zum anderen wollen wir Verbindungen schaffen zwischen den Menschen, die in den Talgemeinden am Rhein leben und denen aus den Höhengemeinden.
In diesem Zusammenhang gibt es ein weiteres wichtiges Projekt: Eine digitale Beteiligungsplattform, die wir noch in diesem Herbst starten – als Ergänzung zu analogen Beteiligungsformaten wie Workshops. Dafür nutzen wir die Open-Source-Plattform Consul. Wir hoffen, dass wir mit der Plattform noch mehr Menschen als bisher erreichen und häufiger mit ihnen in Aktion treten können.
Kommen wir noch einmal auf das Thema Innenstadtentwicklung zurück. Vor welchen besonderen Herausforderungen steht Linz am Rhein?
Linz hat eine historische Altstadt. Viele der Gebäude verfügen traditionell über einen einzigen Hauseingang, der Wohnraum in den oberen Etagen ist nur über den Eingang des Ladenlokals im Erdgeschoss erreichbar. Früher war das kein Problem: Da haben die Besitzer sowohl die Geschäfts- als auch die Wohnräume genutzt. Heute ist das nicht mehr so und hat zur Folge, dass ganze Häuser und einzelne Etagen, vor allem die Wohnräume in den oberen Stockwerken, leer stehen. Und Online-Handel, Kaufkrafteinbußen und Sanierungsstau tragen zum Leerstand in den Erdgeschossen bei. Mit einem digitalen Zwilling, einem digitalen Abbild der Stadt, wollen wir räumliche und architektonische Möglichkeiten sichtbar machen – zum Beispiel, ob man Gebäude zusammenlegen und einen gemeinsamen Eingang schaffen kann. Hier werden wir prüfen, welche Lösungen größere Städte bereits entwickelt haben und was wir auf unsere Kleinstadt übertragen können. Ziel ist es, das Zentrum wieder attraktiver und lebendiger zu machen – im Übrigen auch für Touristen. In diesem Zusammenhang steht auch ein virtueller Stadtrundgang auf unserer Agenda. Der muss allerdings noch ein bisschen warten. Wie gesagt: Wir sind ein kleines Modellprojekt und fangen mit kleinen Schritten an. Entscheidend ist, dass wir uns auf den Weg machen. Wir gestalten damit nicht nur die smarte Region Linz. Mit dem Modellprojekt etablieren wir gleichzeitig einen Erprobungsraum für innovative Anwendungen in kleinen ländlichen Städten und Regionen.
Mit dem Förderprogramm unterstützt das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Kommunen dabei, die Digitalisierung im Sinne einer integrierten, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zu gestalten. Derzeit läuft die dritte Staffel des Förderprogramms. Zusammen mit der ersten und zweiten Staffel besteht ein bundesweites Netzwerk von 73 Modellprojekten, das einen aktiven Austausch und Wissenstransfer pflegt. Dadurch lernen die Kommunen voneinander und miteinander und streben gemeinsame Projektumsetzungen an. Auch nicht geförderte Kommunen sollen von den Ergebnissen profitieren.
Mehr Infos gibt es unter www.smart-city-dialog.de.
Interkommunale Zusammenarbeit
Kooperationen spielen für viele Gemeinden eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Digitalisierung voranzutreiben. Wie gewinnbringend das für alle Beteiligten ist, zeigt das Beispiel der Smart Region Schwalm-Eder-West. Hier geht’s zum Blogbeitrag.