In Ahaus ist die digitale Stadt bereits Gegenwart. © Digitalstadt.Ahaus
Wie gut das Konzept der Digitalstadt.Ahaus ist, zeigte sich zuletzt beim Wettbewerb Digitale Orte: Dort konnte sich das Projekt gegen die Konkurrenz in der Kategorie Smarte Kommune durchsetzen. Streng genommen ist das Projekt aber nicht nur kommunal – wenn auch in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Ahaus entstanden. Die Initiative ging maßgeblich vom Software-Unternehmen Tobit Laboratories aus, das die Digitalstadt.Ahaus gegründet hat und immer weiter ausbaut. Wer vor Ort eine Besichtigungstour bucht, begegnet dem Botschafter bei Tobit Laboratories Dieter van Acken. Er führt durch die vielen Angebote – und erklärt im Interview, was Ahaus bei der Digitalisierung richtig macht.
Sie bezeichnen die Digitalstadt.Ahaus als Reallabor. Mit was wird dort experimentiert?
Kurz: mit allem, was Digitalisierung ausmacht. Es geht uns um die digitale Anbindung von Bürgerinnen und Bürgern an ihre Stadt, aber auch um die smarte Verknüpfung von Ladengeschäften, Sharing-Angeboten oder Gastro-Betrieben. Ziel ist es, möglichst viele Mehrwerte zu schaffen und einen niedrigschwelligen Zugang zu den digitalen Angeboten zu geben.
Was hat sich im Alltag der Ahauser Bürgerinnen und Bürger denn verändert?
Durch die Digitalstadt verändert sich nicht der Alltag, sondern die Möglichkeiten, die sich in der Stadt bieten. Dabei gleichen wir eine Entwicklung aus, die gerade ländlichen Regionen und kleineren Städten wie Ahaus in den vergangenen Jahren zu schaffen gemacht hat: Es gibt Leerstände. Kneipen, Cafés und Restaurants schließen. Diese Probleme lösen wir nur durch digitale Angebote.
Wir betreiben selbst in Ahaus 13 verschiedene Objekte, vom Hotel bis zum Supermarkt. Die Gebäude standen vorher leer. Jetzt gibt es ein Angebot, das mit wenig oder ganz ohne Personal funktioniert und einen Mehrwert schafft. Weitgehend automatisiert funktionieren auch andere Projekte auf unserer Plattform. Um Spielgeräte oder ein Boot auszuleihen, reicht dann die digitale ID. Die Nutzerinnen und Nutzer bedienen sich selbst – es ist kein anderer mehr da, der das für sie macht.
Die Nutzerinnen und Nutzer müssen also sehr viel selbst machen. Kommt das gut an?
Ja, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat … Am Anfang gibt es zwar immer Widerstände. Im Laufe der Zeit hat sich aber herausgestellt, dass die digitalen Shops, Restaurants und Ausleihstationen gut funktionieren. Insgesamt nehmen die Bürgerinnen und Bürger ihre Stadt damit positiver wahr.
Corona war für die Digitalisierung ein Türöffner, auch in Ahaus. In dieser Zeit hat man ständig mit dem Smartphone QR-Codes gescannt und sich über eine digitale ID Testergebnisse angeschaut. Wenn die Menschen heute in der Sportsbar die Speisekarte nur noch per QR-Code aufrufen können, ist das völlig akzeptiert.
Auf Zielgruppen, die das noch nicht so selbstverständlich handhaben, gehen wir vor Ort zu und erklären unser System. Dann hilft man ein-, zweimal und hat schon einen neuen Botschafter gewonnen, der die Zugänge zu den Angeboten der Digitalstadt in seinem sozialen Umfeld bekannter macht.
Die Digitalstadt.Ahaus ist auch ein Anziehungspunkt für Besucherinnen und Besucher, die für die eigene Kommune oder Region dazulernen möchten. Dafür bieten Sie Touren an. Was erleben die Gäste dort?
Die Touren sind sehr beliebt: Vergangenes Jahr hatten wir 1.008 Besucherinnen und Besucher. Dieses Jahr werden wir wohl wieder bei etwa der gleichen Zahl landen. Dabei sind Menschen aus der kommunalen Wirtschaftsförderung, dem Stadtmarketing, aus Industrie- und Handelskammern oder Gastronomie-Unternehmen, aber auch Landräte und Bürgermeister. Für alle ist es enorm wichtig, die Digitalstadt vor Ort zu erleben und zu sehen: Das funktioniert ja wirklich! Wir gehen dann zum Beispiel ins smarte Hotel, das weitgehend ohne Personal auskommt und zu 70 Prozent ausgelastet ist. Wir erklären, wie die Fahrradausleihe funktioniert und lassen die Gäste das selbst ausprobieren. Wir haben auch oft Ansprechpartner der Stadt Ahaus dabei, so dass wir über die Konzepte hinter der Digitalstadt schnell ins Gespräch kommen.
Für welche Aspekte interessieren sich die Gäste besonders?
Viele sind beeindruckt davon, wenn in der Sportsbar nach dem Ende des Spiels 200 Leute gleichzeitig mit dem Smartphone bezahlen. Unsere Gastronomiekonzepte und der digitale Supermarkt, die ja beide eine Lösung für den Personalmangel bieten, sind oft die Highlights auf den Touren.
Generell würde ich aber sagen: Es ist die Vielfalt der Angebote, die unsere Digitalstadt so spannend macht. Die Besucherinnen und Besucher nehmen sich oft kleine Ideen mit – die Fahrrad- oder Bootsvermietung oder einen digitalen Stadtrundgang – und schauen, was sich zu Hause umsetzen lässt. Wir haben da unbedingt einen Vorbildcharakter: Für andere ist die digitale Stadt Zukunft, für uns Gegenwart.
Die Stadt Ahaus arbeitet in dem Projekt eng mit Ihnen zusammen: Was hat die Kommune dazu bewegt? Welche Vorteile bieten sich der Stadt?
Ahaus ist in der öffentlichen Wahrnehmung DIE Digitalstadt. Das ist nach außen eine starke Botschaft und ein USP für das Stadtmarketing. Parallel arbeitet die Stadt jedoch auch daran, in der Verwaltung und bei kommunalen Services digitale Möglichkeiten zu nutzen: Dazu gehören ein LoRaWAN-Netz, mit dem sich Besucher zählen oder Wetterdaten erheben lassen, und der digitale Zugang zur Verwaltung. Wir ergänzen das Ganze mit unserer Plattform für privatwirtschaftliche Angebote, sorgen für ein attraktives Innenstadtangebot und führen damit die unterschiedlichen Bereiche perfekt zusammen.
Das Motto unserer Zusammenarbeit mit der Stadt Ahaus ist: Wenn es eine digitale Verbesserung gibt, die wir zusammen umsetzen können, tauschen wir uns dazu aus. Gerade betrifft das zum Beispiel KI-Anwendungen, die die Verwaltung effizienter machen können.
Hat es für das digitale Reallabor Vorteile, dass Ahaus keine Metropole, sondern eine überschaubare Stadt im ländlichen Raum ist?
Gerade in kleineren Städten ist die Umsetzung sehr viel einfacher.
Ideen werden schneller umgesetzt und man kann Erfolge sehen. Die Unterstützung von kommunaler Seite ist da.
Als Gesamtmodell wäre die Digitalstadt.Ahaus nicht so leicht auf eine Großstadt zu übertragen, schon allein, weil wir viel mit Berechtigungen arbeiten: Es gibt zwar eine ID, die sich jede Nutzerin oder jeder Nutzer unkompliziert einrichten kann und die den Zugang zu den meisten Angeboten eröffnet. Für bestimmte Anwendungen – etwa den Supermarkt, in dem auch Alkohol verkauft wird – brauche ich aber zusätzlich einen Personalausweis und eine Bankverbindung. Der Supermarkt ist also nur einer angemeldeten Nutzergruppe von aktuell etwa 3.000 Personen zugänglich, nicht spontan allen, die vorbeikommen.
Was ist ihr Lieblingsort in der Digitalstadt.Ahaus?
Ich gehe sehr gern in den „Unbrexit“, einen britischen Pub. Das Ambiente stimmt: Man geht dort hin, trifft Leute, unterhält sich gut – und muss auf keinen Fall länger auf sein Bier warten. Die digitalen Prozesse fürs Bestellen und Bezahlen laufen dezent im Hintergrund ab.
Wie wird sich die Digitalstadt.Ahaus weiterentwickeln?
Es wird noch viele weitere Anwendungen geben, weil wir weiter daran arbeiten, alles miteinander zu verbinden. Da es immer weniger Arbeitnehmer gibt, die Serviceleistungen erbringen, müssen diese Angebote digital sein. Denn wenn wir das Automatisierungspotenzial nicht nutzen, haben wir im Einzelhandel oder in der Gastronomie bald gar nichts mehr. Meine Vision für die Digitalstadt.Ahaus ist daher: die Innenstadt als Treffpunkt zu erhalten und neue Angebote zu schaffen.
Die Digitalstadt.Ahaus ist eine Plattform mit derzeit über 100 digitalen Angeboten für die Ahauser Bürgerinnen und Bürger. Ziel ist es, eine lebenswerte Innenstadt mit attraktiven, digital gesteuerten Angeboten für Handel, Gastronomie und Touristik anzureichern und Leerstände neu zu beleben. Dafür wurde die Stadt zum Reallabor.
Alle Anwendungen sind auf einer zentralen Plattform verfügbar. Bei der ersten Registrierung vergibt das System eine ID, die den Zugang zu weiteren Angeboten eröffnet. Einmal angemeldet, bestellen und bezahlen, buchen und leihen die Nutzerinnen und Nutzer alles per Smartphone.
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