Angebote wie die Bad-Belzig-App können das Miteinander in Städten und Gemeinden verbessern. © SVS GmbH
Der eine sucht den aktuellen Plan der Müllabfuhr, die andere Unterstützung bei der Gartenarbeit. Der Sportverein wirbt um neue Mitglieder und das Komitee fürs nächste Dorffest braucht noch aktive Mitstreiter: Es gibt auch in kleineren, ländlichen Gemeinden viele gute Gründe, sich digital zu vernetzen und zu unterstützen. Mit dem modularen Baukasten der Smart Village App können Kommunen diesen Austausch unter ihren Bewohnerinnen und Bewohnern fördern. Je nach Bedarf können sie daraus „ihre“ App konfigurieren – ähnlich wie das Auto beim Kauf eines Neuwagens. Da die Anwendung Open-Source-basiert ist, ist sie zudem ohne Lizenzkosten erhältlich, darf beliebig weitergegeben und auch nachgemacht werden. Letzteres dürfte in derselben Qualität allerdings schwierig werden. Denn hinter dem Smart-Village-App-Baukasten steckt ein vielköpfiges, professionelles Entwicklungsteam, das sich mit Programmierung, Design und User Experience bestens auskennt: das Unternehmen Smart Village Solutions SVS GmbH um Gründer und Geschäftsführer Philipp Wilimzig.
Los ging die Erfolgsgeschichte 2019. Damals hat das brandenburgische Bad Belzig die Bad-Belzig-App ausgerollt – die erste Bürger-App, die auf dem Smart-Village-Baukasten beruht. „Wir hatten gehofft, dass wir 500 Downloads in einem Jahr hinbekommen – und hatten schon nach vier Wochen 1.500 Downloads“, erzählt Wilimzig stolz. Seither sind unter anderem die Eisenhüttenstadt-App, die Frankfurt(Oder)-App und die Michendorf-App dazugekommen, mehr und mehr Kommunen und Landkreise setzen auf die Lösung. Schließlich haben die Menschen vor Ort immer dieselben Bedürfnisse und es braucht überall ähnliche Funktionen, um das regionale Miteinander schöner und einfacher machen. Anstatt jedes Mal von Grund auf alles neu zu planen und programmieren zu lassen, ist es daher nicht nur sinnvoll, sondern auch wesentlich schneller, eine bestehende Plattform zu nutzen und sie punktuell den lokalen Besonderheiten anzupassen.
„Wir hatten gehofft, dass wir 500 Downloads in einem Jahr hinbekommen – und hatten schon nach vier Wochen 1.500 Downloads.“
Philipp Wilimzig
„Die Apps bündeln digitale Angebote, die in einer Kommune vorhanden sind oder gerade neu entstehen“, sagt Philipp Wilimzig. „Sie sorgen dafür, dass man mit wenigen Klicks an ein und derselben Stelle alle Informationen hat, die man braucht, wenn man sich vor Ort bewegen möchte.“ Darunter sind neben den Meldungen der Kommunen, wie sie sich analog zum Beispiel im Gemeindeblatt finden, auch Nachrichtenteaser zu lokalen Medien, Servicetipps von Tourismusorganisationen oder Updates aus den Vereinen. Selbst Mobilitätsdaten und Fahrplaninformationen lassen sich integrieren. Damit hat das Entwicklerteam ganz offensichtlich einen Nerv getroffen. Ein Grund für die rasante Ausbreitung des App-Baukastens könnte darin liegen, dass er auf Anregungen der Community hin stetig angepasst und ausgebaut wird. Wichtig aus Sicht von Wilimzig ist auch, dass er und seine Leute aktiv den Kontakt zu den Userinnen und Usern suchen – etwa bei Stadtfesten oder anderen Veranstaltungen. Das bringt wertvolles Feedback und auch den ein oder anderen Anstoß für die Weiterentwicklung. Sogar Ältere heben die komfortable Nutzung auf dem Smartphone hervor. Sehr userfreundlich ist zudem die Möglichkeit, Push-Benachrichtigungen ein- und auszuschalten: Die App hält sich dann unauffällig im Hintergrund und meldet sich nur gelegentlich mit Neuigkeiten.
Richtig interessant wird die Sache, wenn sich Kommunen oder Landkreise aufgrund gemeinsamer Interessen zusammentun und mit dem Smart-Village-Solutions-Team eigene Lösungen auf die Beine stellen. Philipp Wilimzig blickt zurück auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren: „In ihrer ersten Form waren die Apps vor allem ein Informationsmedium, mit ortsbezogenen Nachrichten und Veranstaltungen. Inzwischen hat sich das geändert.“ Erfolgreich ist zum Beispiel ein Umfragemodul, das in einem Gemeinschaftsprojekt der Städte Frankfurt/Oder und Bad Belzig entstanden ist. Über das Baukastensystem lässt es sich in die jeweilige App integrieren. „Die Kommunen haben dieses Modul konzipiert und finanziert. Damit haben sie die Möglichkeit, sehr niedrigschwellig und zeitnah ein Stimmungsbild zu bestimmten Themen einzuholen.“ Damit solche Projekte in einem finanziell vertretbaren Rahmen bleiben, sollten die potenziellen Smart Villages eine Mindestzahl an Einwohnerinnen und Einwohnern haben, rund 5.000, schätzt Wilimzig. In Zukunft könnte eine reduzierte Version der App aber auch für kleinere Ortschaften finanziell gut zu stemmen sein.
Beim Wettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen“ von Deutsche Glasfaser und „Deutschland – Land der Ideen“ wurde der Smart-Village-App-Baukasten im Juni 2022 in Berlin ausgezeichnet. Als Preisträger hat sich Philipp Wilimzig nachträglich Gedanken darüber gemacht, warum die Wahl auf sein Projekt fiel: „Ich glaube, dass diese Auszeichnung auch auf den Aspekt der Nachhaltigkeit abgezielt hat, das heißt: Ideen, bei denen eine stetige Weiterverbreitung gegeben ist. Und mit bereits 25 Nutzungsregionen liegen wir in dem Punkt wohl recht weit vorne“, sagt er. „Die Smart Village App ist ein echtes Beispiel, wie man interkommunal durch einen Open-Source-Ansatz digitale Projekte gemeinsam entwickeln kann und damit Mehrwert für alle Nutzerinnen und Nutzer schafft“, bringt es Frank Friedrich von der Stabstelle Digitalisierung der Stadt Belzig auf den Punkt. Auch er freue sich über den Preis, den er als Wertschätzung für die Installierung dieses neuen Instruments der Bürgerbeteiligung, -information und Dienstleistungserbringung betrachte. „Unsere Lösung hat bewiesen, dass aus einem kommunalen Pilotprojekt schnell etwas wesentlich Größeres erwachsen kann. Also kein Leuchtturm, sondern schon eher ein Lichtermeer“, so Wilimzig. Dieses könnte sich in Zukunft noch erheblich ausdehnen, nicht nur deutschlandweit, sondern auch darüber hinaus. Als Garant dafür sieht der Gründer auch das nachhaltige Geschäftsmodell: Für die beratende und begleitende Unterstützung bei der Nutzung der App erhält die SVS GmbH von den Kommunen ein Honorar und finanziert sich auf diese Weise. Weil für eine eigenständige Nutzung aller Funktionen ein gewisses Know-how im IT-Bereich nötig ist, nehmen viele kommunalen Vertreterinnen und Vertreter dieses Angebot in Anspruch. „Wir haben gezeigt, dass auch ein gemeinnütziges Open-Source-Projekt finanziell auf sicheren Beinen stehen kann“, sagt Wilimzig.
Digitale Projekte auf dem Land sichtbar machen und die Köpfe dahinter untereinander vernetzen – das sind die gemeinsamen Ziele von Deutsche Glasfaser und der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“. Daher wurde in diesem Jahr erstmalig der Innovationswettbewerb “Digitale Orte im Land der Ideen” ausgerufen. Aus 200 Einreichungen wurden im Juni die Gewinnerprojekte geehrt – die Smart Village App ist eines der zehn Projekte, die dabei ausgezeichnet wurden. Mehr Informationen zum Wettbewerb – etwa zur Ausschreibung, zur hochkarätigen Jury und den Preisträgern – finden Sie hier.