Wer in ländlichen Regionen von einem Ort zum anderen kommen will, nutzt meist das eigene Auto – besonders, weil das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel bei Weitem nicht so gut ausgebaut ist wie in größeren Städten. Aber es geht auch anders: Viele kleine Gemeinden und Landkreise setzen auf intelligent vernetzte Gesamtverkehrskonzepte, um einen Beitrag zur Verkehrswende und somit auch zum Klimaschutz zu leisten.
In manchen ländlichen Regionen schaffen alltägliche Fragen der Mobilität große Probleme. Ohne ein gut ausgebautes Nahverkehrsangebot haben viele Menschen Schwierigkeiten, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Neue Supermärkte entstehen vermehrt auf grünen Wiesen am Rande der Städte. Ohne Auto ist das Einkaufen für den täglichen Bedarf schwierig. Ob Volkshochschule oder Kino – sie sind oft nicht zu allen Tageszeiten mit dem Bus zu erreichen. Die Probleme ländlicher Mobilität sind in allen Regionen Deutschlands ähnlich. Es gibt zu wenige Verbindungen im öffentlichen Verkehr. Das Angebot passt nicht zu den Fahrtwünschen und -zeiten. Die Tarife sind zu unübersichtlich.
Ein Kreislauf beginnt: Der ÖPNV verzeichnet nicht genug Nachfrage und Fahrgäste. Das Angebot wird reduziert und damit immer unattraktiver, also fahren noch weniger Menschen mit Bus und Bahn. Auf dem Land nutzen fast alle Menschen zwischen 18 und 80 Jahren den Pkw, um mobil zu sein. Aber nicht jeder ist damit zufrieden. Das sind vor allem die, die das Auto noch nicht oder nicht mehr nutzen können. Umso wichtiger ist ein zukunftsgerichteter Ausbau des Verkehrs mit innovativen Mobilitätskonzepten für Städte und Kommunen.
Nicht nur der Arztbesuch, auch Sport, Kultur oder Einkauf gehören zum Alltagsleben und müssen für die Bewohner ländlicher Regionen erreichbar sein – auch ohne fahrbaren Untersatz. Das hat auch die Politik erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat ein Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ (BULE) aufgelegt, das Projekte fördert, die innovativen und zukunftssicheren Verkehr in den Fokus rücken.
Ein Teil davon ist „LandMobil – unterwegs in ländlichen Räumen“. Hier geht es um Erfahrungen für die Praxis. 41 gerade gestartete Modellvorhaben sollen die Mobilität der Menschen auf dem Land in Zukunft verbessern. Noch bis zum Jahr 2023 testen sie verschiedene Ideen und Konzepte, um einen Fahrplan für die Verkehrswende zu entwickeln.
Es geht etwa um Mitfahrgelegenheiten, das sogenannte Ridesharing. Erprobt werden aber auch flexible Rufbusse oder Vernetzung von Auto mit Bus und Schiene. Die Ergebnisse können andere Gemeinden anregen, eigene Lösungen für ihre Bürger zu entwickeln.
Wenn schon mit dem Auto pendeln, muss dann wirklich jeder seinen eigenen Pkw benutzen? Das geht doch auch anders. Das hat sich eines der 41 Projekte bei LandMobil auf die Fahnen geschrieben.
Zum Beispiel nehmen viele Menschen aus eher ländlichen Gegenden in Mecklenburg-Vorpommern lange Anfahrtswege über die Landesgrenze in Kauf, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Ein Pendlerparkplatz an der Bundesautobahn 24 im Landkreis Ludwigslust-Parchim dient oft als Zwischenstopp. Aus dem Parkplatz wird nun ein Mobilitätszentrum auf dem Land. Dazu gibt es dort eine Lade- und Mietstation für Elektrofahrzeuge. Eine Mobilitätsapp zeigt den Bewohnern des Landkreises überregionale Mitfahrgelegenheiten von hier aus auf. Drei Menschen haben ein gemeinsames Ziel? Eine Mitfahrstation in alle vier Himmelsrichtungen ermöglicht es, sich zusammenzutun und gemeinsam zu starten – das spart Spritgeld und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz.
Bürgernahe Verkehrs- und Mobilitätsangebote sind wichtig, um ländliche Räume und ihre Gemeinden für Menschen und Unternehmen attraktiv zu gestalten. Ideen, die das Land mobil machen, gibt es schon viele. Sie setzen auf Tugenden, die hier noch immer stark vertreten sind, etwa Gemeinsinn und Hilfsbereitschaft. Ein Beispiel dafür sind besonders gekennzeichnete Mitfahrbänke, auf der Menschen sitzen und von anderen mitgenommen werden können.
Eine andere Idee nennt sich Nachbarschaftsauto. Bei dieser besonderen Form des Carsharings geht es um den privaten Verleih von Fahrzeugen unter Nachbarn. Wer ein Auto besitzt, aber gerade nicht benutzt, kann es gegen eine Gebühr verleihen. All das funktioniert rasch, einfach und bequem über eine webbasierte Anwendung, die die Menschen zusammenbringt.
Doch diese tätige Nachbarschaftshilfe reicht oft nicht aus. Gefragt sind leicht zu bedienende Informations- und Buchungsangebote für alle Altersstufen und alle Verkehrsmittel.
Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel. Sie bietet neue Chancen, verschiedene Verkehrsmittel intelligent zu kombinieren. Nur eine schnelle, bequeme Fahrtplanung und ein passgenaues Angebot lösen die individuellen Mobilitätsprobleme der Bewohner. Das macht umso deutlicher, wie wichtig der flächendeckende Ausbau des Breitbandnetzes mit Glasfaser auch auf dem Land ist. Denn ohne schellen Zugang zum Internet und ein komfortables Auskunftsmedium geht, besser gesagt „fährt“ nichts.
Zwei Projekte, „Mobilfalt“ und „Garantiert mobil!“ tragen ihre Mission im Namen. Auch sie setzen auf digitale und leicht zu bedienende Anwendungen, um die Verkehrswende voranzutreiben. „Mobilfalt“, ein Angebot des Nordhessischen VerkehrsVerbundes (NVV) ist der Versuch, ein Ridesharing-System in den ÖPNV zu integrieren.
In sechs Gemeinden im Werra-Meißner-Kreis können privat fahrende Menschen Fahrtwünsche von anderen Bürgern annehmen. Auf ausgewählten ÖPNV-Strecken bringen sie ihre Nachbarn ans gewünschte Ziel. Dafür bekommt der Fahrer eine Vergütung und der Fahrgast zahlt eine geringe Pauschale. Nette Kontakte sind dabei inklusive. Findet sich kein Fahrer, werden die Fahrten von einem Taxi auf Kosten des NVV durchgeführt. Treffpunkte sind immer die Haltestellen des ÖPNV. Möglich macht das alles ein neues webbasiertes Buchungssystem. Es ist mit der regulären Fahrplanauskunft verbunden und nennt den Gesamtpreis für die Fahrt.
Garantiert mobil! will die Bewohner des Odenwaldkreises näher zusammenbringen. Es zeigt beispielhaft, wie moderne Verkehrskonzepte und -maßnahmen in Regionen außerhalb der Stadt aussehen können – dank digitaler Vernetzung. Das Ziel ist es, das ÖPNV-Angebot zwischen den Ortschaften und den jeweiligen Zentren des Kreises zu verbessern. „Informieren, buchen, bezahlen“. So ist kurz und knapp das Buchungssystem beschrieben, das als Web-Anwendung oder App angeboten wird.
Im Hintergrund steht die Verbindungssuche des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV). Sie liefert dem Fahrgast alle Informationen, die er braucht. Lange Suche und mühsame Überlegung, wie sich welche Verkehrsmittel kombinieren lassen, haben damit ein Ende.
Einmal registriert, meldet sich der Fahrgast immer wieder schnell an und gibt seinen Fahrtwunsch ein. Dann bekommt er ein ÖPNV-Angebot zu Regel- oder Rufbus. Angezeigt werden aber auch Mitnahmefahrten, die private oder gewerbliche Anbieter im Buchungsportal hinterlegt haben. Und vor allem: Vom ersten bis zum letzten Kilometer gilt für alle Beförderungsmittel der gleiche Fahrpreis, egal ob Bus, Bahn oder Mitnahmeangebot.
Über selbst lenkende fahrbare Untersätze wird schon seit Jahren diskutiert und viel geforscht. Noch war das meist Zukunftsmusik. Monheim, eine Stadt im Rheinland, macht vor, wie es heute schon geht. Und was hier funktioniert, könnte auch für Landbewohner attraktiv sein.
Ein autonom fahrender Kleinbus bringt in Monheim die Bürger alle 15 Minuten vom Busbahnhof zur Altstadt. Der Bus ist ein behindertengerechtes E-Mobil und hat für Notfälle einen menschlichen Operator. Der Vorteil ist, dass er auf Strecken unterwegs sein kann, die für Linienbusse nicht befahrbar oder nicht rentabel sind.
Solche autonom fahrenden Kleinbusse könnten regelmäßig auch abgelegene Ortsteile auf dem Land ansteuern und als Zubringer zum ÖPNV innerhalb der Kommune oder der nächsten Stadt dienen. Diese Angebote, die auf die Unterstützung durch künstliche Intelligenz in Echtzeit angewiesen sind, erzeugen riesige Datenmengen, die blitzschnell verarbeitet werden müssen. Ohne eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist das nicht zu schaffen. Ein Beispiel mehr dafür, wie wichtig Digitalisierung für ländliche Regionen ist.
Alle diese Projekte zeigen: Es gibt neue, intelligente Lösungen für die Menschen auf dem Land, die mehr und anders mobil sein wollen. Die Ideen zur Verkehrswende sind da und mit einem entsprechenden Zugang zur Datenautobahn können die echten Schnellstraßen wirkungsvoll entlastet werden. Mehr als das: Menschen in allen Altersgruppen können komfortabel, sicher und zuverlässig unterwegs sein.