Diese Erdbeeren kommen aus der Region! Das Konzept Marktschwärmer verbindet Online-Bestellung und Bauernmarkt. © Marktschwärmer
In Deutschland möchten viele Verbraucherinnen und Verbraucher gesund und nachhaltig essen: Das macht der Ernährungsreport 2023 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft deutlich. Der Anteil der Menschen, die auch vegane oder vegetarische Alternativen kaufen, steigt. „Aber auch die bessere Verträglichkeit für Klima beziehungsweise Umwelt, der Tierschutz und der Geschmack sind kaufentscheidend.“ Ganzen 48 Prozent der Befragten ist es wichtig, dass die Landwirtschaft Produkte auch regional vermarktet. Und 16 Prozent haben sich schon einmal Gemüse und Obst direkt von regionalen Erzeugern nach Hause liefern lassen.
Das wachsende Interesse an regional produzierten Lebensmitteln erkennen nicht nur Supermarktketten und Bauernmärkte. Auch Initiativen wie Marktschwärmer finden neue Wege, Erzeuger mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern zusammenzubringen: In sogenannten Marktschwärmereien kann die Kundschaft zu bestimmten Terminen Lebensmittel abholen, die sie zuvor online bestellt hat. Das ursprünglich aus Frankreich stammende Konzept hat auch hierzulande zahlreiche Fans. Mittlerweile gibt es 95 solche Verkaufsspots und eine eingeschworene Gemeinschaft aus über 3.000 Erzeugerbetrieben und mehr als 225.000 registrierten Nutzer:innen.
Geschäftsleiter Felix Virmani berichtet im Interview, wie Marktschwärmer funktioniert und wohin es sich entwickelt.
Marktschwärmer gibt es in Deutschland seit zehn Jahren. Sie sind seit 2023 mit an Bord, haben aber auch bereits für andere regionale Lebensmittelvertriebe gearbeitet. Was ist das Besondere an Marktschwärmer?
Marktschwärmer vertreibt Lebensmittel nicht selbst, sondern stellt lediglich eine Plattform bereit, auf der sich Erzeuger registrieren und ihre Waren anbieten können. Das heißt: Wir bieten die digitale Infrastruktur, damit Landwirte ihre Produkte im regionalen Umfeld verkaufen können. Dabei haben wir drei Akteure: die Erzeugerbetriebe, die Endkundinnen und -kunden sowie die Schwärmerei – das ist der Ort, an dem die Waren abgeholt werden können. Dort gibt es einen Gastgeber oder eine Gastgeberin, die oder der die Verantwortung für die Organisation des Events und die Betreuung übernimmt. An diesen „Markttagen“ geht es nämlich nicht nur ums Abholen der bestellten Waren, sondern auch ein bisschen um das soziale Miteinander: Viele schnacken erst mal eine Runde.
Marktschwärmer behauptet sich in einem nicht ganz einfachen Markt und hat – zumindest regional – alternative Vertriebs- und Lieferstrukturen etabliert. Was macht Marktschwärmer besser als andere?
Das Erfolgsgeheimnis liegt sicher auch im verbindlichen Einkaufserlebnis, das die Menschen bei uns finden. Es gibt eine regionale Einkaufsgemeinschaft, die man regelmäßig beim Abholen trifft. Man kennt aber auch die Erzeuger nach einer Weile: Man weiß, wer das Fleisch herstellt oder das Obst und Gemüse anbaut. Dieses Bekannte lieben die Menschen, die bei uns einkaufen.
Wie wichtig sind die Online-Bestellung für Konsumenten und die digitale Infrastruktur für Erzeuger im Konzept Marktschwärmer?
Ich habe gerade wieder in einem Medienbeitrag einen unserer Erzeuger gesehen: Er betonte, dass das Leben einfacher für ihn wird, wenn er über uns vermarktet. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf der anderen Seite ist digitales Einkaufen schlicht Standard. Die wenigsten würden heute wohl noch anrufen oder einen Bestellzettel ausfüllen.
Wir sind übrigens die einzigen, die eine solche Online-Bestellung für regionale Lebensmittel deutschlandweit anbieten. Um unsere Plattform weiter zu verbessern, haben wir ein internes Feedbacksystem für die Erzeugerbetriebe sowie Gastgeberinnen und Gastgeber. Auch von Anwenderseite bekommen wir viel positives Feedback: Da geht es allerdings meist um die Qualität der Produkte oder der Dienstleistung. Wir wollen das demnächst für uns nutzen und die Produktbewertung auf der Plattform noch stärker herausstellen.
Die Idee zu Marktschwärmer stammt aus Frankreich, wo das Konzept deutlich stärker verbreitet ist. Dazu kommen weitere Netzwerke in anderen europäischen Ländern. Gibt es einen Austausch?
Ja, es gibt einen wöchentlichen europäischen Austausch. Wir haben alle das gleiche Konzept und deswegen ähnliche Probleme. Trotzdem haben wir unterschiedliche Erfahrungen und können voneinander lernen.
Wir haben diese Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren gestärkt. Es bleibt allerdings dabei, dass unsere digitale Infrastruktur, also die Plattform selbst, in Frankreich weiterentwickelt und gehostet wird. Für die Tools sammeln wir in den Ländern Vorschläge und Wünsche, die wir dann an das französische Team weiterleiten. Wenn Änderungen für viele relevant sind, werden sie dort umgesetzt.
Um die Vermarktung kümmern wir uns vor allem in jüngster Zeit intensiver. Dabei geht es darum, den Gedanken, der Marktschwärmer zugrunde liegt, bekannter zu machen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Denn Landwirtschaft ist ein europäisches Thema. Und mit unserem Konzept möchten wir über die Themen Saisonalität, Regionalität und Ressourcenaufwand bei der Lebensmittelproduktion informieren und zugleich für mehr Lebensmittelwertschätzung sensibilisieren. Für den September bereiten wir eine gemeinsame Vermarktungskampagne vor.
Wer findet sich typischerweise bei Marktschwärmer auf der Erzeuger- und Kundenseite?
Die Marktschwärmereien bieten eine große Bandbreite an Produkten, daher gibt es auch ganz unterschiedliche Betriebsformen und -größen. Fast allen ist es aber wichtig, dass sie ihre Lebensmittel regional verkaufen können und einen persönlichen Kontakt haben. Umgekehrt gilt für die Kundinnen und Kunden, dass sie von diesem Konzept sehr überzeugt sind. Sie müssen ja einen kleinen Mehraufwand betreiben, um in einer Marktschwärmerei ihre bestellten Lebensmittel abzuholen. Dafür bekommen sie aber auch ein Einkaufserlebnis, das ein Gegenentwurf zum gängigen Lebensmittelvertrieb ist. Zu uns kommen also Menschen, denen es ein Anliegen ist, so einzukaufen: direkt beim Erzeuger.
Ihre Prognose: Wird Marktschwärmer in Deutschland wachsen oder ist der Bedarf gedeckt?
Während der Corona-Pandemie hatten wir enormen Zulauf, danach hat es etwas abgenommen. Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass wir wieder wachsen: Wir eröffnen neue Schwärmereien. Und es gibt ein öffentliches Interesse daran, Projekte wie unseres zu fördern, gerade in Bezug auf das Klima. Mir ist besonders wichtig, dass regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Daher würde ich mir wünschen, dass sich noch viel mehr Menschen nach regionalen Erzeugern umsehen. Jetzt im Herbst zur Erntesaison wäre doch eine gute Zeit dafür!
Marktschwärmer setzt sich seit 2014 in Deutschland für die faire Direktvermarktung regionaler hochwertiger Lebensmittel ein. Entstanden ist das Konzept bereits 2011 in Frankreich unter dem Namen „La Ruche Qui Dit Oui!“ (der Bienenkorb, der Ja sagt). Es verbindet den Online-Verkauf regionaler Lebensmittel mit der persönlichen Atmosphäre eines Bauernmarktes, den „Marktschwärmerei“ genannten Abholpunkten. Die Erzeuger sind in der Schwärmerei vor Ort, um ihre Ware zu übergeben und die Fragen der Kundinnen und Kunden zu beantworten. Derzeit gibt es in Deutschland 95 Marktschwärmereien. Im Herkunftsland Frankreich sind es 372, dazu kommen weitere Initiativen in Spanien, Italien, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz.