Digitales Bürgerforum in Kempten - Digitales Bürgernetz

Stadtentwicklung erleben: In Kempten entsteht ein Digitales Bürgerforum

#Gemeinschaft 31. August 2023

Am Touchtisch des Zukunftslabors: Sandro Mertens, die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach, Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle und der Landtagsabgeordnete Alexander Hold. Foto: Stadt Kempten

Vom Digitalen Zwilling für die Stadtplanung bis zur Erprobung einer autonom fahrenden Kehrmaschine: Kempten im Allgäu nutzt konsequent die Möglichkeiten der Digitalisierung, um den öffentlichen Raum zu gestalten und das Leben in der Stadt zu verbessern. Die Kommune wurde für das Förderprogramm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) „Modellprojekte Smart Cities“ ausgewählt und hat bereits mehrere Smart-City-Projekte angestoßen.

Zusätzlich hat Kempten auch im Wettbewerb „Kommunal? Digital!“ des Bayerischen Digitalministeriums einen Zuschlag erhalten. Mit der Fördersumme von 500.000 Euro soll der digitale Zwilling – eine virtuelle Kopie der Stadt – in einem Digitalen Bürgerforum vor Ort und auf einer digitalen Plattform präsentiert werden. Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger zum Anschauen, Mitmachen und Mitdenken einzuladen.

Wir haben mit Sandro Mertens, Leiter der Stabsstelle Digitale Stadtentwicklung, über das Vorhaben gesprochen.

Seit wann hat Kempten einen digitalen Zwilling und welche Daten sind in ihm enthalten?

Sandro Mertens: Mit dem Aufbau eines digitalen Zwillings haben wir bereits vor Jahrzehnten begonnen: in den frühen 2000er Jahren. Das Grundgerüst und Module kaufen wir ein, die Geodateninfrastruktur und das geographische Informationssystem GIS hosten wir intern. So können wir Daten und GIS selbst an unsere Bedürfnisse anpassen.

Wir haben das System in den vergangenen Jahren immer weiterentwickelt, so dass heute viele Fachämter davon profitieren. Es gibt zum Beispiel eine Schnittstelle zu unserem eigenen Streetview, damit fahren wir bei der Vermessung virtuell durch die Straßen. Das erspart uns einige Außendienstfahrten.

Es gibt aber auch Schnittstellen zu internen Programmen, etwa dem Einwohnermeldeamt oder dem Bauamt, und mobile Apps für Kontrollen auf Spielplätzen.

Kurz: Der digitale Zwilling und seine Anwendungsmöglichkeiten sind in den Fachämtern sehr bekannt und werden gern genutzt.

Hat Kempten in Bezug auf Smart City und Digitalisierung eine Vorreiterrolle?

Sandro Mertens: Ich denke schon. Wir stellen unsere Entwicklungen aus dem Bereich Smart City anderen zur Verfügung. Das ist ohnehin eine Vorgabe der meisten Förderprogramme, es ist aber auch gut und sinnvoll. Warum sollen wir nur etwas für uns entwickeln, wenn andere das auch gut gebrauchen können?

Viele unserer Smart-City-Projekte setzen auf dem Digitalen Zwilling auf. Dabei geht es zum Beispiel um Klimadaten und Krisenresilienz im Bereich Starkregen, den Verkehrsfluss in der Stadt oder Bauvorhaben. Ein Teilprojekt ist auch das Zukunftslabor, in dem das Digitale Bürgerforum verortet ist.

Besuchergruppe stehen um einen Touschtisch, eine Person trägt eine VR-Brille.
Von Touchscreen bis VR-Brille: Bürger:innen zu Besuch im Zukunftslabor Kempten. Foto: Stadt Kempten

Welche Rolle soll das Digitale Bürgerforum im Zusammenhang mit dem digitalen Zwilling spielen?

Sandro Mertens: Wir wollen eine Bürgerbeteiligungsplattform aufbauen, die sowohl virtuell den digitalen Zwilling erlebbar macht, als auch vor Ort zugänglich ist. Im Zukunftslabor können die Bürgerinnen und Bürger vorbeischauen, ins Gespräch kommen und ihre Meinung abgeben. Die digitale Plattform und das Zukunftslabor haben wir in den vergangenen Monaten aufgebaut und laden die Menschen jetzt dazu ein.

Bei der digitalen Plattform haben wir uns für das Open-Source-System Consul entschieden. So können andere Kommunen davon profitieren, was bei uns entsteht. Denn als Smart City wollen wir, wie gesagt, Teil der Weiterentwicklung in Sachen Digitalisierung sein.

Welche Ziele verfolgt das Digitale Bürgerforum?

Sandro Mertens: Wir wollen zunächst eine technische Plattform aufbauen, damit sich Bürgerinnen und Bürger zeit- und ortsunabhängig informieren und beteiligen können – nach Feierabend, wenn Fachämter bereits geschlossen haben. Dadurch möchten wir den Dialog zwischen Bürgerschaft und Verwaltung fördern. Trotzdem war uns die analoge Begegnungsstätte im Zukunftslabor sehr wichtig, weil sie den persönlichen Austausch ermöglicht. Nach der Pandemie haben wir da Nachholbedarf.

Als Stadt versprechen wir uns von dem besseren Austausch, dass sich die Akzeptanz für Projekte der Stadtentwicklung erhöht. Als Laie ist es oft schwer zu verstehen, wie zum Beispiel eine neue Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Iller aussehen könnte, wenn sie nur auf Papier geplant wird. Erst durch eine 3D-Animation bekommt man einen realistischen Eindruck.

Das Zukunftslabor hat im August eröffnet. Was bekommen die Bürgerinnen und Bürger in Kempten dort zu sehen?

Sandro Mertens: Wir präsentieren Projekte der Smart-City-Abteilung, Geodaten und auch den bereits erwähnten Illersteg, der neu und hochwassersicher gebaut werden soll. Um zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, haben wir zum 70. Jubiläum der jährlichen Festwoche historische Aufnahmen aus dem Archiv geholt und unsere erste Festwoche visualisiert.

Und der archäologische Park in Kempten steuert 360-Grad-Filme bei.

Im Zukunftslabor vor Ort gibt es einen Touchtisch und einen großen interaktiven Bildschirm. So können mehrere Personen an den Modellen arbeiten oder Inhalte betrachten. Es geht ja auch ums gemeinsame Erleben und den Austausch.

Welche Erwartungen haben Sie an das Digitale Bürgerforum?

Sandro Mertens: Ich glaube, die hybride Herangehensweise und die realitätsnahen Modelle sind für die Bürgerinnen und Bürger sehr interessant. Es wird dann einfacher, sich an Stadtentwicklungsvorhaben zu beteiligen.

Wie sich die Akzeptanz für das Digitale Bürgerforum entwickeln wird, können wir natürlich heute noch nicht sagen, aber möglicherweise läuft es ähnlich wie beim Digitalen Zwilling für die Fachämter: Das System ist im Arbeitsalltag so wichtig geworden, dass es sehr auffällt, wenn das GIS einmal offline ist. Ich würde mir wünschen, dass das Digitale Bürgerforum den Menschen in Kempten einmal ähnlich ans Herz wächst.

Zuschauerraum mit Bänken im Zukunftslabor Kempten
Einen Blick auf den zukünftigen Illersteg gewährt das Digitale Bürgerforum in Kempten. Foto: Stadt Kempten
Digitales Bürgerforum in Kempten

Im Digitalen Bürgerforum informiert die Stadt Bürgerinnen und Bürger über die aktuellen Aufgaben und Problemstellungen der Stadtentwicklung. Zusätzlich zu einer digitalen Plattform wurde eine Begegnungsstätte eingerichtet, in der die visualisierten Daten auf Bildschirmen zur Verfügung stehen.

Basis der Darstellungen ist der digitale Zwilling. Ziel des Projektes ist es, den Austausch über Projekte und die Bürgerbeteiligung zu fördern.

Hier gibt es weitere Informationen über die Smart City Kempten: https://smartes.kempten.de/

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