Vor allem Familien zieht es verstärkt aufs Land.
Kleine Gemeinden haben in Deutschland deutlich an Attraktivität gewonnen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung „Landlust neu vermessen. Wanderungsgeschehen in Deutschland“ (2022). Doch was bedeuten die Zahlen für die neuen Bewohner:innen und die ländlichen Regionen?
Die Studie vergleicht das durchschnittliche Wanderungsgeschehen der Jahre 2008 bis 2010 mit jenem der Jahre 2018 bis 2020 und greift dafür auf die Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder zurück. Das Ergebnis: Von der Großstadt bis zur Landgemeinde gewinnen im aktuellen Zeitraum alle Gemeinden Einwohner:innen durch Umzug hinzu – die Großstädte jedoch weniger als zehn Jahre zuvor. Die Kleinstädte und Landgemeinden hatten von 2008 bis 2010 ein negatives Wanderungssaldo, gewinnen zehn Jahre später jedoch 5 bzw. 4 pro tausend Einwohner:innen hinzu. Das ist eine Trendumkehr.
„Die vielzitierte neue Landlust spiegelt sich im Umzugsverhalten wider. Unsere Analyse der Wanderungsstatistik zeigt auf, dass inzwischen tatsächlich mehr Menschen ihren Wunsch umsetzen und sich für ein Leben auf dem Land entscheiden als noch vor einem Jahrzehnt“, sagt Frederick Sixtus vom Berlin-Institut.
Für Großstädte spielt der Zuzug aus dem Ausland eine große Rolle. Bei Umzügen innerhalb Deutschlands gewinnen dagegen die ländlichen Regionen. Als „landlustigste“ Altersgruppe macht die Studie die Familienwander:innen aus, 30- bis 49-Jährige, die mit ihrer Familie häufiger in dünn besiedelte Regionen umziehen. Ebenfalls mobil sind die etwas jüngeren Berufswander:innen, die nach Studium und Berufsausbildung noch einmal umziehen – und zwar mittlerweile auch in Kleinstädte oder den ländlichen Raum.
Bedingt hat das auch mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre zu tun, in denen pandemiebedingt das mobile Arbeiten üblicher wurde.
„Die neue Landlust begann nicht erst mit der Corona-Pandemie. Die Entwicklung deutet sich schon länger an und hat seit 2017 Fahrt aufgenommen. Corona hat diesen Trend noch einmal verstärkt“, erläutert Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts.
Die Studie zieht ein Fazit: Um sich für den Zuzug von Familien und jüngeren Berufstätigen attraktiv zu machen, müsse die Anbindung ans Datennetz für das Arbeiten im Homeoffice ausreichen. Darüber hinaus bräuchten junge Familien Kitas, Schulen und Nachmittagsangebote für Kinder. Auch der öffentliche Nahverkehr oder die Nahversorgung seien für die neuen Bewohner:innen wichtig.
„Natürlich verändert der Zuzug auch das bisherige Leben in den Gemeinden“, so Manuel Slupina, Leiter des Themenbereichs Stadt & Land bei der Wüstenrot Stiftung, „in vielen Dörfern probieren die Menschen die digitalen Möglichkeiten aus und erschaffen neue Orte und Angebote wie etwa Coworking- oder Makerspaces, flexible und gemeinschaftliche Wohnprojekte oder neue Mobilitäts- oder Nahversorgungsangebote.“
So könnten Lücken in der Versorgungslandschaft geschlossen werden und soziale Treffpunkte entstehen.
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt.
Die Wüstenrot Stiftung arbeitet gemeinnützig in den Bereichen Denkmalpflege, Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kunst und Kultur.
In der Studie „Landlust neu vermessen“ haben die beiden Organisationen das aktuelle Wanderungsgeschehen in Stadt und Land untersucht und die Wanderungsbewegungen in Deutschland der Jahre 2008 bis 2010 und 2018 bis 2020 miteinander verglichen.
Dabei zeigt sich ein Trend: Vor allem innerhalb Deutschlands ziehen mehr Menschen aufs Land.
Die vollständige Studie steht zum Download bereit. Eine Datenvisualisierung gibt es hier.